Helen E. Waite - Öffne mir das Tor zur Welt / Valiant Companions

  • Kurzmeinung

    terry
    Die Geschichte der Helen Keller als Taubblinde ist sehr interessant, aber Schreibstil etc. teilweise Luft nach oben
  • Kurzmeinung

    Affric
    Zunächst gut recherchiert, wenn auch der Stil zu wünschen übrig lässt. Gegen Ende leider Jahrzehnte zusammengefasst.
  • Kurzmeinung

    Squirrel
    Stilistisch durchwachsen, aber man erfährt sehr viel besonders über die junge Helen Keller. Ausbaufähig
  • Über die Autorin:
    Helen E. Waite studierte Bibliothekswissenschaften und Jugendliteratur und arbeite viele Jahre als Bibliothekarin in er Abteilung Jugendbücher der Oradell Public Library.


    Buchinhalt:
    Helen Keller (1880 – 1968, Tochter einer recht gut gestellten Familie aus Alabama) erkrankte mit 18 Monaten schwer und in der Folge war sie sowohl taub als blind. Ihre Lehrerin Anne Sullivan Macy (1866 – 1936, aufgewachsen in Boston in sehr armen Verhältnissen, später im Armenhaus nachdem der Vater die Kinder verließ) war fast blind, aber aufgrund mehrerer Operationen hatte sie einen gewissen Grad an Sehfähigkeit. Sie wurde mit 14 in das Perkins Institut aufgenommen, wo sie eine schulische Ausbildung bekam und u.a. auch Laura Bridgman kennen lernte.
    Nach dem Abschluss im Institut kam Anne Sullivan zur Familie Keller um zu versuchen, die kleine Helen zu erziehen. Aufgrund ihrer ungewöhnlichen, meist intuitiven Methoden bekam sie tatsächlich schnell Zugang zu dem Kind und schaffte es, ihr „das Tor zur Welt zu öffnen“. In der Folge wurde aus Helen Keller und Anne Sullivan ein fest miteinander verschweißtes Paar, das eine Art von lebenslanger Verbindung einging, die weit über Lehrer und Schüler hinausging. Annes dauerhafter Einsatz und die Intelligenz und Zielstrebigkeit Helens, gepaart mit vielen wohlwollenden und einflussreichen Freunden, sorgten für eine frühe Bekanntheit Helens als „Wunderkind“. Doch muss Helen Keller bereits als Kind eine Ausstrahlung besessen haben, die sehr schnell aus der Neugier auf das Wunderkind Freundschaften entstehen ließ, u.a. mit Alexander Graham Bell und Mark Twain.
    Helen Keller schaffte mit Hilfe Annes, was niemand außer ihr und Anne für möglich hielt: sie absolvierte das College sowie die Universität und wurde bekannt als Autorin, Essayistin und Rednerin, aber vor allem dadurch, dass sie sich weltweit für Blinde und ihre Belange einsetzte. Dies tat sie bis kurz vor ihrem Tod. Am Ende ihres Lebens setzte sie ihrer Lehrerin und Freundin Anne ein Denkmal mit dem Buch „Teacher“.


    Das Buch umfasst 255 Seiten. Enthalten sind auch etliche Fotos und einige Briefe Helens.


