Original : Deutsch, 1976 (in der DDR geschrieben, in der BRD veröffentlicht)
INHALT :
Aus Hunderten von Gesprächen, die der Dichter Reiner Kunze mit Schülern, Lehrlingen, Arbeitern und Soldaten der Nationalen Volksarmee führte, und aus Erfahrungen mit seiner eigenen halbwüchsigen Tochter entstanden diese Prosatexte, in denen er mit knappen, lakonischen Worten den Alltag von Jugendlichen in der DDR schildert. Der Titel, ein Zitat aus der "Grasharfe" von Truman Capote, ist bittere Ironie, denn nach allem, was Reiner Kunze erfahren hat, sind die Jahre der Entwicklung für kritische junge Menschen, die sich im sozialistischen Deutschland selbst verwirklichen wollen, gar nicht so wunderbar.
(Quelle : Klappentext)
BEMERKUNGEN :
Es ist gewagt, zu einem Buch zu greifen, dass man als Jugendlicher beeindruckt gelesen hat. Es war wohl auch mit eins der ersten « ernsteren » Bücher, die ich so Ende der 70iger erwarb. Reiner Kunze schrieb in Eindringlichkeit, aber auch großer Knappheit und Kürze, aus dem Leben in der DDR. Es sind wirkliche Miniaturen und abschliessend einige Gedichte, die meist nur eine halbe, eine Seite, ab und zu zwei Seiten, lang sind. Ich würde sie in mehrere Sektionen aufteilen (wenn man denn will) :
- die frühe Erziehung des Kindes zu einem Feindbild und zum Dienst an der Waffe (Militarismus)
- der starke Wunsch der Heranwachsenden nach Originalität, Identität und Spontaneität, meist völlig harmlos, die oft im Keim erstickt werden (Uniformisation, Einheitskultur)
- die Besetzung der Tschechoslowakei 1968 und die Ablehnung innerhalb der tschechoslowakischen Bevölkerung von diesem Vorgehen. Dabei müsste man im Hinterkopf behalten, dass der Ich-Erzähler Übersetzer aus dem Slowakischen und Tschechischen ist und mit einer Frau aus der CSSR verheiratet war. Er besuchte öfter Prag und das Land.
- Als Übersetzer hat Kunze einen unvergleichlichen Einblick in die tschechische und slowakische Lyrik. Bei der Herausgabe einer neuen Riesenanthologie entdeckt er sofort die Lücken. Er zitiert hier in eigenen Übersetzungen Gedichte seiner verbannten Kollegen aus der CSSR. Diese sind teils « kryptisch », wie es Gedichte wohl öfter sind, jedoch besonders in einer Dikatur. Etwas Bedrohtes, Angegriffenes wird dargelegt...
Eigentlich sind all diese Miniaturen der ersten drei Teile sehr sachlich gehalten. Es wird geschildert, nicht empört herumgestikuliert. Doch gerade in dieser Distanz offenbart sich das Absurde, das Krude der Situationen. Vielleicht ist es gut, dass man sich dreißig Jahre nach der Wiedervereinigung (die sicherlich nicht optimal verlief ud Spielraum für mehr gelassen hat) mit diesen unbequemen Aspekten der DDR-Diktatur auseinandersetzt, die zu vergessen einige doch bereit sind.
Die Erstausgabe erschien 1976 in der Bundesrepublik. Kurz darauf wurde Reiner Kunze aus dem Schriftstellerverband der DDR ausgeschlossen. Bei uns lösten "Die wunderbaren Jahre" eine Betroffenheit aus, die diesen stillen Prosaband, in dem "keine einzige Zeile zufällig und so auch keine Zeile überflüssig ist" (Böll), zu einem Bestseller machte. Inzwischen ist das Buch in zehn Sprachen übersetzt worden. Es wurde nach einem Drehbuch von Reiner Kunze und unter seiner Regie verfilmt. (Quelle : Fischer-Verlag)
Für mich ein rundum glückliches reread!
AUTOR :
Reiner Kunze (* 16. August 1933 in Oelsnitz/Erzgeb.) ist ein deutscher Schriftsteller, literarischer Übersetzer und DDR-Dissident. Er ist Sohn eines Bergarbeiters und einer Kettlerin. Ab 1947 besuchte er eine Aufbauklasse, die Arbeiterkindern eine höhere Schulbildung ermöglichte. Zwei Jahre später wurde er vom Rektor seiner Schule als Kandidat der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) vorgeschlagen. 1951 legte er sein Abitur in Stollberg ab.
Nur zur Verkürzung (ohne Geheimnisse) im...:
In Stollberg lernte er 1950 Ingeborg Weinhold kennen, die er 1954 heiratete. Die Ehe wurde im Jahr 1960 geschieden.
Kunze studierte Philosophie und Journalistik an der Karl-Marx-Universität in Leipzig. Nach dem Staatsexamen 1955 arbeitete er als wissenschaftlicher Assistent an der Journalistischen Fakultät der Karl-Marx-Universität (auch als „Rotes Kloster“ bezeichnet) in Leipzig. Nach schweren politischen Auseinandersetzungen kündigte Kunze 1959 seine Stelle an der Universität, ohne seine Promotion zu beenden.
