Klappentext/Verlagstext
Manchester, 1867. Im Morgengrauen hängen die Rebellen. Die englische Polizei wirft ihnen vor, die ›Fenians‹, irische Unabhängigkeitskämpfer, zu unterstützen. Eine gefährliche Machtgeste seines Vorgesetzten, findet Constable James O’Connor, der gerade aus Dublin nach Manchester versetzt wurde. Einst hieß es, er sei der klügste Mann der Stadt gewesen. Das war, bevor er seine Frau verlor, bevor er sich dem Whiskey hingab. Mittlerweile rührt er keinen Tropfen mehr an. Doch jetzt sinnen die ›Fenians‹ nach Rache. Der Kriegsveteran Stephen Doyle, amerikanischer Ire und vom Kämpfen besessen, heftet sich an O’Connors Fersen. Ein Kampf beginnt, der O’Connor tief hineinzieht in einen Strudel aus Verrat, Schuld und Gewalt.
Der Autor
Ian McGuire, geboren 1964, ist ein britischer Schriftsteller und Literaturwissenschaftler. Mit „Nordwasser“ war er 2016 für den Man Booker Prize nominiert. Der Roman wurde von der New York Times zu einem der zehn besten Bücher des Jahres gewählt und wird von der BBC zur Serie verfilmt, mit Colin Farrell in der Hauptrolle.
Inhalt
1867 scheitert in Manchester ein Aufstand der irischstämmigen Fenier (aus denen später die IRA entstehen sollte) gegen die englische Herrschaft. Die Hinrichtung der "Märtyrer von Manchester" wird als öffentliches Spektakel inszeniert und schafft der Widerstandsbewegung neue Märtyrer. In dieser aufgeheizten Situation wird der Polizist James O’Connor aus Dublin nach Manchester versetzt, um Informationen über die Stimmung im Volk zu sammeln. Dass die Volksseele nach der Hinrichtung kocht, war vorauszusehen. O’Connors Informanten jedoch leben gefährlich, wenn sie für wenige Penny riskieren, als Verräter an „der guten Sache“ von den Fenians exekutiert zu werden. Als im Hafen von Liverpool der ehemals aus Irland in die USA eingewanderte Veteran des Amerikanischen Bürgerkrieges Stephen Doyle eintrifft, bewegen sich mit O’Connor und Doyle zwei einsame Wölfe in einem erbitterten Kampf aufeinander zu. Doyle war als verwaistes Kind von einem Verwandten aufgenommen worden, der ihn gegen Essen und Unterkunft allein einen Wald roden ließ. Dass Doyle später in der Nordstaaten-Armee diente, verraten in der Gegenwart die Narben seiner Kriegsverletzungen. Der Veteran plant im Auftrag des amerikanischen Flügels der Fenier in Manchester einen großen Coup, um den Konflikt mit den Briten weiter anzuheizen.
O’Connor war nach dem Tod seiner Frau zum Alkoholiker geworden und hat gerade erst dem Trinken abgeschworen. Mit seiner irischen Herkunft bietet er den Sticheleien der Kollegen in Manchester breite Angriffsfläche; denn ein Ire kann doch nur mit den Fenians sympathisieren. Als es O’Connor gelingt, seinen Spitzel direkt in die Führungsebene der Fenier zu platzieren, fordert er damit in einem gefährlichen Spiel seinen Gegner Doyle heraus. O’Connors Mann kann zwar alle seine Großtanten und -onkel nennen, um den Feniern seine Identität zu beweisen, doch seine Zielpersonen können das auch - und werden in seiner Legende jede falsche Masche entdecken. Die Frage, wie Doyle und O'Connor es mit der Gewalt halten, muss jedoch erst aus einem neuen Blickwinkel betrachtet werden, ehe die Geschichte des Kampfs zwischen dem Veteranen und dem irisch-stämmigen Polizisten zu ihrem überraschenden Ende kommt.
Ian McGuire schickt zwei Einzelgänger in einen gnadenlosen Kampf, die beide als Kinder in Armut und Gewalt aufgewachsen sind. Vor dem historischen Hintergrund des Aufstandes von 1867 und der Todesurteile gegen drei Männer schildert McGuire die trostlosen Lebensbedingungen im Irland des 19. Jahrhunderts in eindringlichen Bildern. Für jede Seite des Kampfes zwischen Fenians und der Polizei der verhassten Briten zeichnet McGuire stellvertretend eine Figur mit guten und bösen, weichen und harten Zügen. Auf welcher Seite des Konflikts sie stehen, scheint außerhalb ihres Einflusses zu liegen. Beide Männer können nicht anders handeln, beide könnte man als Opfer von Armut und Gewalt sehen. Ihre Schicksale konfrontieren einen als Leser mit der Grundstruktur von ethnischen Konflikten und Bürgerkriegen. Wenn beide Seiten materielle Interessen am Fortdauern eines Konflikts haben, wenn ein Bürgerkrieg einzige Einnahmequelle der Beteiligten zu sein scheint, kann und will sich irgendwann niemand mehr ein Ende ausmalen.