Margrit Schriber - Die Vielgeliebte meines Mannes

  • Zur Autorin (Quelle: Homepage) Biografie - MARGRIT SCHRIBER'S LITERATUR (margrit-schriber.ch)


    "Mich auf dem Tanzboden der Phantasie austoben. Das war, was ich in meinem tiefsten Innern wollte."


    Tochter eines Wunderheilers, aufgewachsen in der Innerschweiz. Nach dem Besuch der Töchterschule Theresianum folgen eine Banklehre, Aufenthalte in der Westschweiz und in England. Sie verwaltet Immobilien und führt die Buchhaltung von Gesellschaften. Doch ihr Traumberuf ist Schriftstellerin. Sie bildet sich autodidaktisch aus. Liest, übt, schreibt verbissen und verwirft. Dieser einsame Prozess dauert acht Jahre, bis sie sich die Veröffentlichung des ersten Textes zutraut. Ihren ersten Roman "Aussicht gerahmt" veröffentlicht sie 1976. Danach folgen die Bücher Schlag auf Schlag. Zwischendurch entstehen Hörspiele, Stücke, Texte für Anthologien. Ihr Werk ist breit gefächert und erhält viele Auszeichnungen.


    Lesereisen führen sie durch Europa. Mehrmals wird sie zu Lesungen an amerikanische Universitäten eingeladen. Eine Vielfalt von Sekundärliteratur entsteht.


    Klappentext :


    Es beginnt mit der Anstellung des Musikstudenten Charly als Organist in der Kirche St. Anna in einem abgelegenen Dorf am See. Er gründet einen Mädchenchor, was bei den Töchtern von ungelernten Arbeiterinnen aufregende Zukunftsträume weckt: Warum sollten sie nicht entdeckt werden wie die Gesangs- und Filmstars, für die sie schwärmen? Im Dorf lernt Charly außerdem die exzentrische Madame Benz kennen, die ihn fasziniert. Über den Chorproben und den regelmäßigen Besuchen in der Villa von Madame Benz vergisst Charly sein Studium und seine junge Frau. Das eifersüchtige Chormädchen Kitty schmiedet einen Plan mit dramatischen Folgen.


    Mein Lese-Eindruck:


    Das Buch wurde mir von einer Lesefreundin empfohlen, und ohne ihren Tipp hätte ich nicht danach gegriffen. Die momentan so oft bemühte Gestaltung des Covers – Frau von hinten, pastose Farben) schreckt mich ab, und Titel und Cover und auch der Klappentext zusammen ließen mich an Frauenroman, Liebesroman u. ä. denken.


    Umso schöner, dass ich mich habe täuschen lassen!


    Der Roman beginnt tatsächlich mit der Anstellung des Musikstudenten Charlys als Organist in einem entlegenen Dorf in der Schweiz – und zugleich mit einem Knalleffekt, der auf das Ende der Handlung verweist: ein Schuss. Einer der Spannungsbögen besteht daher darin zu erfahren, wie es zu diesem Ende kommt und wer nun erschossen oder angeschossen wird. Gleichzeitig ist man als Leser aber beruhigt: die Erzählerin kann es nicht sein.


    Der Schauplatz der Handlung, ein namenloses abgeschiedenes Dorf an einem See, erweist sich als Mikrokosmos. Hier ist alles vorhanden: Liebe, Eifersucht, Klatsch und Tratsch, soziale Gegensätze, Armut und mondäne Extravaganz gleich nebeneinander, Ausbeutung und Luxus, sozialer Aufstiegswillen, Lebensträume der pubertierenden und BRAVO-lesenden Mädchen, Starrummel, und so fort..


    Ein zweiter Spannungsbogen offenbart sich langsam: es ist die zunehmende Desillusionierung der Protagonistin. Zunächst glaubt sie noch an das exzeptionelle Talent ihres Mannes, der eines Tagen mit einer genialen Komposition die Welt erschüttern wird. Und da fallen tatsächlich Worte wie


    Zitat

    „Ich liebe ja auch Musikstücke, die deine perlenden Spinnenfinger der Orgel entlocken.“ S. 22


    „Mein Liebster, du bist für mich eine Glocke, deren Geläut ich niemals höre.“ S. 45


    die ich zunächst, durchaus verschreckt, für bare Münze genommen habe und erst im Fortgang der Handlung die bittere Ironie dahinter gespürt habe. Die Protagonistin wandelt sich von der bedingungslos und aufopferungsvoll Liebenden. und sie erkennt in einem bitteren Prozess die Windbeutelei und das Versagen ihres Mannes und ihre eigene Rolle.


    Und wie die Autorin das erzählt, hat mir sehr gut gefallen. Mit wenigen Worten, kein Wort ist zu viel, entwirft sie lebensvolle Figuren. Hinter der Beschreibung einer Idylle (z. B. Chorproben mit den "Chorblumen") verbirgt sie Ironie und auch Zynismus und spiegelt damit die langsam wachsende Erkenntnis der Protagonistin. Immer öfter wird eine Beschreibung mit einem Schlussatz abgeschlossen, der in seiner zynischen Art wie ein Pfeil wirkt, vortritt. Und so begleitet der Leser die bittere Desillusionierung der Protagonistin: ihr Glaube an das große Glück mit dem genialen Charly bis hin zur Erkenntnis, dass er :-# SPOILER :-# und bewundert sie für ihre Lebenskraft.


    Fazit: ein kleiner wortkarger und trotzdem ausdrucksstarker Roman.

    :study: Percival Everett, James.

    :musik: Agatha Christie, Mord im Pfarrhaus.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Bei dem Cover hätte ich in einer Buchhandlung ziemlich sicher nicht zugegriffen. Ich hätte da eine Liebesgeschichte oder ähnliches vermutet.

    Vielen Dank deshalb für deine Rezension drawe . Der Inhalt des Buches spricht mich an, ich habe es auf meine Wunschliste gelegt.

    Nimm dir Zeit für die Dinge, die dich glücklich machen.


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  • ich habe es auf meine Wunschliste gelegt.

    Ich könnte mir denken, dass es Dir gefällt.

    Das Cover ist lieblos und nichtssagend. Schade.

    :study: Percival Everett, James.

    :musik: Agatha Christie, Mord im Pfarrhaus.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).