Helen Waite - Öffne mir das Tor zur Welt (ab 06.03.2021)

  • Sorry! Viel zu viel Gelaber! Das hat ja nun nichts mehr mit dem Buch zu tun. :pale:

    Mit dem Buch nicht, aber mit Dir und wie Du diese Biografie liest und auffasst. Deshalb ist das für mich kein Gelaber. :friends: Ich selbst bin mit einem gehörlosen Onkel aufgewachsen und weiß daher, wie viel bzw. wie wenig Einschränkung das in vielen Bereichen bedeutet (und sogar manchmal Freiheiten bringt). Und ich war zwei Mal (kurz hintereinander) in einer Dunkelausstellung, was eine bereichernde, aber auch beängstigende Erfahrung für mich war. Ganz sicher wäre ich lieber gehörlos als blind. Aber allein die Vorstellung, taubblind zu sein, ist für mich der blanke Horror. :pale:


    terry jaja, läster Du ruhig :P Hat nichts mit Geduld, sondern mit Faszination zu tun. Und damit, dass der McEwan als Zweitbuch echt langweilig ist :-#

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Joseph Roth - Hiob

    :study: Mike Dash - Tulpenwahn


  • Ich selbst bin mit einem gehörlosen Onkel aufgewachsen und weiß daher, wie viel bzw. wie wenig Einschränkung das in vielen Bereichen bedeutet (und sogar manchmal Freiheiten bringt). Und ich war zwei Mal (kurz hintereinander) in einer Dunkelausstellung, was eine bereichernde, aber auch beängstigende Erfahrung für mich war. Ganz sicher wäre ich lieber gehörlos als blind. Aber allein die Vorstellung, taubblind zu sein, ist für mich der blanke Horror. :pale:

    Ich kenne selbst von mir die Verunsicherung, wenn ich weder Brille noch Kontaktlise benutze und mich dann irgendwie zum Bett tapsend bewege. Oder als ich früher nur Brille trug und die beim Schwimmen abnahm und dann alles nur so schmenhaft sah, es war mir unangenehm, andere konnten mich sehen, aber ich umgekehrt nur in der Nähe. Gar nichts zu sehen, wäre dann wirklich schlimm.

    Es gab da mal einen Film, leider weiß ich den Titel nicht mehr, wo jemand auch erblindete als Junge und durch eine OP dann für eine gewisse Zeit sein Augenlicht wieder zurückbekommt (was sich dann aber auch wieder verschlechterte). Das letzte, an das er sich erinnern konnte waren rosa Wolken (Zukerwatte). Als er nach der OP einen LKW sah mit einer riesigen Abbildung eines Apfels, konnte er diesen nicht als Apfel identifizieren. Er wusste wie sich ein Apfel anfühlte, wie er roch, aber mit dem Bild konnte er nix anfangen.

    Wie es wohl Annie ging nach den OPs?

    Taubblind muss echt furchtbar sein, weil du nur in dir selbst gefangen zu sein scheinst.

    jaja, läster Du ruhig :P Hat nichts mit Geduld, sondern mit Faszination zu tun. Und damit, dass der McEwan als Zweitbuch echt langweilig ist

    So gings mir gestern abend auch mit meinem Zweitbuch, das eigentlich auf dem Weg zu 5 Sternen war, aber mit einem Kapitel viel zerstörte, und ich genau dort festhing. Aber ich konnte mich beherrschen :wink: :P

    :study: Audre Lorde: Sister Outsider (eBook)

    :study: Joseph Roth: Hiob (eBook) - MLR

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    „An allem Unrecht, das geschieht, ist nicht nur der Schuld, der es begeht, sondern auch der, der es nicht verhindert.“

    Erich Kästner

    "Das fliegende Klassenzimmer"


    Warnhinweis:
    Lesen gefährdet die Dummheit

    :study:

  • Hab heute auch das zweite Kapitel beendet. Meine Überlegung war, wenn man sich das Recht durch den Kopf gehen lässt, in welcher Zeit das war hatte Annie sehr viel Glück dass so viel Unterstützung bekommen hat. Die herzliche Art von Miss Hopkins ist mir sofort ans Herz gewachsen, sie Formte Annie hauptsächlich zu dem Menschen der sie wurde. Captain Dad der alte Haudegen hat so eine liebevolle Art an sich, er hat Annie sofort verstanden und wusste wie er mit ihrem starken Charakter umgehen muss. Das Angebot Helen Keller zu unterrichten, führte sie zu ihrer lebensaufgabe Menschen mit Sehbehinderung die Chance zugeben ein relativ normales Leben zu führen und von anderen Menschen akzeptiert zu werden wie sie sind.


    Vielen Menschen, fällt es auch heute noch sehr schwer Andersartigkeit zu akzeptieren was ich sehr schade und traurig finde.


    Die die Lesegeschwindigkeit ist für mich vollkommen in Ordnung.

  • Kapitel 2

    Ich hab es ja schon heute nacht gelesen. Ich kann einfach nicht "nicht lesen" wenn ich ins Bett gehe :uups: Und ich wollte doch auch mehr über Annie wissen. Ihre Wandlung und Entwicklung war sehr spannend, denn im Prinzip war sie ein sehr un-entwickeltes Kind als sie nach Perkins kam. Ein behindertes Mädchen aus armen Verhältnissen hatte eh nichts zu lachen, aber Annies Schicksal war ja noch eine ganze Schippe mehr.

