Alfred B. Guthrie, Junior - Der weite Himmel / The Big Sky

  • Kurzmeinung

    Jean van der Vlugt
    Mehr Charakterstudie e. maulfaulen, selbstherrlichen Freigeistes als Westernabenteuer, aber klischeearm & eindringlich!
  • Der Autor (Quelle: Wikipedia): Alfred Bertram Guthrie, Junior (* 13. Januar 1901 in Bedford, Indiana; † 26. April 1991 in Choteau, Montana) war ein US-amerikanischer Journalist und Schriftsteller, der 1950 für seinen Roman „The Way West“ den Pulitzer-Preis für Romane erhielt.


    Klappentext (Quelle: Heyne): Pulitzer-Preisträger Alfred B. Guthrie schrieb diesen berühmten Western, der auch als Film ein dauerhafter Welterfolg wurde. Schauplatz ist Kentucky in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Boone Caudill weicht vor der Herrschsucht seines Vaters und verlässt als Siebzehnjähriger sein Elternhaus. Zusammen mit seinen Freunden Dick Summers und Jim Deakins durchstreift er den „jungen“ Westen Amerikas, lebt 13 Jahre unter Indianern und begegnet dort der Schwarzfuß-Schönheit Teal Eye.


    Englische, deutsche, dänische, italienische und französische Ausgaben:

    • Die amerikanische Originalausgabe erschein 1947 als „The Big Sky“ bei der Houghton Mifflin Company in Boston, wiederaufgelegt u.a. 1965 ebenda als Nr. 44 der Reihe „Sentry Edition“ mit einem Vorwort von Wallace Earle Stegner (386 Seiten) und 2002 im Verlag Mariner Books in Boston.
    • Die deutsche Übersetzung stammt von Teja Schwaner. Sie erschien zuerst 1974 als „Der weite Himmel“ im Rainer Wunderlich Verlag Hermann Leins in Tübingen (406 Seiten). 1976 (und in zweiter Auflage 1978) erschien sie als ungekürtze Taschenbuchausgabe als Heyne-Buch Nr. 5259 im Wilhelm Heyne Verlag (412 Seiten), einschließlich einer Landkarte und einem Großwart des Autors an seine deutschen Leser. Außerdem gab es zwei Lizenzausgaben: 1979 für den Deutschen Bücherbund in Stuttgart, Hamburg, und München sowie 1981 für die Büchergilde Gutenberg in Frankfurt am Main, Wien und Zürich.
    • Die dänische Übersetzung stammt von Grethe Juel Jørgensen. Sie erschien 1948 als „Højt til himlen“ bei Gyldendal in Kopenhagen (372 Seiten)
    • Die italienische Übersetzung stammt von G. Glauco Cambon. Sie erschien 1955 in zweiter Auflage unter dem Titel „Il Grande cielo“ als Band 264 der Reihe „Medusa“ bei Mondadori in Mailand (470 Seiten), wiederaufgelegt u.a. 1978 bei Rizzoli (540 Seiten) und 2014 bei Mattioli 1885 (449 Seiten).
    • Die französische Übersetzung stammt von Jean Esch. Sie erschien 2014 als „La captive aux yeux clairs“ bei Actes Sud in Arles (486 Seiten), wo sie mit einem Vorwort von James Lee Burke und einem Nachwort von Bertrand Tavernier vorliegt.

    Verfilmung:
    Der Roman wurde 1952 von Howard Hawks unter dem Titel „The Big Sky“ (dt. Trapper am Missouri, AKA Das Geheimnis der Indianerin, AKA Die Flußpiraten vom Missouri, AKA The Big Sky – Der weite Himmel) mit Kirk Douglas (als Jim Deakins), Dewey Martin (als Boone Caudill) und Elizabeth Threatt (als Teal Eye) verfilmt. Auch wenn der Kern der Geschichte unberührt scheint, weicht der Film in wesentlichen Teilen vom Roman ab.


    Der Roman ist in fünf Teile geteilt:

    • Erster Teil: 1830 (60 Seiten) - Boone Caudill verlässt sein Elternhaus, trifft, Jim Deakins, wird beraubt, irrtümlicherweise ins Gefängnis geworfen und kann mit Jims Hilfe fliehen
    • Zweiter Teil: 1830 (104 Seiten) - Boone, Jim und der etwas ältere Dick Summers sind zusammen mit einer mehrheitlich französischen Mannschaft auf dem Kielboot "Mandan" unterwegs gen Westen. Ein eigener Handelsposten im Indianerland ist der Wunsch. Am Missouri in der Nähe des Teton und des Marias River kommt es zu einem Massaker.
    • Dritter Teil: 1837 (92 Seiten) - Boone, Jim und Dick Summers schlagen sich als Trapper und Jäger vor allem auf Biber durch. Sie wollen zu einem Rendezvous, einem der jährlichen Treffen von Trappern und Pelzhändlern. Unterwegs treffen sie den Schwarzfuß "Armer Teufel".
    • Vierter Teil: 1842-1843 (91 Seiten) - Dick Summers ist woanders sesshaft geworden. Boone lebt mit Teal Eye und Jim bei den Schwarzfußindianer. Boone und Jim sollen dem Entrepreneur Peabody einen Weg über die Berge nach Oregon zeigen, der seinen Anteil an der Besiedlung des Landes durch weiße Siedler einfahren möchte, doch sie werden überfallen.
    • Fünfter Teil: 1843 (44 Seiten) - In Boone erwacht die Eifersucht, dass Teal Eye ihn mit Jim betrügen könnte. Die Indianer tratschen bereits wegen der roten Haare von Boones blind geborenem Sohn. Später besucht Boone seine inzwischen verwitwete Mutter in Kentucky. Die Begegnungen in den Städten und mit Siedlern auf dem Weg nach Westen kann Boone kaum ertragen. Beim Besuch von Dick Summers Farm erscheint Boone völlig zerstört und ziellos.


