Daniel Schmidt - Elbschlosskeller

  • Bei einem Buch mit dem Titel „Elbschlosskeller“ erwartet man, dass es um den Elbschlosskeller geht; eine Kiez-Kneipe in Hamburg. Richtig? Leider nein.


    Der Elbschlosskeller befindet sich gegenüber des goldenen Handschuhs und dass Honka, der Frauenmörder, auch im Keller zu Gast war, wird natürlich erwähnt. Es bleibt, zum Glück, bei der einen Erwähnung. Nur zu oft werden Morden/Serienmörder dazu ausgenutzt um Profit zu schlagen. Schmidt verzichtet immerhin darauf dies all zu offensichtlich zu tun.


    Was ist nun das Buch? Es ist die (Auto-) Biografie des Besitzers Daniel Schmidt. Dieser übernahm die Kneipe von seinem Vater und arbeitet dort seit seinem 18. Lebensjahr hinter dem Tresen. Wer also über das Leben eines Hamburger Kiezkneipenbesitzer lesen möchte, der ist hier an der richtigen Stelle. Wer über diese spezielle Kneipe, deren Geschichte, vielleicht die Kiez-Kultur lesen möchte ist es (eher) nicht.


    Ein paar Stichpunkte dazu:


    - Zu Beginn erzählt Schmidt Anekdoten über einige Stammgäste. Das erweckt, - in der Leseprobe(!), - den Eindruck, es ginge um die Kneipe und ihre Besucher. Das stellt sich als irreführend heraus. Schmidt streut solche Geschichten zwar im weiteren Verlauf ein, doch es geht primär um ihn und seine Familie.


    - Die oben erwähnten Schilderungen der Kneipengäste schrammen am Voyeurismus vorbei, sind manchmal drüber. Das ist subjektiv, aber die Begeisterung, mit der Schmidt von seinen Gästen erzählt, die sich durch Alkohol und andere Drogen selbst zerstören, fand ich befremdlich.


    - Seine wiederholten Betonungen, wie gerne er Menschen hilft und wie oft er sich als Retter in der Not präsentiert verkommt zur Selbstbeweihräucherung. Wenn er eine ältere, durch Alkohol obdachlos gewordene Frau auf einer Couch im Hinterzimmer schlafen lässt, klingt das bei Schmidt als wäre er die Wiedergeburt des barmherzigen Samariters.

    Zitat von Seite 148

    Aber in meiner Familie haben ja alle ein Helfersyndrom. Wir ziehen Menschen an, die in Not sind. Wir spüren, wenn andere etwas brauchen.


    - Seine eigene Geschichte, die geprägt ist durch Gewalt und Drogen stieß mir bald sauer auf. Zwar betont Schmidt wie dumm und gefährlich sein Verhalten war, doch ich kann nicht umhin aus seinen Schilderungen einen Stolz heraus zu lesen. Schmidt ist stolz darauf ein „harter Hund“ zu sein. Alle kritischen Anmerkungen zu seinem Verhalten klingen wie nachträglich eingefügt, als hätte jemand im Hintergrund Schmidt daran erinnert, dass man heutzutage bitte eine „Drogen sind böse“ - Nachricht einbauen muss. Genauso platt und unglaubwürdig klingt es auch.


    - Zum Beispiel beginnt Schmidt mit 12 oder 14(?) damit sich Testosteron zu spritzen. Sein einziges Bedauern scheint, dass er damit sein Wachstum gestoppt hat. Danach erwähnt er, was für eine dumme Idee das war, nur um einen Absatz später (stolz) zu erzählen, wie er mit 19 weiter pumpte und sich wieder Testosteron spritzte, denn jetzt „kannte er sich ja damit aus.“


    - Sein Stolz darauf ein „harter Hund“ spiegelt sich vor allem in der Schilderung seines Vaters, den Schmidt verehrt. Ein Vater, der mit Gewalt erzieht, - aber dazu kann er nichts, laut Schmidt. Ein Vater, der Gäste aus der Kneipe nachts zu sich ins Wohnzimmer einlädt, um dort weiter zu saufen (O-Ton), ungeachtet dessen, dass sich Kinder dort befinden. Schmidt war dort 8-9 Jahre alt. Ein Vater der zwei Flaschen Vodka trinken kann und am nächsten morgen ganz „normal“ zu Arbeit geht. Bei Schmidt klingt das, als sollte man darauf stolz sein.


