Tove Ditlevsen – Jugend / Ungdom

  • erscheint am 15.2.2021


    Verlagstext

    „Ein Mädchen kann nicht Dichterin“ werden, hatte der Vater zu ihr gesagt.

    In „Jugend“ zeichnet Tove Ditlevsen das Porträt einer jungen Frau im Kopenhagen der 1930er, die ihren eigenen Weg geht – kraftvoll, wild, lebendig erzählt.


    Die Autorin

    Tove Ditlevsen (1917–1976), geboren in Kopenhagen, galt lange Zeit als Schriftstellerin, die nicht in die literarischen Kreise ihrer Zeit passte. Sie stammte aus der Arbeiterklasse und schrieb offen über die Höhen und Tiefen ihres Lebens. Heute gilt sie als eine der großen literarischen Stimmen Dänemarks und Vorläuferin von Autorinnen wie Annie Ernaux und Rachel Cusk. Die „Kopenhagen-Trilogie“ mit den drei Bänden „Kindheit“, „Jugend“ und „Abhängigkeit“ ist ihr zentrales Werk, in dem sie das Porträt einer Frau schafft, die entschieden darauf besteht, ihr Leben nach den eigenen Vorstellungen zu leben. Die „Kopenhagen-Trilogie“ wird derzeit in sechzehn Sprachen übersetzt.


    Biografie bei Fembio


    Die Trilogie

    1. Kindheit (1967)

    2. Jugend (1967 )

    3. Abhängigkeit (dänisch Gift 1971, dt. „Sucht“ suhrkamp, Übersetzerin Erna Plett, 1994)


    Inhalt

    Die 1917 geborene Tove Ditlevsen wuchs mit der Forderung auf, dass Jungen später Ernährer einer Familie sein, Frauen heiraten und den Haushalt führen werden. Obwohl Tove eine sehr gute Schülerin war und sich wünschte, später einmal Dichterin von Beruf zu werden, konnten ihre Eltern sich nur schwer einen anderen Lebensweg für ihre Tochter vorstellen. Die Suche nach einer Arbeitsstelle wird für Tove zum Irrweg, weil sie keine Vorstellung davon hat, was sie – außer Dichten – interessiert und vor allem, mit welcher Arbeit sie ein unabhängiges Leben finanzieren will. Ihren Eltern ist der Widerspruch nicht bewusst, dass eine berufstätige Tochter für ihren eigenen Lebensunterhalt arbeitet und den Haushalt der Eltern nicht mehr unterstützen wird. Tove erledigt in einigen ihrer wechselnden Jobs Büroarbeiten. Ihr ist jedoch nicht klar, dass Stenografieren und Maschineschreiben messbare Leistungen sind und beruflicher Aufstieg durch Leistung möglich ist. Mit entsprechenden Zeugnissen könnte sie sich für interessantere, sicherere und besser bezahlte Stellen bewerben. Stets auf der Suche danach, ihre Gedichte zu veröffentlichen, lernt sie jedoch Mentoren kennen, die ihr einen kurzen Blick in ein völlig anderes Leben ermöglichen. Dass sie dabei das Idealbild eines wohlhabenden älteren Mäzens entwickelt, der sie berät und finanziert, kann sie nur ins Unglück führen …


    In schlichter Ichform erzählt Ditlevsen mit rund 50 Jahren während einer Entgiftungskur rückblickend von ihrer Kindheit und Jugend in der Arbeiterschicht. Deutlich wird in ihrer Biografie, dass die starren Rollenzuschreibungen der 30er und das Konzept der Versorgungsehe spätestens in Krisenzeiten unerfüllbar waren. Selbst die Arbeitslosigkeit ihres Vaters führt nicht zur Einsicht, dass ihre Eltern unerfüllbaren Idealen anhängen. Wie Jugendliche in einer Großstadt in den 30ern des vorigen Jahrhunderts so weltfremd aufwachsen konnten, finde ich aus heutiger Sicht schwer begreiflich. In Deutschland wurde zu jener Zeit in Arbeiterfamilien gepredigt: „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“, das hieß: halte durch bis zur Prüfung, zeig deiner Gnädigen/deinemChef/deinen Eltern, dass du es schaffst, spare für deine Träume. Danach fahr unsretwegen zur See, werde Opernsängerin; denn falls du scheiterst, hast du vorher etwas gelernt, das dich ernähren kann.


    Fazit

    Wegen Ditlevsens mangelnder Reflexion ihrer Ziellosigkeit hat mich der zweite Band der Kopenhagen-Trilogie weniger überzeugen können als der erste. Nachdem ich den dritten Band gelesen habe, ergibt im Gesamtbild ihre glücklose Suche ihre Brötchen zu verdienen jedoch wieder Sinn. Toves unentschlossenes Job-Hopping ohne zu wissen, was ein eigenständiges Leben rein finanziell kostet, lässt mich mit der Befürchtung zurück, dass es mit ihr kein gutes Ende nehmen kann.


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    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Naylor - Die Stimme der Kraken

    :musik: --


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Am 15. Februar ist mit „Jugend“ der zweite Band der Trilogie der dänischen Schriftstellerin Tove Ditlevsen auf Deutsch erschienen. Dieser knüpft direkt an die Handlung des ersten an und beginnt daher mit Toves erstem Arbeitstag. Es ist nicht zu viel verraten, wenn ich sage, dass dieser katastrophal verlaufen wird und die Stelle nur eine von vielen beruflichen Stationen auf Toves Weg sein wird. Und eigentlich will sie ja auch nur eines werden: Dichterin.

    Obwohl der Schreibstil der Autorin natürlich grundsätzlich derselbe geblieben ist, ist aus diesem Band deutlich mehr Schalk zwischen den Zeilen zu lesen. Das erscheint auch insofern konsequent, da unsere Protagonistin nun das Teenageralter erreicht hat und neben ersten Joberfahrungen auch welche mit Männern sammelt. Ihre Herangehensweise ist dabei eher eine praktische, als eine romantische – eine erfrischende Perspektive, die immer wieder zum Schmunzeln verleitet.

    So amüsant der Roman an vielen Stellen ist, so düster ist er an anderen. Politisch gesehen ist der Nationalsozialismus und die Machtergreifung Hitlers ein Thema. Durch die Begegnung mit ihrer fanatischen Vermieterin muss das junge Mädchen erkennen, dass politisches Desinteresse bzw. Naivität nicht bedeutet, dass diese keine Auswirkung auf das eigene Leben hat. Und auch im Privaten muss Tove immer wieder feststellen, dass ihre Rolle als Frau auf einige wenige Bereiche begrenzt ist. Gerade diese Erfahrung bringt sie schließlich auf die Idee, den wesentlich älteren Verleger Viggo Frederik Møller davon zu überzeugen, sie zu heiraten. Ob er zustimmen wird?

    Auch Band zwei liest sich wieder so unterhaltsam und mitreißend wie schon der erste, wenn auch der Ton oft ernsthafter wird. Stellenweise ist es sehr anrührend, die junge Tove durch ihre Gefühlswelt zu begleiten. Immer wieder verschwinden Menschen, die ihr eigentlich helfen sollten, aus ihrem Leben – was irgendwann unweigerlich zu Verlustängsten, aber auch einer gewissen Resignation führt. Ich bin gespannt, was wir mit unserer Protagonistin im dritten Band erleben werden. Der Titel „Abhängigkeit“ verheißt zumindest nichts Gutes. :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: