Emmanuel Carrère – Yoga

  • Original : Französisch, 2020


    Schilderung, Betrachtungen zum Yoga und einer Retraite ; die Attacke auf Charlie Hebdo (2015) ; ein Aufenthalt in der Psychiatrie aufgrund der extremen Depression bei Bipolarität ; ein Engagement bei Flüchtlingen auf einer griechischen Insel …


    Scheinbar gegensätzliche Erfahrungen, die der Autor in einen Zusammenhang stellt. Sucht er eine Form der Einheit, der Zusammenschau ?


    BEMERKUNGEN :

    Ja, der Emmanuel Carrère macht halt aus seinem Leben immer wieder Elemente zum Inhalt des Geschilderten. Ob es nun dabei immer « politisch korrekt » zugeht sei dahingestellt, aber der Autor scheint aufrichtig zu sein, selbst wenn er flunkert. Er stellt sich nicht immer im besten Licht hin, ja, hat manchmal fast eine Neigung zu einer Art Seelenstriptease. Aber so fern die hier angeführten Elemente (siehe oben) auch zu sein scheinen, ist es nicht unser aller Wunsch, aus dem Mischmasch unseres Lebens eine Art Einheit zu bilden ? Sie nicht nur als voneinander unabhängige Einzelstücke zu betrachten ?


    Der weitaus längste Teil – und wohl auch zunächst der Grundstock seines einst angestrebten nächsten Buches – sind die Überlegungen zum Yoga. Dies schließt nicht nur ein Aufenthalt in einem Yogazentrum im Morvan/Frankreich ein, sondern eine eben dreißigjährige Praxis. Was über eine pure technische Beschreibung hinausgeht findet bei mir fast den meisten Zuspruch : Das Hinhorchen auf die inneren Nebengeräusche beim Meditieren, das Abgelenktsein etc. Hier trifft Carrère manchmal einen Ton, der jedem Möchtegern-Guru in gewissem Sinne durch seine Einfachheit, seiner Offenheit und den zugegebenen Schwierigkeiten mal den Marsch bläst.


    Aus der extremen Abgeschiedenheit wird der Autor durch den Terroranschlag auf Charlie Hebdo herausgerissen : Bekannte waren betroffen… Und die Frage des Nebeneinanders von Abgeschiedenheit, Stille hier, und Welt, Tun und Aktion da stellt sich. Gute Gedanken dazu…


    Betroffen machen die realistischen Erfahrungen in der Psychiatrie, wo er im selben Frühjahr eingeliefert wird, depressiv und voller Selbstmordgedanken.


    Fast übergangslos (ein Manko des Buches in seinen verschiedenen Teilen?!) befindet er sich dann auf einer griechischen Insel, engagiert sich mehrere Monate an der Seite von Flüchtlingen. Einige Geschichten sind herzzereißend.


    Der Autor schreibt flüssig und kann sichtbar über « alles » schreiben. Irgendwie scheint alles interessant. Aber ein wenig Strffung hätte wohl doch gut getan...


    Carrère macht immer wieder deutlich, wie sein Ich bearbeitet wird von den unterschiedlichsten Einflüssen, hin und her geworfen zwischen extremen Zweifeln und Narzismus. Es ist gut verständlich, wenn einige hier nur Nabelschau sehen sollten. Jedoch eine überaus ehrliche, m.E. Seine Anfragen an sich selbst und « die Welt » könnten uns uns wiedererkennen lassen.


    ZUM AUTOR:

    Emmanuel Carrère, geboren am 9. Dezember 1957, ist ein französischer Schriftsteller, Drehbuchautor und Regisseur. Er studierte am Institut d'études politiques in Paris. Er war zunächst Filmkritiker und begann dann 1982 mit einem ersten Buch über Werner Herzog. 1983 erschien sein erster Roman. Oft kann man seine Bücher als „Autofiktion » bezeichnen.


    Carrère hat seit den frühen 1980er Jahren rund ein Dutzend Bücher geschrieben, die zum Teil preisgekrönt wurden. Ferner war er Drehbuchautor und Produzent einer Reihe von Filmen für Kino und Fernsehen. 2010 war er Jurymitglied bei der Auswahl der Spielfilme bei den 63. Filmfestspielen von Cannes, 2015 Jurymitglied bei den 72. Internationalen Filmfestspiele von Venedig.



    Das Buch wird sicherlich (?) bald übersetzt werden, wie eben im Allgemeinen die Bücher des Autors…


    Éditeur : P.O.L (27 août 2020)

    Langue : Français

    Broché : 400 pages

    ISBN-10 : 281805138X

    ISBN-13 : 978-2818051382

    Poids de l'article : 390 g

    Dimensions : 14 x 2.7 x 20.5 cm

  • Klingt interessant! Danke für die Rezi.