Seine ersten Gedichte veröffentlichte er 1953 in der Zeitschrift neue deutsche literatur. Zunächst orientierte sich Kunze am sozialistischen Realismus, später begann er sich zunehmend von den Vorstellungen der SED zu distanzieren. Sein erster Lyrikband erschien unter dem Titel Vögel über dem Tau.
Nachdem er die Universität verlassen hatte, arbeitete er vorübergehend als Hilfsschlosser im Schwermaschinenbau.
1961 lernte er die aus einem deutsch-tschechischen Elternhaus stammende Ärztin Elisabeth Littnerová kennen. Sie heirateten, und 1962 siedelte Elisabeth Kunze von der Tschechoslowakei in die DDR über, wo sie in Greiz/Thüringen als Kieferorthopädin zu arbeiten begann. Reiner Kunze arbeitete in dieser Zeit als freier Schriftsteller in Greiz und in einem nur 15 km entfernten Bauernhaus in Leiningen. Über seine Frau und bei längeren Aufenthalten in der Tschechoslowakei kam er in Kontakt mit tschechischen Künstlern, gewann Freunde unter ihnen und übersetzte später Werke von bisher über sechzig tschechischen und slowakischen Dichtern. Etlichen von ihnen, darunter dem poetisch einflussreichen Jan Skácel, ebnete der Dichterkollege als Übersetzer den Weg, auch in der deutschsprachigen Welt bekannt zu werden. 1968 trat Kunze aus Protest gegen die Niederschlagung des Prager Frühlings durch die Warschauer-Pakt-Truppen aus der SED aus. Als Folge davon legte die Staatssicherheit eine Akte unter dem Decknamen „Lyrik“ über ihn an, die bis zum Ende der DDR auf viele tausend Seiten anwuchs und die „Zersetzungsmaßnahmen“ gegen ihn im Osten und im Westen dokumentiert.
Die Herausgabe des Gedichtbandes Sensible Wege – Achtundvierzig Gedichte und ein Zyklus stieß 1969 auf Widerstand im Politbüro der SED und im Schriftstellerverband der DDR. Für Kunze wurde es zunehmend schwieriger, seine Werke zu veröffentlichen. Sein Freund Heinz Knobloch konnte ihm – nicht ohne persönliches Risiko – bis 1974 kleine Aufträge für Rezensionen in der Wochenpost verschaffen. Dort erschienen von 1969 bis 1974 Rezensionen unter den Pseudonymen „Jan Kunz“ und „Alexander Ludwig“. Als 1970 in der Bundesrepublik Deutschland das Kinderbuch Der Löwe Leopold: Fast Märchen, fast Geschichten erschien, wurde Kunze wie auch nach dem Buch Sensible Wege mit einem Ordnungsstrafverfahren belegt, und die Autorenexemplare wurden beschlagnahmt.
1976 wurde sein Prosaband Die wunderbaren Jahre in der Bundesrepublik veröffentlicht. Darin kritisierte er das DDR-System scharf. Das Manuskript war heimlich in die Bundesrepublik gebracht worden. Wegen seiner dissidierenden Haltung wurde Kunze am 29. Oktober 1976 in Weimar auf Beschluss des Bezirksverbandes Erfurt/Gera aus dem DDR-Schriftstellerverband ausgeschlossen, was einem Berufsverbot gleichkam. Eine DDR-Ausgabe des Buches Der Löwe Leopold, die im gleichen Jahr erscheinen sollte, wurde nicht ausgeliefert, 15.000 verkaufsfertige Exemplare wurden eingestampft.
Am 7. April 1977 stellte Kunze wegen einer drohenden mehrjährigen Haftstrafe für sich und seine Frau einen Antrag auf Ausbürgerung aus der DDR. Der Antrag wurde innerhalb von drei Tagen genehmigt, und Kunze siedelte am 13. April mit seinen Angehörigen in die Bundesrepublik über.
1978 schrieb er das Drehbuch zu dem Film Die wunderbaren Jahre. 1981 veröffentlichte er seinen ersten Gedichtband nach der Übersiedlung in den Westen Deutschlands, Auf eigene Hoffnung.
1990 erhielt Kunze als einer der ersten Betroffenen Einblick in seine Stasi-Akten. Auszüge aus den Dokumenten, die zwölf Akten mit insgesamt rund 3.500 Blatt umfassten, veröffentlichte er in der Dokumentation „Deckname Lyrik“. Aus den Unterlagen ging hervor, dass ein Freund der Familie, Ibrahim Böhme, später Vorsitzender der DDR-SPD, ein langjähriger Inoffizieller Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit war. Die Dokumentation befeuerte die Diskussion über die Frage, ob die Stasi-Unterlagen einsehbar sein sollten.
Reiner Kunze ist ein Kritiker der Rechtschreibreform von 1996.
Er lebt als freier Schriftsteller in Erlau, Gemeinde Obernzell bei Passau.
(Quelle : wikipedia)
Herausgeber : FISCHER Taschenbuch; 35. Edition (1. September 1978)
Sprache : Deutsch
Taschenbuch : 128 Seiten
ISBN-10 : 3596220742
ISBN-13 : 978-3596220748
Abmessungen : 11.68 x 1.02 x 18.29 cm