    Spannend, dass sie schulisch sehr schnell aufholte, aber ihr Schutzpanzer sie doch auch fast in Schwierigkeiten brachte. Mrs. Hopkins taucht ja erst drei Jahre nach Annie in Perkins auf.

    Hier wird eindrucksvoll gezeigt, wie wichtiger so ein Dominoeffekt der Wärme und Geborgenheit ist. Erst wurde er von Mrs. Hopkins an Annie weitergegeben und ohne diese Initialzündung wäre diese nicht gewappnet gewesen ihrerseits dann Freude, Verständnis und Wärme an Helen weiterzugeben.

    Dominoeffekt ist ein guter Ausdruck. Mrs Hopkins muss echt viel Einfühlungsvermögen gehabt haben, dass sie so schnell hinter die harte Schale dieses Kindes schaute. Denn auch wenn Annie da bereits 17 war, war sie emotional doch wesentlich jünger.

    voller Tatendrang macht sie sich auf den Weg, neugierig und beherzt tritt sie mit ihm in Kontakt und sie kann den alten Mann mit ihrer Offenheit für sich einnehmen,

    Tatendrang, Neugier und Offenheit scheinen mir schon jetzt die prägenden Eigenschaften Annie Sullivans zu sein. Alles davon brauchte sie ja auch bei der enormen Aufgabe, die sie übernahm. Es war die eine Sache, mit einer bereits "erzogenen" taubblinden Frau zu kommunizieren, aber eine andere, diese Ausbildung bei einem kleinen Kind zu übernehmen. Was für eine Verantwortung für ein Leben.

    dann alles nur so schmenhaft sah

    Das kenn ich ja nicht, ich lauf zu Hause ja nur ohne Brille herum. Ich kenn es nur von der Erzählung einer Freundin, der ihr damaliger Freund im Meer mal die Brille klaute. Und erst als sie dann beinah Richtung Meer schwamm, hat er realisiert wie wenig sie ohne Brille sah. Das hat er nie wieder getan

    Meine Überlegung war, wenn man sich das Recht durch den Kopf gehen lässt, in welcher Zeit das war hatte Annie sehr viel Glück dass so viel Unterstützung bekommen hat.

    Wahnsinniges Glück, so viele hilfsbereite Menschen zu treffen, die sich mit Macht für sie einsetzten und engagierten. Wir können uns das ja kaum vorstellen aus unserer heutigen Sicht. Aber junge, mittellose Frauen hatten damals eh große Schwierigkeiten - wie das erst für Menschen mit Einschränkung ausgesehen haben muss, ist für mich nicht nachvollziehbar. Das begann ja schon im Armenhaus: sie hatte das große Glück, dass dieser Inspektor ihr zuhörte und sie ernst nahm. Das alleine war ja schon ein 6er im Lotto. Ich möchte nicht wissen, wie oft es damals hieß "das lohne sich nicht für eine wie die" und ähnliches. 8-[

    die Lesegeschwindigkeit ist für mich vollkommen in Ordnung.

    Prima :D Und wenn Du unter der Woche mal merkst, dass es nicht geht, dann sag was. Jeder von uns hat seinen Alltag zu stemmen, der uns unterschiedliches abverlangt. Ich hab unter der Woche abends auch manchmal nur noch Mus im Kopf, wenn ich einen der Homeoffice-Tage mit 8 Stunden Headset und Meetings hinter mir habe :ergeben:

    viele Grüße vom Squirrel



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  • Kapitel 2: S. 19 - 29

    Hier wird eindrucksvoll gezeigt, wie wichtiger so ein Dominoeffekt der Wärme und Geborgenheit ist.

    Diesen Ausdruck muss ich mir merken. Je mehr Liebe und Zuneigung jemand erfährt, umso mehr kann dieser Mensch genau diese Wärme und Geborgenheit an seine Mitmenschen weitergeben.

    Es ist wirklich erstaunlich, dass Mrs. Hopkins so schnell und so tief zu Annie vordringen konnte. Was für eine schreckliche Kindheit dieses Mädchen ertragen musste! Es zeugt wirklich von enormer Stärke, dass sie diese Traumata in so viel Positives verwandeln konnte.


    Ihre Wandlung und Entwicklung war sehr spannend, denn im Prinzip war sie ein sehr un-entwickeltes Kind als sie nach Perkins kam. Ein behindertes Mädchen aus armen Verhältnissen hatte eh nichts zu lachen, aber Annies Schicksal war ja noch eine ganze Schippe mehr.

    Das empfinde ich auch so. Noch dazu ist die Geschwindigkeit, mit der sie mit dann schon 14 Jahren schulische Fortschritte machte, wirklich spannend. All das, was sie verarbeiten muss, all die emotionalen und sozialen Entwicklungen, die sie erst begonnen und weiterführen konnte, als sie in Perkins ankam und dort vor allem auf Mrs. Hopkins traf, müssen unfassbar viel Energie und Kraft gekostet haben. Trotzdem erweiterte sie auch ihre schulischen und fachlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten in einer rasenden Geschwindigkeit. Ein wirklich bewunderswertes Mädchen!

    Dass es sehr viele Leute gab, die Annie etwas gutes wollten, zeigt auch, dass sich der Direktor der Schule, nachdem seine Aufgabe der Ausbildung abgeschlossen war, trotz allem noch Gedanken um Annie machte, und als er eine Anfrage erhielt, diese sofort an sie weiterleitete.

    Captain Dad, Mrs. Hopkins, im Grunde sogar der Kontrolleur, der ins Armenhaus kam und auch der Direktor halten mit ihrem Verhalten und ihren Emotionen Annie gegenüber dem Leser einen Spiegel vor Augen, in dem Annies Wesen und ihre Persönlichkeit zu sehen ist. Sie muss ein äußerst einnehmendes Wesen gehabt haben, einen Charakter, der nicht nur willensstark war, sondern auch liebenswert, denn sonst hätte sie sich nicht so sehr in die Herzen aller Menschen "schleichen" können, denen sie begegenete. Wobei hier "schleichen" sicher falsch ist, denn ich glaube, dass sie zumindest zu Beginn ihres Aufenthaltes eher laut und unbequem war.

    Vielen Menschen, fällt es auch heute noch sehr schwer Andersartigkeit zu akzeptieren was ich sehr schade und traurig finde.

    Oh ja! Das ist schrecklich! Es ist wirklich vollkommen egal, um welche Art der Andersartigkeit es geht - ob Behinderung, Aussehen, Intelligenz, Hautfarbe - wer nicht der Norm entspricht, die sich diese Menschen als Schablone zurechtgelegt haben, wird ausgeschlossen und diskriminiert. Leider gibt es wirklich viel zu viele solcher Menschen. Und ich glaube, dass es noch nicht einmal alle "extra" und aus vollem Bewusstsein machen. Manchmal ist es einfach Achtlosigkeit und Unüberlegtheit. Vielleicht auch Überheblichkeit?

    Ich kenne selbst von mir die Verunsicherung, wenn ich weder Brille noch Kontaktlise benutze und mich dann irgendwie zum Bett tapsend bewege.

    Herrje, das kenne ich auch. Ohne meine Brille bin ich eher ein Maulwurf. Alles, was mehr als ca. 20cm von meinem Gesicht entfernt ist, kann ich ohne Brille nicht erkennen. Man fühlt sich wirklich hilflos.


    Ich werde mich jetzt in die Sonne setzen und das 3. Kapitel lesen. :)

    Ich bin gespannt, ob sich Annie und Helen nun schon treffen oder ob das dritte Kapitel noch einmal mehr auf Annie und ihre Vorbereitungen für die Aufgabe, die ihr bevorsteht, eingehen wird.

    Wie die Welt von morgen aussehen wird, hängt in großem Maß von der Einbildungskraft jener ab, die gerade jetzt lesen lernen.
    - Astrid Lindgren -

  • Kapitel 3, S. 30 - 40

    Da habt ihr schon so viel über Taschentücher gesprochen und schon musste ich ein Tränchen wegwischen. :wink:

    Diese Freude des ersten Kennenlernens, diese vollkommene Ungezwungenheit, mit der Helen auf Annie zugeht, Annies schon zu diesem Zeitpunkt erkennbare Liebe zu dem kleinen Mädchen, gingen mir wirklich nahe.

    Obwohl ich an dieser Stelle sagen muss, dass ich ein wenig verwundert bin, mit welcher Vehemenz Annie Hässlichkeit verabscheut. Natürlich kann ich nachvollziehen, dass sie sich nur mit Schönem umgeben will, nachdem sie Jahre in Dunkelheit leben musste - damit meine ich nicht nur die Blindheit, sondern vor allem all die Hässlichkeit, die ihr die Menschen angetan haben, aber sich vor der eventuellen Hässlichkeit eines Menschens zu fürchten, ist schon noch eine andere Sache.

    Zitat

    Oh, bitte, lass sie nicht hässlich oder schwachsinnig sein!

    Eine heftige, aber tief empfundene Aussage.

    Da wir ja über Andersartigkeit gesprochen haben, würde man doch denken, dass gerade Annie, mit all dem, was sie erlebt hat und wodurch sie geprägt wurde, voller Akzeptanz wäre, solange der Mensch freundlich und liebenswert ist.

    Natürlich ist von Helens Intelligenz auch der Erfolg Annies abhängig, trotzdem empfand ich diese Stelle als recht hart.


    Die Zugfahrt hat mir noch einmal vor Augen geführt, wie weit zurück in der Vergangenheit sich dies alles zugetragen hat. Tagelang unterwegs für 1000 km.


    Sehr berührt hat mich auch diese Stelle:

    Zitat

    Diese Vision dauerte an, bis sie ihren Platz eingenommen hatte und der Augenblick des Abschieds von den beiden Menschen gekommen war, die Annie die erste Freundlichkeit erwiesen hatten, die ihr in dieser Welt widerfahren war.

