Tove Ditlevsen - Abhängigkeit / Sucht / Gift

  • Klappentext/Verlagstext
    In „Abhängigkeit“ schreibt Tove Ditlevsen offen und absolut gegenwärtig über ihr Leben als Frau, Schriftstellerin und Mutter, über Liebe, Freundschaft und die Verlockungen der Sucht. Die Geschichte einer Befreiung, und das eindringliche Porträt einer Frau – verletzlich, souverän, eigenständig.


    Die Autorin
    Tove Ditlevsen (1917–1976), geboren in Kopenhagen, galt lange Zeit als Schriftstellerin, die nicht in die literarischen Kreise ihrer Zeit passte. Sie stammte aus der Arbeiterklasse und schrieb offen über die Höhen und Tiefen ihres Lebens. Heute gilt sie als eine der großen literarischen Stimmen Dänemarks und Vorläuferin von Autorinnen wie Annie Ernaux und Rachel Cusk. Die „Kopenhagen-Trilogie“ mit den drei Bänden „Kindheit“, „Jugend“ und „Abhängigkeit“ ist ihr zentrales Werk, in dem sie das Porträt einer Frau schafft, die entschieden darauf besteht, ihr Leben nach den eigenen Vorstellungen zu leben. Die „Kopenhagen-Trilogie“ wird derzeit in sechzehn Sprachen übersetzt.


    Die Trilogie
    1. Kindheit (1967)
    2. Jugend (1967 )
    3. Abhängigkeit (dänisch Gift 1971, dt. bereits erschienen als „Sucht“ suhrkamp, Übersetzerin Erna Plett, 1980 und 1994)


    Inhalt
    Mit Anfang 20 heiratet Tove Ditlevsen zunächst den 30 Jahre älteren Viggo Frederik Møller, der als Herausgeber einer Literaturzeitschrift ihre Texte veröffentlichte und für sie das Tor zur Welt der Literatur darstellte. Sie ging diese Ehe ihrer Mutter zuliebe ein, wie sie schreibt. Ditlevsen schließt drei weitere Ehen, aus denen jeweils ein Kind hervorgeht (*1943, 1945, 1954). Beginnend mit ihrem 1939 veröffentlichten Gedichtband und ihrem ersten Roman 1941 war sie als Autorin sehr erfolgreich. Aus heutiger Sicht frage ich mich, wie ihre Beziehungen, Schwangerschaften, zu stillenden Babys und gesundheitlichen Krisen mit ihrer Autorentätigkeit überhaupt zu vereinbaren waren. Obwohl Ditlevsen ihre Bücher erfolgreich verkaufen konnte, ließ sie sich von ihren Partnern als Frau und Autorin unqualifiziert herunterputzen. Eine Atempause bietet ihr erst der Umzug in ein Sommerhaus zusammen mit ihrer Freundin Ester und Baby Helle. In ihrer 3. Ehe mit dem Arzt Carl T. Ryberg verstrickt Ditlevsen sich in eine komplizierte Co-Abhängigkeit mit dem schwer wahnhaften Mann, der sie mit illegal beschafften Drogen gefügig macht. Das erwartete Glücksgefühl stellt sich jedoch nicht ein, der Flow durch stetes Schreiben lässt sich nicht durch Drogen simulieren. Ditlevsens Abstieg in die Sucht, den ihre kleine Tochter miterleben muss, wird von ihr schmerzhaft klar und nüchtern erzählt. Mit dem Wissen, wie sie als Arbeiterkind von klein auf, ohne Rollenvorbild um ihre Berufung als Autorin kämpfte, stellen sich mir die Ereignisse der ersten beiden Bände (die 2021 zum ersten Mal ins Deutsche übersetzt wurden) nach der Lektüre des Abschlussbandes in einem anderen Licht dar.


    Fazit

    Dieser dritte Band erschien in Deutschland 1980 und 1994 unter dem wenig sensibel gewählten Titel „Sucht“, das dänische „gift“ bedeutet verheiratet. „Abhängigkeit“ trifft die hoch komplizierten Männerbeziehungen Ditlevsens schon eher. 1980 war die Zeit zwar für Frauenthemen reif, aber vermutlich noch nicht für den kritischen Blick auf Co-Abhängigkeit und toxische Beziehungen.


    Gelesen habe ich meine unvergilbte 40 Jahre alte Suhrkamp-Ausgabe.


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    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Ravik Strubel - Blaue Frau

    :musik: -- Catton - Gestirne; Rehear


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Das Original

    Paperback, 179 pages
    Published 1971 by Gyldendal
    Original Title Gift. (Erindringer)

    9788702272550

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Ravik Strubel - Blaue Frau

    :musik: -- Catton - Gestirne; Rehear


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Squirrel

    Hat den Titel des Themas von „Tove Ditlevsen - Abhängigkeit / Gift“ zu „Tove Ditlevsen - Abhängigkeit / Sucht / Gift“ geändert.
  • Tove ist inzwischen eine junge Frau und endlich mit dem Verleger Viggo verheiratet. Doch schon kurz nach der Hochzeit beginnt die Unzufriedenheit. Es folgen weitere Ehen, Schwangerschaften, Geburten, aber auch Abtreibungen. In ihrer dritten Ehe, mit Carl Ryberg, wird Tove schließlich von Betäubungsmitteln abhängig und ihr Leben steuert nach und nach auf eine Katastrophe zu.

    Im dritten und finalen Band ihrer Trilogie erzählt Tove Ditlevsen sehr intensiv von ihrem Leben als (Ehe-)Frau, Mutter und Schriftstellerin. Den meisten Raum nimmt dabei wohl die Titel gebende Abhängigkeit ein, die jedoch auch sehr eng mit dem Thema Liebe verknüpft ist. Das besagt im Prinzip schon der Originaltitel „Gift“, was im Dänischen sowohl „Gift“ als auch „Ehe“ bedeuten kann. Toves Sucht und Carls ständiger Nachschub an Drogen scheinen zunächst die Beziehung der beiden zu intensivieren; sie werden unverzichtbar füreinander – darunter leidet jedoch gleichzeitig Toves Verhältnis zu ihrer kleinen Tochter und auch das Schreiben fällt ihr immer schwerer. Als Carls Sorge auf einmal zur psychotischen Obsession wird, begreift Tove, dass sich etwas ändern muss.

    Dieser Roman ist sicherlich der düsterste, aber auch ehrlichste Roman der Trilogie. Das mag aufgrund des Themas absolut verständlich sein, dennoch fehlte mir die lustige, sarkastische, etwas naive Erzählstimme der jungen Tove. Stattdessen finden wir eine Protagonistin vor, die ihr Kind (bzw. später mehrere Kinder) vernachlässigt, um sich dem Rausch und vielleicht hin und wieder dem Schreiben hinzugeben. Natürlich ist auch hier wieder die Gesellschaft eine wichtige Komponente in dieser Entwicklung, die Frauen nicht zugesteht, selbstbestimmt zu handeln und zu leben. Dennoch blieb mir Tove in diesem Band ungemein fremd und für manches konnte und wollte ich einfach kein Verständnis aufbringen.

    Die Art und Weise, zu erzählen, die Sprache, die Unmittelbarkeit – das alles ist weiterhin fabelhaft, keine Frage. Der Bezug zur Protagonistin ist mir jedoch leider verloren gegangen. :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: