Gisela Elsner - Der Nachwuchs

  • Die Autorin: Gisela Irmgard Elsner wurde am 2. Mai 1937 in Nürnberg geboren. In Wien studierte sie Germanistik, Philosophie und Theaterwissenschaft. Als freie Autorin lebte sie an unterschiedlichen Orten wie Rom, London, Paris, Hamburg, New York und München. Sie veröffentlichte acht Romane, Erzählungen, Aufsätze, Hörspiele und ein Opernlibretto. Für ihr Werk erhielt sie etliche internationale Auszeichnungen, darunter den Prix Formentor für ihren ersten Roman „Die Riesenzwerge“. Am 13. Mai 1992 schied sie in der Privatklinik Josephinum in München durch Selbstmord aus dem Leben.


    Klappentext (Q: Rowohlt): In der lebenslänglichen Treibjagd nach dem Selbstverständlichen, wie die gesellschaftlichen Verhältnisse sie erzwingen, sind die Nölls, je nach dem Wechsel der Situationen, Jäger und Gejagte. Es geht um das übliche: um den Erwerb eines Hauses und des Hausrats, nur hat dies in den Augen der Nölls nichts Selbstverständliches an sich. Unter den obwaltenden Umständen können sie nicht anders, als selbst in der nichtigsten Errungeschaft eine Trophäe zu sehen. Um ihrer habhaft zu werden, müssen sie traumatisch anmutende Widerstände überwinden. Jede ihrer Bewegungen und Handlungen ist lastenbeschwert. Als einzig statisches Element steht dagegen der Sohn, der sich nicht allein seinem wuchernden, immer unförmiger werdenden Körper überantwortet sieht, sondern sich auch als für sich selbst nicht zuständig erklärt. Die Versuche der Nölls, den Sohn in ihre Treibjagd einzuspannen, scheitern indes an seiner Renitenz. Sie besteht nicht darin, dass er Verbote übertritt, sondern darin, dass er die widersprüchlichen Anweisungen allzu gefügig befolgt. Er, der sich seinem Körper nicht gewachsen fühlt, der nur durch Anstoß zu bewegen ist und für den ein gewöhnlicher Schritt die Bedeutung eines halsbrecherischen, ja beinahe lebensgefährlichen Kraftakts hat, beobachtet phlegmatisch, aber nicht ohne Schadenfreude den schon zu Beginn des Aufbaus einsetzenden Verfall um sich her. Zwar steht das Ergebnis in keienm Verhältnis zum Aufwand, zwar erweist sich die Suburbia als Falle und der zusammengetragene Besitz als Stein des Sisyphos, doch Nölls mühen sich weiter ab. Und so ist am Ende nicht viel mehr als Nichts aus Nichts gewonnen.

    Gisela Elsner, die mit ihren in 14 Ländern erschienenen „Riesenzwegen“ in das Wespennest bourgeoiser Beschränktheit gestochen hat, setzt hier ihre Gesellschaftskritik in dem ihr eigenen hartnäckig zustoßenden Stil fort.


    Der Roman „Der Nachwuchs“ erschien zuerst im September 1968 im Rowohlt Verlag in Reinbek bei Hamburg. 270 Seiten. 1970 erschien der Roman als Taschenbuch rororo 1227 im Rowohlt Taschenbuch Verlag (183 Seiten) und ein weiteres Mal 1986 ebendort als rororo 5828.
    Eine französische Übersetzung von Lily Jumel erschien 1970 als „La Génération montante“ in der Reihe „Du monde entier“ bei Gallimard in Paris (197 Seiten).
    Eine spanische Übersetzung von Ernest-Edmund Keil und Joan Oleza erschien 1970 als „El retoño“ bei Seix Barral in Barcelona (201 Seiten).