    Vierzehn Jahre lebte dieses Mädchen ohne Freundlichkeit und Wärme, Liebe und Geborgenheit zu erleben. Für mich wieder sehr eindrücklich, mit welch Stärke und unglaublichem Willen Annie ausgestattet war, dass sie diese vierzehn Jahre verarbeiten konnte und sich nicht von diesen definieren ließ. Sie zog all ihr Sein und ihre Hilfbereitschaft, ihr Mitgefühl und ihren Einsatz für andere Menschen aus dem, was sie ab ihrem 14ten Lebensjahr erleben durfte.


    Ich fand schon die Anfänge, wie Annie mit Helen umging, total spannend. Und auch wie Helen versucht, sich ihrer Umwelt mitzuteilen. Ich habe wirklich keine Vorstellung davon, wie man zu einem Kind, das seine Umwelt weder sehen, noch hören kann, vordringt. Aber für Annie ist es vollkommen natürlich.


    Ich bin inzwischen echt ein bisschen aufgeregt, um zu erfahren, wie das Lernen, Kommunizieren und Welt-Eröffnen zwischen den Beiden weitergeht.

    Wie die Welt von morgen aussehen wird, hängt in großem Maß von der Einbildungskraft jener ab, die gerade jetzt lesen lernen.
    - Astrid Lindgren -

  • Da habt ihr schon so viel über Taschentücher gesprochen und schon musste ich ein Tränchen wegwischen.

    Das Ende des 3. Kapitels? Da war es bei mir soweit. :friends:

    Aber die Box steht griffbereit zur allgemeinen Verfügung.

    Obwohl ich an dieser Stelle sagen muss, dass ich ein wenig verwundert bin, mit welcher Vehemenz Annie Hässlichkeit verabscheut.

    Das war auch etwas, dass ich mir notiert hatte.

    Ich bin inzwischen echt ein bisschen aufgeregt, um zu erfahren, wie das Lernen, Kommunizieren und Welt-Eröffnen zwischen den Beiden weitergeht.

    Da bist du nicht alleine. Wie wäre es mit dem nächsten Kapitel gleich bis morgen? Ich schätze, die Kapitel sind so kurz, dass man durchaus täglich wagen kann.


    Die Reise nach Tuscumbia - Seite 30-40

    Es geht also nun los die Reise zu Helen. Annie befindet sich im Zug mit "rotem Plüschsitz". Diese Beschreibung hat mir wieder in Erinnerung gerufen, wie anders ausgestattet damals die Züge waren, wobei ich bei uns eher an unbequeme Holzsitze dachte, und 1. Klasse wird sie wohl nicht gereist sein.

    Unsicherheit befällt sie, wie wird es werden, ist sie der Situation überhaupt gewachsen? Sie denkt daran, dass es bisher überhaupt erst 1-2 mal gelungen ist, "das innere Wesen eines Kindes zu erreichen, die Welt zu erschließen" was diesem durch die Behinderung bis dato verborgen blieb. Es kamen Zweifel, die sie versuchte, durch aufmerksames Studium der Unterlagen an der Perkins-Schule der Lehrer von Laura Bridgman zu zerstreuen. Sie lässt sich nicht einfach auf ein Abenteuer ein, nein sie bereitet sich gewissenhaft vor. Das alles, ohne von anderen dazu aufgefordert zu werden. Annie ist eine sehr reife, intelligente Frau geworden.

    Interessant jedoch, dass sie, wenn sie an Helen denkt, ein scheues, ängstliches, kleines Mädchen vor sich sieht. Eigentlich etwas, das sie ja selbst auch nicht war, oder?

    Sehen Helfer und Unterstützer bzw. Betreuer automatisch den "Hilfsbedürftigen" als schwach an? Ich glaube, das ist öfters der Fall.

    Irgendwie süß finde ich die Teilhabe der anderen Mädchen ja, und die Bastelei der Puppe, verbunden mit dem Wunsch, Hellen dies als erstes Wort beizubringen.


    Die Gedanken von Annie auf der Fahrt bezüglich Helen und ihr Wunsch "lass sie nicht hässlich sein" verstörte mich. Was meinte sie mit häßlich? Einfach nur nicht hübsch und zart mit Schleife in den Haaren, oder war häßlich für sie ein Begriff der Missbildung? Hatte sie da Angst davor, dass eine eventuelle Entstelltheit sie selbst verängstigen könnte? War hässlich mehr auf den Charakter bezogen? Hatte sie Angst vor einer abstoßenden Person?


    Nach langer Fahrt trifft sie ein und es kommt zu einem ersten Treffen mit Helen und ihrer Familie. Und zu einer ersten Kommunikation zwischen Helen und Annie (Handtasche), die Annie bereits verrät, dass Helen keineswegs unintelligent ist, und sehr wohl weiß, was sie will und es mit ihren Mitteln auch versucht zu kommunizieren.


    Ich gestehe, ich werde gleich Kapitel 4 lesen, wer weiß, wie ich morgen dazukomme, und ich bin echt gespannt.

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  • Kapitel 3-4

    Ich weiß nicht so Recht was ich schreiben soll, weil die Geschichte von Annie u. Helen viele Emotionen in mir weckten. Über die Gedanken welche sich Annie während der Zugfahrt macht bezüglich Helens Äußeres ob sie nun hübsch oder hässlich ist war mir ein Augenblick suspekt. Aber wenn ich das so sagen darf, sind wir Menschen so glaube ich ob wir nun eine Einschränkung haben oder nicht. Die kleine Helen mit ihrem wachen hellen verstand zeigt einem wie wunderbar die Welt doch ist trotz ihrer Bindheit und Taubheit. (Ich kann mir nicht vorstellen wie das wäre Taub und Bind gleichzeitig zu sein.) Für mich war es so erstaunlich wie Helen mit ihrer Umwelt kommuniziert durch Bewegungen, fühlen und riechen. Man kann verstehen dass Miss Keller und Captain Keller an einem Punkt der Verzweiflung ankamen und dadurch Helen als gewährenlassen. Es muss für Eltern sehr schwer sein, man will für sein Kind das Beste weiss aber oft nicht wie, weil man sich nicht 120% in das Kind hineinversetzen kann. Ich glaube so ging es auch der Familie Keller oder zumindest hatte ich es so herausgelesen. Annie wird Helen helfen können, weil sie ihre eigenen Erfahrungen mit einbringen kann.


    Taschentücher standen bereit. :uups:

  • Da bist du nicht alleine. Wie wäre es mit dem nächsten Kapitel gleich bis morgen? Ich schätze, die Kapitel sind so kurz, dass man durchaus täglich wagen kann

    Da bin ich ganz bei dir. Sollte zwischendurch eine von uns merken, dass der Alltag zu viel Zeit benötigt und man das Buch nicht genießen kann, sondern schnell zwischenschieben müsste, um im Pensum zu bleiben, sagen wir Bescheid, dann machen wir langsamer.

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    - Astrid Lindgren -

  • Da bist du nicht alleine. Wie wäre es mit dem nächsten Kapitel gleich bis morgen? Ich schätze, die Kapitel sind so kurz, dass man durchaus täglich wagen kann

    Da bin ich ganz bei dir. Sollte zwischendurch eine von uns merken, dass der Alltag zu viel Zeit benötigt und man das Buch nicht genießen kann, sondern schnell zwischenschieben müsste, um im Pensum zu bleiben, sagen wir Bescheid, dann machen wir langsamer.

    1 Kapitel bis morgen finde ich okay, wünsche euch einen schönen Abend

  • Jetzt bin ich auch da :)

    Kapitel 3

    Ich fand es ein total spannendes Kapitel, weil es so viel über Annie aussagt. In dieser Biografie, oder sollte man nicht besser sagen Doppel-Biografie, lernen wir diese Lehrerin Helens so gründlich kennen, das ist echt toll. Das hat im Film wohl wirklich gefehlt, denn an diese Anfänge Annies hätte ich mich bestimmt erinnert.

    Sie wird uns von allen Seiten gezeigt: im Überschwang und voller Begeisterung, kurz danach aber schon wieder von (durchaus realistischen) Zweifeln geplagt, lernend um lehren zu können, kämpfend um Wissen um Helen helfen zu können, dann wiederum wehmütig und auch verängstigt als es heißt, Abschied zu nehmen (und wir können wohl davon ausgehen, dass es ein recht endgültiger Abschied ist) und diesen Riesenschritt in die eigene Zukunft zu tun.

    Ich weiß, wie nervös ich immer war, sobald ich eine neue Stelle antrat - aber ich tat es in unserer Zeit, gesund und wissend und die Welt weit besser kennend als Annie es tat. Im Zug tat sie mir echt leid, so ein Häufchen Elend. :-?

    mit welch Stärke und unglaublichem Willen Annie ausgestattet war, dass sie diese vierzehn Jahre verarbeiten konnte und sich nicht von diesen definieren ließ. Sie zog all ihr Sein und ihre Hilfbereitschaft, ihr Mitgefühl und ihren Einsatz für andere Menschen aus dem, was sie ab ihrem 14ten Lebensjahr erleben durfte.

    Beeindruckend, nicht wahr? Es war ja in Kapitel 2 angedeutet, dass ihre Entwicklung durchaus auch in die andere Richtung hätte schlagen können - verbittert und verbiestert. Aber sie hat es dank der liebevollen Menschen um sie herum geschafft, die negativen Erfahrungen hinter sich zu lassen und sie umzumünzen in Kraft und Stärke. Und eine von Euch hatte auch geschrieben, dass sie wohl ein sehr einnehmender Mensch gewesen sein muss, dem die Menschen schnell positiv gegenüber standen. Auch das hat sie geschafft nach all dem Elend. Schade, dass wir diese Frau nicht mehr persönlich kennen lernen können.

    Unsicherheit befällt sie, wie wird es werden, ist sie der Situation überhaupt gewachsen? Sie denkt daran, dass es bisher überhaupt erst 1-2 mal gelungen ist, "das innere Wesen eines Kindes zu erreichen, die Welt zu erschließen" was diesem durch die Behinderung bis dato verborgen blieb. Es kamen Zweifel, die sie versuchte, durch aufmerksames Studium der Unterlagen an der Perkins-Schule der Lehrer von Laura Bridgman zu zerstreuen. Sie lässt sich nicht einfach auf ein Abenteuer ein, nein sie bereitet sich gewissenhaft vor.

