Franz Herre - Metternich

  • Zitat Klappentext :

    "....Was eine neue Ordnung bringen würde, war ungewiss, auf jeden Fall ein Rütteln an den bisherigen Besitzständen und Klassen. Das er (Metternich) von den plötzlich überall auflodernden demokratischen Bestrebungen überrollt wurde und immer weniger Bundesgenossen für seine Politik fand, machte ihn zunehmend starrer, verharrener, uneinsichtiger. Trotzdem konnte er das Auseinanderbrechen der alten Ordnung nicht aufhalten." (Zitat Ende)




    War er ein Friedenspolitiker? Im Nachhinein wohl schon. War er ein Pazifist? Wohl eher nicht. War er ein Wegbereiter Europas?

    Wenn, dann in einer hegemonialen, eher ordnungspolitischen, undemokratischen Sicht.

    Die Rede ist von Klemens Wenceslaus Nepomuk Lothar von Metternich ( 1773 - 1859), Graf von Winneburg zu Beilstein, dem Kanzler des Kaiserreichs Österreich in den bewegten Jahrzehnten der Französischen Revolution, der napoleonischen Kriege, der versuchten und gescheiterten Neuordnung Europas und des Aufkommens von Selbstbestimmungsbestreben und Nationalismus der Völker des Kaiserreichs.

    Der rheinische Adlige aus der Provinz, der sich anschickte am Tisch mit den mächtigsten Potentaten Europas zu sitzen und diese zu lenken nach seinen Vorgaben.


    M. brachte für diese Aufgabe brauchbare Voraussetzungen mit. Eine reichsfreiherrliche Geburt, eine solide humanistische Bildung und die geistige Beweglichkeit, sich mit allen Zeitströmungen vertraut zu machen, auch mit den Ideen der Revolution und den Schriften Dantons, Rousseaus oder Marats.

    Nichts aber lag diesem Ziehsohn des "Ancien Regime" ferner, als diese Ideen zu adaptieren.

    Sein Leben war durchzogen von einem Ordnungsgedanken, der sich politisch in der Institution des Status Quo erschöpfte, für weiterführende Modelle der europäischen Zukunft oder einer Neuordnung auf der Basis des Europas der Staaten fehlte ihm die Vision.

    Als zeitweilig in London lebender Schüler des diplomatischen Dienstes hatte M. die Perspektive des Empires kennengelernt, die europäische Dimension der Politik erschloss sich ihm als eine Bedeutung Österreichs als die unteilbare balancierende Macht unter den europäischen Grossmächten Frankreich, Russland, Preussen und England. Seine Angst war die schwindende Bedeutung des Kaiserreichs angesichts vor allem der Seemacht England. Jedes nationale Streben nach Unabhängigkeit und Autonomie im Reich erschien da als Sabotage und zerstörerische Kraft.


    Metternich war ein Diplomat und verstand sich zeitlebens so. Der Krieg war ihm Politik mit den schlechteren Mitteln, war gescheiterte Diplomatie und somit nur letzte Option. Diese Haltung entsprang aber nicht einem in der Ethik begründeten Pazifismus, sondern eher einem durchgängigen, eisernen Rationalismus der Staatspolitik.

    Die Erfolge Metternichs, in der Überwindung Bonapartes begründet, waren auf eine fatale Weise auch gleichzeitig die Wurzeln seines Scheiterns.

    Versteinert, starr, sich einer Welt gegenüber sehend, die sich unbarmherzig in eine Richtung entwickelt, der er nicht mehr zu folgen vermochte. Kein grandioses Scheitern, ein allmälicher und wenig geachteter Abschied in den Bedeutungsverlust, hier sehr ähnlich seinem kongenialen alten Gegner Talleyrand. Dies alles hat Herre richtig erkannt und setzt es nachvollziehbar um.

    Keine unbedingt wissenschaftliche, aber eine scharfsinnige und beachtenswerte Biografie,

    daher viereinhalb Sterne.


    Franz Herre, geb.1926 ist ein deutscher Historiker und Journalist. Herre war langjähriger Chefredakteur der Deutschen Welle. Er promovierte bei Franz Schnabel in München über die Zeit der

    Aufklärung und verfasste eine grosse Zahl von vielbeachteten Biografien über historische Persönlichkeiten.

  • Keine unbedingt wissenschaftliche, aber eine scharfsinnige und beachtenswerte Biografie,

    daher viereinhalb Sterne.

    Das klingt sehr interessant, danke für die Rezi :wink:

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier


  • Ich kann Dir Herre wirklich empfehlen. Er kann das, was den meisten wissenschaftlichen Biografen so schwer fällt : Erzählen!

    Wir hören doch alle lieber gute Geschichte(n)? Grüsse Dirk :)

    Keine unbedingt wissenschaftliche, aber eine scharfsinnige und beachtenswerte Biografie,

    daher viereinhalb Sterne.

    Das klingt sehr interessant, danke für die Rezi :wink:

  • Er kann das, was den meisten wissenschaftlichen Biografen so schwer fällt : Erzählen!

    Als Journalist ist Herre mir ein Begriff. Wenn er genauso gut schreibt, dann ist das wirklich schön zu wissen.

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier