Klappentext/Verlagstext
Ein Mann, Friedrich, läuft über einen Friedhof und fragt sich, wie er zu dem geworden ist, der er heute ist: Alles beginnt damit, dass er mit 16 Jahren in die Nachprüfungen muss, um versetzt zu werden. Das heißt, kein Urlaub mit der Familie. Als sei das nicht schon schlimm genug, verdonnert ihn seine Mutter zum Lernen mit dem Großvater. Frieder ist entsetzt: ausgerechnet mit dem Großvater, den er bis vor ein paar Jahren noch siezen musste! Sein einziger Trost ist Nana, seine Großmutter. Und Beate, das Mädchen in dem flaschengrünen Badeanzug, das er an einem der letzten Tage vor den Ferien im Schwimmbad kennengelernt hat. Allen schrecklichen Ahnungen zum Trotz lernt er seinen Großvater in den darauffolgenden Wochen mit neuen Augen zu sehen, erfährt von der Liebesgeschichte der Großeltern und erlebt selbst die erste große Liebe. Ein perfekter Sommer, wäre da nicht sein bester Freund Johann, meist souverän und cool, tatsächlich aber ein komplizierter Mensch. Ewald Arenz’ neuer Roman ist witzig, hellsichtig, berührend, klug, manchmal sehr traurig, aber immer beglückend.
Der Autor
Ewald Arenz, 1965 in Nürnberg geboren, hat englische und amerikanische Literatur und Geschichte studiert. Er arbeitet als Lehrer an einem Gymnasium in Nürnberg. Seine Romane und Theaterstücke sind mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden. Der Autor lebt mit seiner Familie in der Nähe von Fürth.
Inhalt
Friedrich Büchner hatte im Zeugnis eine 6 in Latein und kaum eine Chance am Ende der Sommerferien die Nachprüfung zu schaffen. Er würde das Schuljahr wiederholen oder die Schule verlassen müssen. Überraschend bieten dem Sechzehnjährigen seine Großeltern an, in den Ferien zu ihnen zu ziehen und mit Unterstützung seines Großvaters Latein zu pauken. Seine große, laute Familie samt zahlreichen Geschwistern wird ohne Friedrich in Urlaub fahren.
Der junge Mann erlebt einen auf mehreren Ebenen besonderen Sommer, in dem er sich in Beate verliebt und unerwartete Seiten seiner Großeltern kennenlernt. Jahre später wird Friedrich auf dem Friedhof seiner Heimatstadt die Spur wiederaufnehmen zu der Person, die er im letzten Sommer seiner Kindheit war. Seinen vielseitig gebildeten Großvater Ludwig erlebt Friedrich als selbstbewussten, rhetorisch versierten Naturwissenschaftler unter dessen unerbittlichem Blick der Enkel sich fühlt wie ein Tier, das seinem Fressfeind gegenübersteht. Die jugendlich wirkende Großmutter Nana wird Friedrich malen, wie er sich selbst noch nicht gesehen hat, und ihn mit seiner ungewöhnlichen Familiengeschichte konfrontieren.
Heute erinnert sich Friedrich an Schülerproteste der 80er Jahre und ein als verknöchert erlebtes Schulsystem. Warum Friedrichs Eltern sechs Kinder in die Welt setzten, blieb mir unklar; aus der Perspektive ihres Sohnes verhielten sie sich ihren Kindern gegenüber offenbar sehr distanziert. Allein zu seiner jüngeren Schwester Alma, die in der Schule in die Klasse über Friedrich geht, hat der Junge eine enge Beziehung. Alma, Friedrich, dessen Freund Johann und Beate wachsen zu einem eingeschworenen Gespann zusammen, das für Friedrich immer mit diesem Sommer verbunden bleiben wird.
Zwei Schrifttypen grenzen die Erzählungen eines erwachsenen Icherzählers und seines jüngeren Ichs voneinander ab. Im jüngeren Friedrich lässt sich bereits der nach treffenden Ausdrücken suchende spätere Autor vermuten. Beide Figuren machen es Arenz‘ Lesern leicht, sich in sie einzufühlen. Der Großvater öffnet seinem Lieblingsenkel gezielt ein Fenster zu einer möglichen Zukunft, während sein Enkel erkennt, dass es in jeder Beziehung und jedem Konflikt stets zwei Seiten gibt. Mich hat besonders Ludwigs Eindruck erheitert, aus seiner Sicht würden Schüler zu wenig lernen, um damit durchs Leben zu kommen. Welche Großeltern hätten nicht schon ähnliche Sorgen gewälzt … Friedrichs Schulkrise eröffnet Ludwig nun die passende Gelegenheit, das befürchtete Defizit aufzufüllen und als Mentor seinen Lieblingsenkel zu begleiten.
Fazit
Ewald Arenz‘ in den 60ern geborener Icherzähler steht stellvertretend für die „Kriegsenkel“, deren Eltern noch durch Krieg, Flucht und karge Nachkriegsjahre geprägt waren. In der damals häufigen Sprachlosigkeit zwischen den Generationen konnte leicht der Moment verpasst werden, um die Familiengeschichte weiterzutragen. Ein Erzähler, der melancholisch auf seinen letzten Sommer vor dem Erwachsenwerden zurückblickt, belädt seine Erinnerungen hier etwas zu gewollt mit Atmosphäre, Jugendslang und Konflikten der 80er. Unabhängig davon gelingt Ewald Arenz eine ungewöhnliche Familiengeschichte mit starken Figuren.