    Spannend, wie sie sich durch Lauras Akten kämpft und sich vorbereitet. Ob sie wohl auch mit Laura selbst darüber geredet hat, wie sie es als Betroffene empfunden hat? Darüber wird leider nichts erzählt, aber es wäre doch so naheliegend, von ihr diese Inneneinsicht in die taubblinde Welt eines Kindes zu bekommen. :-k

    Es geht also nun los die Reise zu Helen. Annie befindet sich im Zug mit "rotem Plüschsitz". Diese Beschreibung hat mir wieder in Erinnerung gerufen, wie anders ausgestattet damals die Züge waren, wobei ich bei uns eher an unbequeme Holzsitze dachte, und 1. Klasse wird sie wohl nicht gereist sein.

    Ich bin hin- und hergerissen weil mein Gedächtnis mich im Stich lässt. Ich hab mal eine Reportage über die Waggons der damaligen Zeit gelesen. Aber ich weiß einfach nicht mehr, ob die europäischen oder die amerikanischen Waggons die gemütlicheren waren. ](*,) Auf jeden Fall kann ich mir gut vorstellen, dass der Institutsleiter sie nicht in die billigste Klasse gesetzt hat. Diese Reise war ja anstrengend genug mit all der Umsteigerei und dass für einen Menschen, der noch nie allein mit der Bahn verreist war.


    Zu Annies Angst vor Hässlichkeit: ich glaube, wir lassen uns von Annies fast überdimensional guten Seiten und Eigenschaften zu sehr beeinflussen. Aber sie ist doch immer noch ein junger Mensch mit Ängsten und Vorurteilen wie wir auch und keine Heilige. Es mag nicht schön sein, wenn sie sich so unbedingt "kein hässliches oder schwachsinniges Kind" wünscht, aber es ist doch zutiefst menschlich. Sie hatte echt genug Hässlichkeit in ihrem Leben.

    Ich war überrascht bei der Begrüßung, dass die kleine Helen doch so gut mit ihren Eltern kommunizieren konnte. Irgendwie hat sie es geschafft, manche Dinge zu transportieren. Aber ging das auch vice versa, konnten ihre Eltern Helen erreichen? Jedenfalls konnte Annies sich entspannen, sie fand ein intelligentes Kind vor und sympathische Eltern, die sie warmherzig empfangen. Wie beruhigend muss das gewesen sein, denn dort sollte sie ja schließlich leben.

    viele Grüße vom Squirrel



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  • Ob sie wohl auch mit Laura selbst darüber geredet hat, wie sie es als Betroffene empfunden hat? Darüber wird leider nichts erzählt, aber es wäre doch so naheliegend, von ihr diese Inneneinsicht in die taubblinde Welt eines Kindes zu bekommen.

    Ich glaube schon, da sie mit ihr ja befreundet war und Laura auch mithalf bei der Bekleidung für die Puppe. Da werden sie schon darüber gesprochen haben.

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    „An allem Unrecht, das geschieht, ist nicht nur der Schuld, der es begeht, sondern auch der, der es nicht verhindert.“

    Erich Kästner

    "Das fliegende Klassenzimmer"


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    :study:

  • Ich fand es sehr schön wie Annie mit Helen gleich bei ihrer Ankunft so herzlich umgegangen ist und Helen so offen zu ihr war.


    Da ging mir das ❤️ auf, wie ging es euch ?

  • Ich fand es sehr schön wie Annie mit Helen gleich bei ihrer Ankunft so herzlich umgegangen ist und Helen so offen zu ihr war.


    Da ging mir das ❤️ auf, wie ging es euch ?

    Mir ging es wie Dir, ich war glücklich und erleichtert, dass Annie so einen direkten und warmherzigen Zugang zu Helen finden konnte und das Kind auch zu ihr.

    viele Grüße vom Squirrel



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  • Ich fand es sehr schön wie Annie mit Helen gleich bei ihrer Ankunft so herzlich umgegangen ist und Helen so offen zu ihr war.


    Da ging mir das ❤️ auf, wie ging es euch ?

    Mir ging es wie Dir, ich war glücklich und erleichtert, dass Annie so einen direkten und warmherzigen Zugang zu Helen finden konnte und das Kind auch zu ihr.

    Ja, das war auch meine Stelle, an der ich feuchte Augen bekam.

    Außerdem fand ich es unglaublich faszinierend, wie Helen es schaffte, sich verständlich zu machen.

    Wie die Welt von morgen aussehen wird, hängt in großem Maß von der Einbildungskraft jener ab, die gerade jetzt lesen lernen.
    - Astrid Lindgren -

  • Mir ging es wie Dir, ich war glücklich und erleichtert, dass Annie so einen direkten und warmherzigen Zugang zu Helen finden konnte und das Kind auch zu ihr.

    Ja, das war auch meine Stelle, an der ich feuchte Augen bekam.

    Außerdem fand ich es unglaublich faszinierend, wie Helen es schaffte, sich verständlich zu machen.

    Ich fand es gauso unglaublich, auf welche Art und Weise sich Helen ihren Mitmenschen mitleilt. Mein erster Gedanke war man muss dieses kleine Mädchen für seine Innere Stärke bewundern.