    Meine Einschätzung:
    Mehr Charakterstudie eines maulfaulen, selbstherrlichen Freigeistes als ein Wildwestabenteuer vom Schlage „Lonesome Dove“, aber klischeearm und eindringlich! Der Roman macht gleich zu Beginn sehr harsch klar, dass in diesem Roman keine Heile Welt austapeziert werden wird. Der Tonfall ist ruppig und hart. Aber der große Atem einer Abenteuergeschichte mit Bewährungsproben, Suspense und Cliffhangern wird selten ausgespielt oder sogar brüsk unterbrochen, um etwas später mit den Figuren unter leicht veränderten Vorzeichen neu anzusetzen. Es werden eher Szenen und Milieus beschrieben als dass eine launige Geschichte in Schwung gebracht würde.
    Die fünf Teile des Romans zeigen fünf Etappen einer Charakterbildung: Wie aus dem jungen Mann, der vor der Herrschsucht, den Prügeln und der engen Weltsicht seines Vaters in die Weite des unerschlossenen Kontinents flieht, um weit hinter St. Louis in Montana als Trapper zu leben, ein versierter, aber auch selbstgerechter, humorloser „Mann der Berge“ wird. Mit der Arroganz des Pioniers blickt er auf jene, die seinen Schritten gen Westen folgen: In seinen Augen Weichlinge und Dummköpfe (und eine Bedrohung der Unberührtheit seiner eigenen kleinen Welt). Doch man wird das Gefühl nicht los, dass hier einer von den Zeitläuften überrollt wird: Der Freigeist Boone Caudill, der sich einen Lebensraum erschlossen hat, außerhalb dessen er gar nicht mehr existieren kann, der zwar ein Leben in Freiheit führt, das aber auch auf sehr engem, von ihm selbst genau definiertem Platz, was ihn im Grunde sehr unfrei und von den Umständen abhängig erscheinen lässt. Ein noch gar nicht alter Mann, der aber dennoch „wie ein Brabbelopa“ nur noch mit Unverständnis auf die Sehnsüchte der Mitmenschen blickt. Ein Staatenloser, der in seinem Freiheitsdrang sogar die wenigen Wurzeln vernichtet, die er geschlagen hat, und diejenigen zerstört, die ihn lieben.
    Allerdings bin ich mir nicht sicher, inwieweit Guthrie die in meinen Augen zumindest sehr ambivalente Zeichnung von Boone Caudill beabsichtigt hat oder ob ich mehr Negatives (von meiner Sichtweise des Jahres 2021) in eine Figur hineinlese, die 1947 eigentlich als „wunderbar unangepasst“ und amerikanischer Dickkopf intendiert war. :-k Ich sehe hier das Werden eines strengen, engstirnigen Charakters aus den Trümmern eines strengen und engstirnigen Elternhauses über den langen Weg des Sich-Freistrampelns. Jemand, der die Freiheit sucht, alles anders machen will als sein Vater, sich dann aber doch wieder nur für besser als der Rest hält. :roll:
    Manche Auslassungen über die Art, wie man mit Frauen umzuspringen habe, und was sich für einen echten Mann geziemt, sind aus heutiger Sicht schlichtweg verwerflich. Und trotz aller Aufgeschlossenheit gegenüber den First Americans schleichen sich einige chauvinistische Rassismen in die Beschreibungen ein. Allerdings lassen sich die sexistischen und rassistischen Ansichten fast immer als Aussagen der von ihrer Zeit geformten Figuren lesen, die nicht unbedingt ein Rollenvorbild propagieren, welches der Autor in der Gegenwart des 20. Jahrhunderts verwirklicht sehen will.
    Boone Caudill ist ein sehr sperriger, vielleicht sogar verachtenswerter Charakter, aber er ist auch eine ausgesprochen tragische Figur. An ihm entwickelt Guthrie das Psychogramm einer Nation, das bereits im frühen Aufblühen sein Vergehen eingeschrieben hat. Der Pioniergeist, das Freiheitsgefühl, der Selbstwert kommt bereits nach wenigen Jahren an seine Grenzen. Der Mythos des Frontier-Westerns, der ein so wichtiger Bestandteil des amerikanischen Selbstverständnisses ist, wird in „Der weite Himmel“ bereits nach kurzem wieder zerstört und als traurige Illusion entlarvt: Höhenflug, Schwanengesang und Grablege in einem, was aus dem Roman einen eindrucksvollen, großartig erzählten, vielschichtigen und in der Charakterzeichnung den Leser schön herausfordenden amerikanischen Klassiker macht. :king:

    White "Die Erkundung von Selborne" (103/397)

    Manner "Das Mädchen auf der Himmelsbrücke" (82/151)


    :king: Jahresbeste: Gray (2024), Brookner (2023), Mizielińsky (2022), Lorenzen (2021), Jansson (2020), Lieberman (2019), Ferris (2018), Cather (2017), Tomine (2016), Raymond (2015)

    :study: Gelesen: 57 (2024), 138 (2023), 157 (2022), 185 (2021), 161 (2020), 127 (2019), 145 (2018), 119 (2017), 180 (2016), 156 (2015)70/365)
    O:-) Letzter Kauf: Kuhl "Helenes Familie" (23.04.)

  • Die amerikanische Originalausgabe erschein 1947 als „The Big Sky“ bei der Houghton Mifflin Company in Boston, wiederaufgelegt u.a. 1965 ebenda als Nr. 44 der Reihe „Sentry Edition“ mit einem Vorwort von Wallace Earle Stegner (386 Seiten) und 2002 im Verlag Mariner Books in Boston.

    White "Die Erkundung von Selborne" (103/397)

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