Stainers 2. Fall
Abels Auferstehung, Historischer Kriminalroman von Thomas Ziebula, 460 Seiten, erschienen im Wunderlich-Verlag
Ein weiterer spannender und historisch korrekter Kriminalroman.
Nach dem Tod seiner Frau Edith fällt es Kriminalinspektor Stainer nicht leicht, seine Arbeit in der Wächterburg gewissenhaft zu erledigen. Noch hängt ihm die Kriegsneurose aus seinen Erlebnissen im großen Krieg in den Knochen. Alkohol und die daraus resultierenden Albträume lassen ihn nicht zur Ruhe finden. Ein neuer Fall beschäftigt die Leipziger Behörden, ein ermordeter Maler in einem Hotelzimmer, noch frisch die Wunden aus einer vorangegangenen Mensur. Wurde er, Mitglied einer jüdischen Studentenverbindung von radikalen Rechten ermordet und hat sein Tod eher etwas mit einer mysteriösen Leiche zu tun, die bei Basel aus dem Rhein gefischt wurde? Nicht nur Stainer und sein Kollege Junghans beginnen zu ermitteln, sondern auch die ehrgeizige Journalistin der Leipziger Volkszeitung, Marlene Wagner, die die Spur eines Zigarettenetuis verfolgt, das bei dem Toten aus dem Rhein gefunden wurde. Doch die Ermittlungen haben verhängnisvolle Folgen.
Das Buch ist in 3 Teile gegliedert, die sich in 46 Kapitel in idealer Leselänge aufteilen. Jedes Kapitel ist mit einer zum Inhalt hinweisenden Überschrift versehen. Dazwischen immer wieder kursiv, somit gut kenntlich gemacht, die Ansichten des Mörders. Schlagfertige Dialoge, in einem in die Zeit hervorragend passenden Jargon, beleben den Plot.
Dass „Roter Judas“ kein Zufallstreffer war, beweist der Autor mit dem 2. Fall des interessanten Kriminaler Stainer. Abels Auferstehung hat mir tatsächlich noch besser unterhalten als der Vorgängerband. Unmittelbar nach dem Ende des 1. Teils setzt vorliegender Fall ein. Sofort hat sich Lesefluss eingestellt. Mehrere Erzählstränge in auktorialer Erzählweise geben einen umfassenden Einblick in das Geschehen. Die Spannung steigt unaufhörlich, schon bei der Hälfte des Buches hatte ich eine Ahnung wer der Täter sein könnte, aber der Autor hat es geschafft mich bis zum letzten Kapitel hinzuhalten. Ungeahnte Wendungen und ein überraschendes Ende haben mich gepackt. Ziebula scheut sich nicht auch wichtige Figuren zu opfern.
Ich fühlte mich unbedingt in die Zeit der Weimarer Republik versetzt. Gaslaternen, Kanapee, Hüfthalter, Blitzlichtpulver und Fernsprecher ich mag diese Zeit und ihre Worte, so hat mir auch mein Urgroßvater oft von Schmissen, Mensuren und seiner schlagenden Verbindung aus seiner Studentenzeit erzählt. Die Sprache vermittelt Zeit- und Lokalkolorit und bezeugt eine hervorragende Recherchearbeit. Solche Sätze wie:“ Die Abenddämmerung verdüsterte längst beide Stromufer und verwandelte ihm die Felsen, die aus dem Wasserfall aufragten, in verkrüppelte und dem Abendhimmel drohende Titanenfäuste. (S.9), erzeugen bei mir sofort Bilder im Kopf. Chapeau!
Dieses Buch hat sich fast von selbst gelesen, der Fall ist gut aufgebaut, die Charaktere sind glaubhaft und authentisch. Sie agieren nachvollziehbar. So tiefgründig charakterisiert, dass ich auch hoffe einigen in weiteren Fällen bald wieder zu begegnen. Allen voran natürlich meine Lieblingsfigur – Paul Stainer- menschlich, ein hervorragender Kriminalist aber mit posttraumatischer Belastungsstörung und sehr sympathisch. Noch einmal hat er eine Chance sein Leben in den Griff zu bekommen, erhalten. Auch von Junghans und seiner zukünftigen Verlobten, habe ich gerne gelesen, ihre Mama, die Straßenbahnschaffnerin ist auch eine tolle Figur. Die Nachtclubbesitzerin Rosa, auch schon das zweite Mal im Umfeld Stainers mit von der Partie. Die toll beschriebenen Kollegen, Schilling, Kubitz, Dr. Prollmann, sie alle habe ich beim Lesen vor Augen. Auch auf ein Wiedersehen mit Heinze freu ich mich. Sogar die Titel die Ziebula seinen Krimis gibt, machen Sinn und ich finde sie faszinierend, wer die Bücher gelesen hat, weiß warum und ich bin schon neugierig wie Band 3 wohl heißen könnte.
Es gibt sicher noch viele Geschichten aus Leipzig in den 20er Jahren zu erzählen und hoffentlich etliche Fälle für die Kriminaler aus der Wächterburg zu lösen. Gerne sehe ich dabei Stainer und den Kollegen über die Schulter, für Stainer wünsche ich mir eine Frau an seiner Seite, ein paar Ideen hätte ich da schon. Eine Empfehlung an alle Leser die historische Kriminalromane mögen. Man könnte diesen Teil als Einzelband lesen, aber sich den ersten Fall entgehen zu lassen wäre schade.
Dafür volle Punktzahl 5 Sterne.