  • Kapitel 4: Phantom einer Nicht-Welt (Seite 41-53)

    Der Job für Annie beginnt nun seinen Lauf zu nehmen:

    Einerseits mit heftigen Szenen inkl. ausgeschlagener Vorderzähne bei Annie, andererseits aber auch mit wunderbaren Beobachtungen und den ersten Lernerfolgen.


    Ein bisschen irritiert war ich durch einen Satz auf Seite 42: "deutete auf die Puppe und nickte mit dem Kopf". Bei einer taubblinden?


    Begeistert las ich die ersten Buchstabiererfolge (doll und cake), ich glaube ich war genauso erfreut und fasziniert wie Annie selbst, die ja auch feststellte, dass Helen den Zusammenhang schneller begriff als Laura damals (lt. Aufzeichnungen). Welch Potential schlummert da in Helen, die bereits ihre eigene Sprache (Eiscreme zu Mittag, Annie soll Kuchen holen, etc.) entwickelt hatte um sich ihrer Umgebung mitzuteilen?

    Je vorurteilsfreier ihre Gegenüber sind, desto einfacher ist es für Helen. Sind es einerseits die Tiere (Kühe, Pferde), so ist es andererseits die fast gleichaltrige Tochter der Köchin, die völlig unbefangen sofort Helens Ansinnen versteht (sie will Perlhuhneier suchen).


    Auf Seite 47 wird das Verhalten der Mutter Keller positiv dargestellt, die Helen die Freiheit lässt, einiges selbst zu erkunden, nicht eingesperrt zu sein, Kontakt zu anderen zu haben, sie nicht zu überbehüten. Sicherlich ein nicht unwesentlicher Faktor und vielleicht der Ansatz, den auch die heutigen Integrationsklassen verfolgen.


    Fr. Keller setzt große Hoffnung in Annie, will verstehen, was ihre Tochter denkt, und war selbst schon immer der Meinung, dass Helen nicht schwachsinnig sei. Sie erzählt Annie die Geschichte der Erkrankung mit 19 Monaten.

    Interessant fand ich hier, dass die Geschichte Lauras scheinbar in Dickens "Amerikanische Skizzen" erwähnt wurde, ebenso den Kontakt mit Alexander Graham Bell, der als Ehemann einer tauben Frau nicht nur als Erfinder tätig war, als sehr symphatisch beschrieben wird, und auch einen emotionalen Zugang zu Helen fand.


    Die Familie Keller und ihre finanzielle Situation dürfte nicht die schlechteste gewesen sein (Captain Keller als Bundespolizeichef von Alabama), es gab ein schwarzes Kindermädchen, eine ebenfalls schwarze Köchin, Südstaaten zur damaligen Zeit pur.


    Faszinierend die Szene mit den fehlenden Augen der Puppe bei einer Zugfahrt von Helen. Sie selbst kann nicht sehen und besteht auf Augen für ihre Puppe und findet sogar eine Lösung (die abgelösten Perlen). Will sie, dass wenigstens die Puppe sehen kann?


    Am Ende dieses Kapitels wird die Überlegung von Annie angesprochen, Helen von der Familie zu trennen. Warum? Sie sieht das Verhalten der Familie Helen gegenüber skeptisch, obwohl sie eigentlich zuerst das Verhalten der Mutter durchaus auch positiv fand. Findet sie nun, dass sich die Eltern, insbesonder die Mutter zu großzügig, nachgiebig gegenüber Helen verhalten?

    Bin gespannt, wie es weitergeht.....

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  • Ich fand es gauso unglaublich, auf welche Art und Weise sich Helen ihren Mitmenschen mitleilt. Mein erster Gedanke war man muss dieses kleine Mädchen für seine Innere Stärke bewundern.

    auf jeden Fall, kann das nur so unterschreiben :thumleft:

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  • Kapitel 4: Phantom in einer Nicht-Welt (Seite 41-53)

    Am eindrücklichsten blieb mir aus diesem Kapitel ein Zitat Helens im Kopf: Sie war sich

    Zitat

    ihrer selbst innerhalb eines Nichts bewusst. Ich wusste nicht, dass ich nichts wusste, dass ich lebte, handelte. Ich hatte weder Willen noch Verstand .... Ich hatte kein Denkvermögen.

    Sie nennt sich auch "ein Phantom in einer Nicht-Welt".

    Natürlich waren das nicht die Gedanken und Gefühle des kleinen Kindes, das Helen war, aber es sind ihre Versuche, diese Zeit in ihrem Leben zu erklären, zu beschreiben und anderen Menschen begreiflich zu machen.

    Faszinierend die Szene mit den fehlenden Augen der Puppe bei einer Zugfahrt von Helen. Sie selbst kann nicht sehen und besteht auf Augen für ihre Puppe und findet sogar eine Lösung (die abgelösten Perlen). Will sie, dass wenigstens die Puppe sehen kann?

    Ich glaube nicht unbedingt, dass sie bewusst wollte, dass die Puppe "sehen" kann. Ob sie zu diesem Zeitpunkt die Augen und das Sehen überhaupt in Zusammenhang bringen konnte? Da sie selbst erst 19 Monate alt war, als sie erblindete, bin ich mir nicht sicher, ob ihr das so klar war. Ich empfand es eher so, dass die Puppe nicht vollständig war, mit diesem glatten, augenlosen Gesicht. Sie zeigte ja auf ihre eigenen Augen, um zu verdeutlichen, was sie möchte.