    Meine Meinung:
    Biografien zu rezensieren ist manchmal schwierig, denn es gilt ja, das Buch und nicht das beschriebene Leben zu rezensieren. Helen Waite war offensichtlich eine glühende Verehrerin von Helen Keller und ganz besonders von dem Wunderkind Helen. Die Biografie konzentriert sich vor allem auf die jungen Jahre Helens bis kurz nach dem Universitätsabschluss. Sehr positiv finde ich, dass die Autorin die Biografie mit der Geschichte Anne Sullivans beginnt, denn eins ist klar: ohne Anne hätte es Helen Keller, wie wir sie kennen, nicht gegeben. Diese junge Frau begann ihre Arbeit mit Helen mit einem dauerhaften Tag-und-Nacht-Einsatz, den sie ihr komplettes Leben lang durchzog. Es gab keine Helen ohne Anne und auch keine Anne ohne Helen. Das extrem enge Verhältnis der beiden Frauen ist auf dem Titelfoto gut erkennbar: man hat den Eindruck, die beiden würden ineinander versinken und die Außenwelt dabei vergessen. Diesen Eindruck bekommt man auf vielen Fotos, die sich in dem Buch finden.
    Die Leistung beider Frauen und Helens aufgeweckte Intelligenz werden detailliert beschrieben. So lernte Helen u.a. mehrere Schriften sowie Fremdsprachen, sie lernte sprechen sowie Lippenlesen mit der Hand, sie schloss die Universität mit cum laude ab und arbeitete schriftstellerisch. Bei allen Beschreibungen dieser Leistungen macht Helen E. Waite auch klar, dass das nur im Verbund der beiden Frauen gelang – Menschen wie Helen brauchten selbstlose Menschen wie Anne, um ihren Weg gehen zu können.

    Leider aber rast die Autorin dann durch die restlichen fünf Jahrzehnte von Helens Leben. Es ist klar erkennbar, dass ihr Interesse auf dem Wunderkind liegt, aber nicht auf der erwachenen Frau und deren Lebensleistungen. Die stellt sie schon auch dar, aber sehr kurz und abgerissen und oft nur mit kurzen Sätzen. Wichtige Menschen in Helens Leben werden teils nur angedeutet, wichtige Ereignisse nur kurz angerissen. Helens Gedanken und Gefühle als Erwachsene spielen eine sehr untergeordnete Rolle. Das ist extrem schade; ich hatte mir erhofft, gerade über die erwachsene Frau mehr zu erfahren als über das Wunderkind.


    Stilistisch ist der Text eine mittlere Katastrophe. Die Autorin ergeht sich sehr häufig in glorifizierenden Beschreibungen des 'engelsgleichen Kindes' mit dem 'nachdenklichen Gesichtchen'. Mit dem Holzhammer der Überhöhung wird dem Leser eingetrichtert, welch Wunderkind Helen war, wie besonders und unbeschreiblich dieses Kind der Welt gegenüber trat. Manchmal triefte fast das Buch.

    Eine Stärke der Autorin waren aber dann manche Beschreibungen davon, wie Helen ihre Umwelt wahrnahm. So gibt es eine wunderschöne Szene, in der Helen auf dem Balkon steht, über Vibrationen des Holzgeländers den dort sitzenden Vogel wahrnimmt, die Gerüche des Gartens aufnimmt. Auch die Darstellung, wie Helen Farben z.B. über Gerüche interpretiert, ist sehr schön und glaubhaft gelungen. Von diesen starken Szenen hätte es ruhig mehr geben dürfen.
    Die Recherche der Autorin scheint ausführlich gewesen zu sein. Wenn man bedenkt, dass das Buch vor 60 Jahren geschrieben wurde, hat sie wirklich viele Bezüge herstellen und belegen können. Darüber gibt es nichts zu meckern, denn manche Lücken (wie z.B. die spätere finanzielle Misere von Helens Eltern) sind wohl schlicht der Tatsache geschuldet, dass es vermutlich keine Belege darüber gibt.


    Mein Fazit:
    Vor den Lebensleistungen Helen Kellers und Anne Sullivans kann ich mich nur verneigen. Meine Neugier auf die beiden Frauen ließ mich den Stil des Buches weitestgehend ignorieren. Wer das nicht kann, sollte lieber gleich die Finger von dieser Biografie lassen.


    Hilfreich war auch die Leserunde mit Affric und terry , miteinander konnten wir gut alle Fragezeichen ausdiskutieren und klären. Affric haben wir auch viele interessante Links, so z.B. den zum Perkins-Institut, zu verdanken.

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Joseph Roth - Hiob

    :study: Mike Dash - Tulpenwahn