    Sieht das Cover wirklich so aus wie oben abgebildet...? 8-[

    :study: Jutta Aurahs - Katzen :cat:

    :study: Han Kang - Griechischstunden

    :musik: Asako Yuzuki - Butter (Re-???)

    :musik: Satoshi Yagisawa - Die Tage in der Buchhandlung Morisaki

    :montag: Deb Olin Unferth - Happy Green Family (Reread)

    :montag: Rumi - Die Musik, die wir sind





  • Hat mich tatsächlich in weiten Teilen sehr angesprochen!

    Klingt interessant! Danke für die Rezi.


    Sieht das Cover wirklich so aus wie oben abgebildet...? 8-[

    Ja, das Cover sieht so aus. Der Verlag P.O.L. wurde 1983 von Paul Otchakovsky-Laurens gegründet und hat fast durchgehend diese Covergestaltung. Vom Verleger ist übrigens auch die Rede... Carrère verlegte sozusagen alle seine Bücher bei ihm. Das blaue Namensschild ist ein Papierstreifen, den man der Reklame wegen oft hinzugibt.

  • Das blaue Namensschild ist ein Papierstreifen, den man der Reklame wegen oft hinzugibt.

    Dann ergibt der doppelte Autorenname auf dem Cover mehr Sinn! :lol:

    :study: Jutta Aurahs - Katzen :cat:

    :study: Han Kang - Griechischstunden

    :musik: Asako Yuzuki - Butter (Re-???)

    :musik: Satoshi Yagisawa - Die Tage in der Buchhandlung Morisaki

    :montag: Deb Olin Unferth - Happy Green Family (Reread)

    :montag: Rumi - Die Musik, die wir sind





  • Ja!

    Die Franzosen sind wohl Champions darin, den gerade erschienen Büchern noch eine Form von Schutzumschlag zu geben, oder hier halt einen Streifen. Das gilt auch für andere Verlagshäuser!

  • Ich habe heute morgen angefangen zu lesen und tja, der erste Satz, setzt schonmal ein Statement:

    Zitat

    Da ich ja irgendwo anfangen muss mit diesem Bericht über die vier Jahre, in denen ich versucht habe, ein heiteres, feinsinniges Büchlein über Yoga zu schreiben, mit so wenig Heiterem und Feinsinnigem konfrontiert war wie dem Dschihad-Terrorismus und der Flüchtlingskrise, in eine so tiefe Depression verfiel, dass ich vier Monate lang in der Psychiatrie Sainte-Anne stationiert war, und schließlich meinen Verleger verlor, der zum ersten Mal seit fünfunddreißig Jahren das Buch, das ich geschrieben habe, nicht lesen wird, da ich also irgendwo anfangen muss, entscheide ich mich für diesen Morgen im Januar 2015, an dem ich mich beim Zumachen meiner Tasche fragte, ob ich vielleicht doch mein Telefon mitnehmen sollte, das ich allerdings dort, wo ich hinfuhr, sowieso würde abgeben müssen, oder ob ich es zu Hause lassen sollte

    PUH, alles in allem erinnert mich das Buch etwas an

  • Sieht das Cover wirklich so aus wie oben abgebildet...? 8-[

    Das deutsche HC-cover sieht ander aus

    Kann es sein, dass da vor einem Jahr, als ich meinen Beitrag geschrieben habe, noch ein anderes Cover angezeigt wurde, also dass die Version unter tom leos Beitrag auch die ganz oben angezeigte war? :-k

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  • Das deutsche HC-cover sieht ander aus

    Kann es sein, dass da vor einem Jahr, als ich meinen Beitrag geschrieben habe, noch ein völlig anderes Cover angezeigt wurde? :-k

    Es ist eben vermutlich das vom französischen Original. Die deutsche ÜBersetzung ist ja jetzt erst erschienen. Habe gerade geschaut, mein Buch hat garkein Impressum :shock:

  • Dann bezog sich mein Entsetzen hinsichtlich des Covers also nicht auf die deutsche Version. Musste das jetzt erst nochmal nachvollziehen...

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  • Dann bezog sich mein Entsetzen hinsichtlich des Covers also nicht auf die deutsche Version. Musste das jetzt erst nochmal nachvollziehen...

    Ja, ich hatte damals bei Erscheinen die französische Fassung gelesen und verlinkt, da es noch keine deutsche gab. Später wurde das korrigiert. Dies führt dann jedoch zu kleinen "Fehlern" in der Logik der Beiträge. Nun, nichts zu machen.