    Am Ende dieses Kapitels wird die Überlegung von Annie angesprochen, Helen von der Familie zu trennen. Warum? Sie sieht das Verhalten der Familie Helen gegenüber skeptisch, obwohl sie eigentlich zuerst das Verhalten der Mutter durchaus auch positiv fand. Findet sie nun, dass sich die Eltern, insbesonder die Mutter zu großzügig, nachgiebig gegenüber Helen verhalten?

    Das hört sich wahrlich zunächst einmal grausam an. Schließlich ist Helen noch ein kleines Kind. Doch nachdem ich das Kapitel noch einmal gelesen habe, muss ich sagen, dass ich Annies Ansinnen immer besser verstehen kann. Einem Kind Freiheiten zu geben, damit es sich wachsen kann, es nicht überzubehüten oder gar "einzusperren", damit es sich nur ja nicht verletzt, sind sicher wichtige und richtige Erziehungsmethoden (heutzutage leider oft viel zu selten), damit Kinder sich zu selbstbewussten und selbstständigen Menschen entwickeln können. Das wird Helen erlaubt und daraus entstand sicher viel von dem, was sie trotz ihrer Beeinträchtigungen schon gelernt hat.

    Doch empfinde ich es bei der Erzählung so, dass Helen absolut keine Grenzen gesetzt wurden und werden. Ihre Wutanfälle sind häufig und heftig, ihre Verzweiflung und ihr Zorn, dass sie sich nicht auf direktem Wege mitteilen kann, sind grenzenlos. Die Familie, das hat Annie schon erkannt, wird Helen keine Grenzen aufzeigen. Sie werden sie in ihrer absoluten Zügellosigkeit gewähren lassen. Und ich kann es so gut verstehen! Wie sehr müssen die Herzen von Helens Eltern leiden! Was für eine unfassbare Hilflosigkeit muss sie erfasst haben, nachdem Helen so schwer erkrankt war? Und dann auch noch Grenzen setzen? Regeln aufstellen und diese konsequent einhalten? Es fällt einem weichen Mutterherz ja bei einem gesunden Kind schon oft schwer, wirklich konsequent zu bleiben, wenn die großen Tränen tropfen. Wie schwer muss es erst bei Helen sein?

    Aber ohne Grenzen, ohne Selbstbeherrschung und vor allem ohne einer gewissen Frustrationstoleranz kann Helen keine Fortschritte machen. Lernen erfordert Anstrengung und unglaublich viel Motivation. Wenn sie bei jedem Fehler in Wut vergeht, bis sie völlig erschöpft ist, wird sie nicht weiterkommen.

    Vielleicht bedeutet "Trennung" auch nicht für längere Zeit, sondern für die Stunden des Lernens? Oder tageweise?

    Blöder Vergleich, ich bringe ihn trotzdem: Wenn ich mir vorstelle, dass bei so manch verzogenem Prinzen oder verzärtelten Prinzessin in der ersten Klasse die Eltern beständig daneben sitzen würden, dann würde ich schreiend davon laufen. Denn selbst gesunde Kinder können nur lernen, wenn sie ihre Grenzen und die Grenzen ihrer Mitmenschen erfahren und erkennen, dass sie und sie ganz allein für ihr Lernen verantwortlich sind. Kinder (alles gesunde Kinder), die in die Schule kommen und sich die Schuhe nicht zumachen können, die Jacke nicht schließen und sich (entschuldigung hatte ich im letzten Durchgang) sich den Popo noch nicht abwischen können, würden in all diesem Verhalten bleiben, säße die Mama daneben und würde ihnen alles abnehmen und erlauben.

    Versteht mich nicht falsch, ich will auf keinen Fall Kinder von Eltern trennen. Aber diese Stunden in der Schule, in denen von den Kinder plötzlich Selbstständigkeit verlangt wird, lässt sie wachsen. Dieser unbändige Stolz, was alles "alleine" klappt, lässt die Kinderseelen fliegen.

    Ich glaube, Helen benötigt ebenfalls diese Grenzen, um sich selbst finden zu können und um zu erkennen, was alles möglich sein kann.

    Wie die Welt von morgen aussehen wird, hängt in großem Maß von der Einbildungskraft jener ab, die gerade jetzt lesen lernen.
    - Astrid Lindgren -

  • Ich glaube das die Eltern einfach mit Helen überfordert waren und Mitleid mit ihr empfinden, was für Eltern normal ist. Aber dadurch dass sie ihr zu viel freiraum lassen und vielleicht eben zu viel Mitleid mit ihr haben können sie Helen nicht das geben was sie braucht. Ich hoffe es klingt jetzt nicht blöd oder anmaßend was ich sage, wenn doch könnt ihr mich gerne korrigieren. Aber es hilft keinem behinderten Kind sowie Helen alles zu erlauben. Man hilft ihr nicht dadurch, sie braucht eine liebevolle Führung und die hat sie in Annie als Lehrerin.