Klappentext:
In einem Dorf am Rande der Wildnis, weit im Norden Russlands, wo der Wind kalt bläst und der Schnee viele Monate des Jahres fällt, erzählt die alte Dienerin Dunja den Kindern des Grundbesitzers Pjotr Wladimirowitsch Geschichten über Zauberei, Folklore und den Winterkönig mit den frostblauen Augen. Verbotene Geschichten über eine uralte Magie. Doch für die junge, wilde Wasja sind dies weit mehr als Märchen. Sie allein kann die Geister sehen, die ihr Zuhause beschützen. Und sie allein spürt, dass sich in den Wäldern eine dunkle Magie erhebt ...
Weiteres zum Inhalt:
Die extreme Kälte, die fast über die gesamte Dauer des Buches vorherrscht, bringt die Familie von Wasja nah zusammen. Der Vater ist einer der Bojaren, ihm gehört ein beträchtliches Stück Land, er trägt die Verantwortung für dessen Bewohner und natürlich für seine Kinder. Die junge Wasja ist ein ganz besonderer Teenager, sie sieht die Wesen aus den alten Legenden, die das Haus bewachen, die Pferde beeinflussen, oder zu gerne Menschen in den eiskalten See locken. Kümmert man sich um sie, wie Wasja es gerne tut, dann funktioniert im und um das Haus herum alles relativ gut. Sie bringt ihnen ein wenig Essen, Wein oder nimmt sich einfach die Zeit, ihnen zuzuhören.
Gewisse Umstände führen einen Geistlichen aus Moskau in diese ländliche Umgebung, und er wohnt bei eben dieser Familie während er seine Aufgabe am Ort erfüllt. Mit beträchtlichem Charisma und sehr gutem Aussehen ausgestattet, fällt es ihm leicht, auch im Dorf sofort die Menschen in seinen Bann zu schlagen. In Moskau ist er schon ein Star, allerdings ist er dort einem mächtigen Würdenträger im Weg.
Dieser starke neue religiöse Einfluss verbietet es den Dörflern, weiterhin ihre kleinen Gaben für die Hausgeister aus den alten Sagen zu hinterlassen. Es sieht sie niemand, außer Wasja und ihrer neuen Stiefmutter, die im Gegensatz zu Wasja regelmäßig in Panik ausbricht, wenn sie wieder einen dieser "Dämonen" zu Gesicht bekommt und die ihre angeheiratete Tochter einfach nicht ausstehen kann.
Nicht nur im Dorf und innerhalb der Familie spannt sich die Lage an. Tief im Wald offenbart sich Wasja ein Konflikt zwischen zwei Brüdern, uralte Wesenheiten, die sie aus den Geschichten ihrer alten Amme kennt und mit denen sie unfreiwillig Bekanntschaft macht. Bald sieht sie sich gezwungen, radikale Schritte zu unternehmen, um ihr Dorf vor dem Untergang zu retten.
Meine Meinung:
Als märchenhafte Fantasygeschichte könnte man diesen Roman bezeichnen. Das klingt nach Jugendbuch, ist es aber meiner Meinung nach nicht. Es entspinnt sich ein düsteres, packendes Märchen mit einer jungen Heldin, die ich sofort mochte. Sie hat viele Ecken und Kanten, bricht aus den vorgegebenen Bahnen für Frauen aus und ist einfach unbezähmbar. Und doch supersympathisch.
Das russische Thema ist allgegenwärtig, die Beschreibungen der Landschaft, die Sagengestalten, politischen Hintergründe und überhaupt die ganz starke Atmosphäre, die mich total mitgerissen hat.
Wie es bei Märchen so ist, die Dinge entwickeln sich dramatisch und teilweise sehr unschön. Außerdem schwingen an einigen Stellen erotische Untertöne mit. Das passt sehr gut zur Story und ist toll gemacht, finde ich. Umso interessanter ist das, weil Wasja nicht als schönes Mädchen beschrieben wird. Das Wort "hässlich" fällt mehrmals. Und doch geht von ihrer unangepassten Wildheit eine Faszination aus, der sich mehr als ein männliches Wesen nicht entziehen kann.
Zur Auflockerung gibt es witzige Einwürfe, die sehr gut passen und meinen Humor total treffen. So entsteht ein willkommener Lichtblick zur ansonsten schweren Geschichte.
Ich habe dieses Buch verschlungen, den zweiten Band muss ich haben. Ich hatte Folklore-Kitsch befürchtet, aber fesselnde und dichte Atmosphäre bekommen. Traumhaft schöner Schreibstil. Toll!