    - Typische Schilderung salopper Gewalt:

    Zitat von S.152-153

    Schon in meiner ersten Schicht hatte ich eine Prüfung bestehen müssen, eine Elbschlosskeller-Tauglichkeitsprüfung. Eine Gruppe von sieben Mannsbildern, gestandene Kerle, hing im Laden ab. Stammkunden, Obdachlose, Arbeitslose. Die nahmen mich, den Jungspund, genau unter die Lupe und tuschelten ständig. Ich spürte, dass die was ausheckten. Dann schickten sie einen von ihnen los, um bei mir sieben Bier zu bestellen. Ich stellte sie vor ihm hin, und er sagte: „Nö, zahlen tu ich aber nicht.“ Einfach so. Die wollten wissen, wie ich reagiere, wenn ich die Kohle nicht bekomme. Die wollten sehen, ob ich klein beigebe, wie weit sie es bei mir treiben können. Ich sagte gar nichts, holte aus und gab dem Typen stattdessen eine Ohrfeige. Nicht wirklich hart, aber heftig genug, dass er aus den Latschen kippte. Er stand auf und gab mir die Hand. Die anderen applaudierten und grölten. Prüfung bestanden. Der Typ zahlte die sieben Bier und setzte sich wieder an seinen Tisch. Alles war in Ordnung, die Stammgäste wussten, okay, der setzt sich durch, der ist hier richtig.

    Ergo: Rede nicht mit den Gästen, hau ihnen eine runter und alle applaudieren. Um fair zu bleiben: Die "Gewalt ist eine Lösung" - Attitüde ist für das Milieu realistisch. Dagegen ist auch gar nichts einzuwenden, ich bin kein Fan von Schönfärberei. Leider scheitert der Autor mMn die nötigen kritischen Facetten glaubwürdig zu beleuchten und so klingt vieles romantisch-verklärter, als es (vielleicht) beabsichtigt war.


    - Seine Schilderungen durchtrainiert er doch ist/war, wie viele Affären und (heiße) Frauen er hatte und vor allem wie viel (großartigen) Sex er hatte streut er gern mal ein. Es wird bald ermüdend und die Sprache erinnert da oft an einen billigen P****.


    - Kleines Beispiel zum obigen Punkt:


    - Schmidts (Traum)Berufswunsch war zu einem Zeitpunkt als Kind, und später auch als Erwachsener übrigens Lude. Zu Hochdeutsch: Zuhälter. Ich lasse das mal so stehen.


    Fazit: :bewertung1von5: :bewertung1von5: - Es ist unterhaltsam, das muss ich zugeben. Hat was von diversen einschlägigen RTL Nachmittagssendungen. Um die Kneipe, die Geschichte oder den Kiez geht es nicht. Es sind die Memoiren eines Kneipenbesitzers, deren Fokus auf der eigenen Lebensgeschichte liegt. Man kann es als ungeschminkte Milieustudie bezeichnen, das gestehe ich dem Buch zu. Für mich sieht der Autor sein Milieu zu rosa-rot und mit der aufgepumpter-zugedröhnter-Möchtegern-Zuhälter-mit-Goldkette-Romantik kann ich wenig anfangen.


    P.S.: Normalerweise trenne ich Werk und Autor, dies ist hier mMn nicht möglich, da sich alles um den Autor dreht. Einiges war mir ehrlich gesagt auch zu privat, - too much information, wie man (d)englisch zu sagen pflegt.

    Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Karthago zerstört werden muss.


    Memento Mori / Amore Fati

  • Bin ich froh, dass ich nicht bis Seite 146 gekommen bin, sondern vorher abgebrochen habe :shock:. Denn was ich gar nicht gut kann, ist fremdschämen.


    Das Buch lieh mir ein Kollege vor einem Jahr aus, dem ich wiederum vorher „Der Goldene Handschuh“ ausgeliehen hatte. Und auf dessen Erfolgswelle versucht Daniel Schmidt mitzureiten. Peinlich.

  • Das Buch lieh mir ein Kollege vor einem Jahr aus, dem ich wiederum vorher „Der Goldene Handschuh“ ausgeliehen hatte. Und auf dessen Erfolgswelle versucht Daniel Schmidt mitzureiten. Peinlich.

    Habe das ja nur angedeutet, aber: Jupp. Genau das tut er.

    Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Karthago zerstört werden muss.


    Memento Mori / Amore Fati