Dieses Buch hätte ich fast abgebrochen. Die buchstäbliche Affenliebe der Protagonistin hat mich zuerst irritiert und dann zunehmend abgestoßen. Bei solchen Stellen wie
Zitat[...], denn Sam schlief jetzt wieder in seinem eigenen Bett. Zusammen mit Aimee (Anm.: seine Betreuerin) und seinen Flöhen und den Träumen, die seine Arme und Beine mitten in der Nacht zucken ließen, dass das Bett wackelte.
war ich sogar angewidert.
Bis mir klar wurde, dass Boyle mich ein bisschen an der Nase herumgeführt hat und mit seinem Leser spielt: er legt einem zunächst die Identifikation nahe, und erst allmählich distanziert sich der Leser und stellt fest, dass Boyle keineswegs zur Identifikation auffordert, sondern dass er seinem Leser einfach nur die Dinge vorführt.
Der Roman beginnt damit, dass Sam, ein junger Schimpanse, im Haus eines Wissenschaftlers aufgezogen wird – ein Experiment mit dem Ziel zu beweisen, dass eine sprachliche Kommunikation zwischen Mensch und Tier möglich ist. Er wird rund um die Uhr betreut, trägt Windeln, sitzt bei den Mahlzeiten auf einem Hochstuhl, wird abends gebadet und schläft in einem Bett– kurz: er lebt wie ein Kind in der Obhut einer Familie. Sam ist lebhaft, neugierig, agil, lernwillig und sorgt im täglichen Leben für allerhand Turbulenzen.
Die Grenzen zwischen Mensch und Tier verwischen sich, und das gelingt Boyle auch mit einem besonderen stilistischem Kunstgriff: er versetzt sich in das Bewusstsein des Affen und zeigt in inneren Monologen bzw. erlebter Rede dessen Gefühle und Gedanken. Damit rückt er den Affen recht nahe an den Menschen heran, und diese Nähe wirkt beunruhigend. Ist das geliebte und verhätschelte Familienmitglied, juristisch gesehen, tatsächlich nur eine Sache? Der Leser muss sich überlegen, was eigentlich den Menschen zum Menschen macht. Das Ende ist so gestaltet, dass der Leser um diese Frage nicht herumkommt und sich seine Gedanken machen muss.
Was mir an Boyles Büchern (bisher) grundsätzlich sehr gut gefällt:
Er sucht sich ein historisches Ereignis aus, das heute noch Bedeutung hat, recherchiert sorgfältig und konstruiert dann seine Geschichte. Hier sind es die Forschungen zum Spracherwerb der Menschenaffen, die in den 60er und 70er Jahren durchgeführt wurden, und folgerichtig wird auch Noah Chomsky zitiert.
In diesem Buch sind es zwei Aspekte, die mich sehr beeindruckt haben: Einmal die eindringliche Art, in der Boyle erzählt, und zum anderen die Tatsache, dass er keine Antwort gibt, keiner Seite Recht gibt und die Antwort dem Leser selber überlässt.