Als Dichter der " hohen Minne " und der hohen Politik ist Walther von der Vogelweide allgemein bekannt geworden, doch es gab auch einen anderen Walther:
Geboren wurde er um 1170 wahrscheinlich in Südtirol ( Vuglwidhof ) oder Kärnten, denn " Ze Osterriche lernt ich singen und sagen", die Herkunft liegt aber ebenso im Dunkeln, wie auch das ganze Leben des Dichters eigentlich aus Fragmenten besteht. Da ein hochmittelalterlicher Barde gezwungenermaßen auch immer ein "Hofsänger" war, gibt es nur Überreste von Schenkungen, Abrechnungen und sporadische Erwähnungen im Dienste eines hochadeligen Herren. Selbstgeschriebenes, Briefe oder Tagebücher fehlen fast ganz.
Gestorben ist Walther wohl in Würzburg um 1230, wo im Lusamgärtchen stilvoll in einem arkadenumahmten Kreuzgang des dreizehnten Jahrhunderts sein Grab gezeigt wird, ob das echte, ist zumal fraglich.
Auf die politische Dichtung Walthers wie auch seine Kreuzzugsdichtung sei hier nur verwiesen, er bezog Stellung, kritisierte vor allem gerne den jeweiligen Papst in Rom ( Vor allem Innozenz den III.) und griff aktiv mit seinen Liedern in den Konflikt der Staufer mit den Welfen und den Lombarden ein.
Hier galt: " Wes Brot ich ess, des Lied ich sing", es wahr überwiegend Lohndichtung im Wettstreit mit anderen Sängern um die Gunst der mächtigsten Herren, in Walthers Fall der Kaiser und Herzöge, zumindest Landgrafen.
Walther war ein Star seiner Zeit und lebte dennoch von der Hand, die ihn fütterte, manchmal verließ er auch einen Hof im Groll, wie in Thüringen, wenn die Gnadensonne nicht mehr schien.
Aber ich möchte hier einen anderen Walther vorstellen, den Dichter weltlicher Verse, die auch die weltliche Liebe mit einbezogen.
Unerhört damals, provokant und anmaßend!
Minnedichtung hatte " hehr" zu sein, unerreichbar, unkörperlich.
Walther von der Vogelweide flocht Elemente der Volksdichtungen, der Schäferspiele und Reigenlieder des Mittelalters in seine Lyrik ein:
"Unter den Linden
an der Heide,
da unser beider Bette was,
da mugd ihr vinden
schone beide
gebrochen Bluomen unde Graz
Vor dem Walde in einem Tal
tandaradei
schone sanc diu nahtegal.
Ich kam gegangen
Zuo der Ouve
do was min Friedel kommen e
da ward ich empfangen
here frouwe,
daz ich bin saelic iemer me "
Diese Dichtung der " niederen Minne " war zu Walthers Zeit bisher undenkbar gewesen, ein handfester Skandal. Der so gescholtene setzt sich zur Wehr:
" Sie verwizend mir daz ich
ze niedere wende minen Sang,
daz si niht versinnent sich
waz liebe si, des haben undanc!"
"Sie werfen mir vor, ich richte meinen Gesang
an Niedriggeborene,
das sie nicht begreifen,
was wirkliche Liebe ist.
Sollen sie verwünscht sein". ( Anm.d.Verf.)
Walther war nicht ausschließlich der Fürstenknecht und Lohnsänger, als der er heute gerne dargestellt wird.
Er war auch ein Vollblutdichter, der seine Sprache einsetzte um Türen zu öffnen, die seine Nachfolger und Zeitgenossen ( Tannhäuser, Hartmann von Aue, Wolfram von Eschenbach, Süsskind von Trimborn u.a.) durchschritten.
Er war ein angepasster Unangepasster, ein provokanter Sänger, an dem die Meinungen sich reiben konnten.
Vor allem war er ein Lyriker von hohen Gnaden, seine Liebeslieder waren von schlichter Schönheit und einfacher Wahrheit, klarer Sprache und ohne falschen Ton.
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Werke. Gesamtausgabe.
- Walther von der Vogelweide (Autor)
- Günther Schweikle (Übersetzer)
- Ricarda Bauschke-Hartung (Herausgeber)
Verlag: Reclam, Philipp, jun. GmbH, Verlag