    Ein sehr anstrengender Roman aus der 68er-Zeit über eine Frau aus einer spießbürgerlichen, auf Besitz und Status bedachten Familie, die versucht, ihren antriebslosen, behäbigen, aufgeschwemmten, körperlich immer unförmiger werdenden Sohn, der nicht durch Auflehnung und Straßenkampf, sondern durch Stillstand und Verweigerung rebelliert, im Sinne des bürgerlichen Hamsterrades „auf Spur“ zu bringen. Mit Schadenfreude beobachtet der Sohn, wie um ihn herum das Glashaus der Wohlanständigkeit langsam Risse bekommt. Phlegma als Mittel des Aufruhrs! :loool:
    Zwar sind viele treffende, schön böse Beschreibungen über die Enge des bürgerlichen Alltags vorhanden, aber die ständige Wiederholung von Sprachfloskeln, das ständige dem Spießbürger „Den-Spiegel-Vorhalten“ wirkt etwas bemüht und fast kunstlos. No señor, nur mit dem Finger draufzeigen, reicht mir nicht! [-(
    Das Ende liefert keinen Paukenschlag, keine Erlösung oder Gegenentwurf, sondern ist eine sehr symboldurchtränkte Zuspitzung, wenn der antriebslose, fast bewegungslose Teenager-Sohn, der weder zur Schule gehen will, noch arbeiten, einen geistlosen Handlangerjob als Kopiergehilfe antritt. Ist der Nachwuchs am Ende nur noch die Kopie der Elterngeneration? Oder gewinnt er gegenüber der Enge der Gesellschaft, weil er sich weigert, seinen Geist in Dienst der verhassten Gesellschaft zu stellen? Ein Karriereverweigerer als Weg, sein Einverständnis zu verweigern?! :jocolor:

    Im Grunde gefällt mir der radikale Angriff auf das bürgerliche Milieu. :-k Man kann an vielen Stellen attraktiv über die Handlungen und Beweggründe der Charaktere nachgrübeln. Man kann das Buch aber auch gut und gerne genervt in die Ecke pfeffern. ?( :roll: :wuetend: :P

    White "Die Erkundung von Selborne" (103/397)

    Manner "Das Mädchen auf der Himmelsbrücke" (54/151)


    :king: Jahresbeste: Gray (2024), Brookner (2023), Mizielińsky (2022), Lorenzen (2021), Jansson (2020), Lieberman (2019), Ferris (2018), Cather (2017), Tomine (2016), Raymond (2015)

    :study: Gelesen: 56 (2024), 138 (2023), 157 (2022), 185 (2021), 161 (2020), 127 (2019), 145 (2018), 119 (2017), 180 (2016), 156 (2015)70/365)
    O:-) Letzter Kauf: Kuhl "Helenes Familie" (23.04.)

  • Eine französische Übersetzung von Lily Jumel erschien 1970 als „La Génération montante“ in der Reihe „Du monde entier“ bei Gallimard in Paris (197 Seiten).

    White "Die Erkundung von Selborne" (103/397)

    Manner "Das Mädchen auf der Himmelsbrücke" (54/151)


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  • Eine spanische Übersetzung von Ernest-Edmund Keil und Joan Oleza erschien 1970 als „El retoño“ bei Seix Barral in Barcelona (201 Seiten).

    White "Die Erkundung von Selborne" (103/397)

    Manner "Das Mädchen auf der Himmelsbrücke" (54/151)


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  • Man kann das Buch aber auch gut und gerne genervt in die Ecke pfeffern.

    Man kann es auch als überspitztes Zeitdokument lesen. Antworten auf Zeitfragen gibts in der Regel erst nach Jahren, wenn man aus der Distanz sieht, was möglich gewesen wäre. 1968 war vermutlich noch nicht mehr möglich gewesen als mit dem Finger drauf zu zeigen.


    Ich habe es in den 1970ern gelesen und empfand es auf dem Hintergrund meiner Lektüren, die ich bis dahin kannte, als revolutionär, fortschrittlich und wohltuend radikal.

    Danke fürs Erinnern. :thumleft:


    Hast Du auch andere Bücher der Autorin gelesen?

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Marie Nein, leider noch nicht und habe auch nichts weiter hier von ihr. Ich will demnächst mal in der Werkschau im Verbrecher Verlag schauen, die nicht nicht abgeschlossen ist (und vielleicht auch schon eingeschlafen ist). Ob ich da was finde, vielleicht einfach die Riesenzwerge.


    Ihre Radikalität ist wirklich wohltuend. Und so ein Ansatz muss auch nerven. :wink: Wer einen ersten Schnitt in neues Gewebe macht, kann auch immer schief ins Fleisch schneiden.

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  • Ob ich da was finde

    "Die Riesenzwerge" kenne ich nicht, aber ich besitze vier Bücher der Autorin. Wenn Du eins möchtest, melde Dich. (Ich habe im Regal nachgesehen, dass sie alle hier stehen und keins auf Nimmerwiedersehen verliehen wurde. :wink: )

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Ob ich da was finde

    "Die Riesenzwerge" kenne ich nicht, aber ich besitze vier Bücher der Autorin. Wenn Du eins möchtest, melde Dich. (Ich habe im Regal nachgesehen, dass sie alle hier stehen und keins auf Nimmerwiedersehen verliehen wurde. :wink: )

    Danke für das Angebot! :friends: Ich werde bezeiten darauf zurückkommen, wenn es passt! :winken:

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