Klappentext/Verlagstext
Tommy, Andy und Steve leben in gut situierten Verhältnissen. Sie sind verheiratet, haben Kinder, sind beliebte Mitglieder im Golfclub und trinken hier und da ein Bierchen miteinander: Wer würde sie nicht für fürsorgliche Familienväter halten? Niemand ahnt etwas von ihrem lukrativen Nebengeschäft; einem Geschäft, das einst von Männern betrieben wurde, die, ebenso wie sie, als anständig galten. Alles könnte so reibungslos weiterlaufen wie bisher, denn ihre Ware ist begehrt. Doch als eine Frau aus ihrem Bekanntenkreis tot aufgefunden wird, stößt nicht nur die Polizei auf sie, sondern auch der Privatdetektiv Jackson Brodie. Sein jüngster, völlig harmloser Auftrag führt ihn direkt zu den drei Ehrenmännern – und bald ist Brodie mittendrin in einem Fall um verschwundene junge Frauen und eine Zeugin, die sich nichts sehnlicher wünscht, als ihre schreckliche Vergangenheit endlich hinter sich lassen zu können … Mit einer rasanten Erzählweise, beeindruckenden Figuren und beißendem Humor legt Kate Atkinson in ihrem Roman die Bigotterie und die seelische Grausamkeit unserer Gesellschaft offen.
Die Autorin
Kate Atkinson wurde bereits für ihren ersten Roman ›Familienalbum‹ mit dem renommierten Costa Book of the Year Award ausgezeichnet. Mittlerweile stehen ihre Bücher regelmäßig auf den internationalen Bestsellerlisten. Für ›Das vergessene Kind‹, den vierten Band in der Reihe um den Privatermittler Jackson Brodie, erhielt sie den Deutschen Krimipreis 2012 und für ihren Roman ›Die Unvollendete‹ den Costa Novel Award 2013. Kate Atkinson lebt in Edinburgh und gilt als eine der wichtigsten britischen A Autorinnen der Gegenwart.
Die Serie
01. Die vierte Schwester (2005, 2021)
02. Liebesdienste (2007)
03. Lebenslügen (2008)
04. Das vergessene Kind (2011)
05. Weiter Himmel (2021)
Inhalt
Tommy, Andy und Steve spielen regelmäßig miteinander Golf im Club Belvedere und geben nach außen das Bild seriöser Familienväter ab. In einem parallelen Handlungsfaden suchen zwei Schwestern aus Polen über eine Vermittlungsagentur Arbeit in England. An anderem Ort gibt der ehemalige Polizist Jackson Brodie Spaziergängern eine sonderbare Antwort. Brodie grübelt, ob die Tragödien seines eigenen schweren Lebens sich auf seinen pubertierenden Sohn Nathan vererbt haben könnten. Seine Vater-Rolle bei Nathan musste Jackson (als Vater einer erwachsenen Tochter) sich gegen den Widerstand von Nathans Mutter Julia erst erkämpfen, weil sie offenbar für ihn keinen Platz in Nathans Leben vorgesehen hatte. Brodies Sohn darf seine Ferien gemeinsam mit seinem Vater verbringen, der seine frisch gegründete Detektei in ein Cottage in Yorkshire ausgelagert hat - Recherche aus dem Home-Office. Da Julia gerade beruflich stark eingespannt ist, scheint die Regelung logisch.
An der Küste Yorkshires gehen Atkinsons Figuren hinter bürgerlicher Fassade verdächtigen Geschäften nach. Die Familie Carmody kontrollierte einmal die gesamte Küste Yorkshires, Andy Bragg betreibt mit seiner Frau das Hotel Sea Shell und Tommys Sohn Harry lässt seinem Vater graue Haare wachsen, weil er im „Transsylvania World“ der Carmodys arbeitet, anstatt endlich in Tommys Transportunternehmen einzusteigen. Auch die Kriminalpolizistinnen Ronnie und Reggie haben ein Häuschen gemietet, um als Zwei-Personen-Sondereinheit dem Carmody-Bassani-Clan und deren Geschäften in den 70ern nachzuspüren. Bassani lebt längst nicht mehr und Carmody soll überraschend aus der Haft entlassen werden. Die Nachricht von Carmodys Haftentlassung lässt nicht nur bei Tommy und seinen „Freunden“ den Blutdruck steigen. Das Ermittlerinnen-Duo wirkt wie ein urlaubendes Frauenpaar, das offenbar höchst zufrieden damit ist, von anderen unterschätzt zu werden. Alle Fäden laufen ausgerechnet dort zusammen, von wo Brodie seine Aushilfskraft die Schuhsohlenarbeit erledigen lassen wollte, um ungestört eigene Ziele zu verfolgen.
Dass zwischen diversen Grüppchen, einer vermissten Schülerin, einem Leichenfund und einer alten Geschichte um mafiöse Strukturen ein Zusammenhang bestehen muss, ahnt man beim Lesen schnell. Nur, wie werden R&R ihre Theorie beweisen, und welche Rolle wird Jackson Brodie dabei spielen, fragt man sich.
Fazit
Als würde sie an einem Fadenende ziehen und damit ein komplettes Kleidungsstück aufribbeln, zerstört Kate Atkinson das Bild bürgerlicher Wohlanständigkeit in einer lauschigen Feriengegend. „Weiter Himmel“ erweist sich vor der Folie eines ganz und gar nicht anständigen Männerbundes als klug beobachtete, komplexe und hochironische Gesellschaftstudie, zugleich liefert die Autorin beeindruckende Psychogramme der Beteiligten. Atkinson wirft in ihrem durchaus zynischen Szenario u. a. die Frage auf, ob jemand seine Herkunft wie eine Haut ablegen kann. Mein Gerechtigkeitsbedürfnis, dass die Bösen geschnappt werden oder zumindest leiden müssen, hat Atkinson in ihrem fünften Band um Jackson Brodie erfolgreich getriggert. Am Ende musste ich mich sogar beim Grinsen darüber ertappen, wie im guten Glauben begangene illegale Aktivitäten die Welt wenigstens im Roman von einigen der fiesesten Typen befreien konnten.