Jan Seghers - Der Solist

  • Der Solist ist der erste Fall des Ermittlers Neuhaus von Jan Seghers. Die Reihe startete Januar 2021 im Rowohlt Verlag.


    Zum Autor (lt. Verlag):

    Jan Seghers alias Matthias Altenburg wurde 1958 geboren. Der Schriftsteller, Kritiker und Essayist lebt in Frankfurt am Main. Nach dem großen Erfolg von «Ein allzu schönes Mädchen» und «Die Braut im Schnee» folgte «Partitur des Todes», ausgezeichnet mit dem Offenbacher Literaturpreis sowie dem Burgdorfer Krimipreis. Danach erschienen «Die Akte Rosenherz» sowie «Die Sterntaler Verschwörung» und «Menschenfischer». Seine Romane wurden für das ZDF verfilmt und von über 30 Millionen Menschen gesehen.

    Sein neuer Kriminalroman, «Der Solist», ist der erste Fall des eigensinnigen Ermittlers Neuhaus.


    Zum Buch (lt. Verlag):

    Polizist wird man aus Überzeugung. Was, wenn es die falsche ist?

    September 2017. Der Frankfurter Ermittler Neuhaus stößt zur neu gegründeten Berliner «Sondereinheit Terrorabwehr», die in einer Baracke auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Tempelhof residiert. Die Bundestagswahlen stehen bevor, in der Hauptstadt hat sich die Gefährdungslage drastisch verschärft. Neuhaus ist ein erfahrener Ermittler, doch die Berliner Kollegen begegnen ihm mit Skepsis. Nur die junge Deutschtürkin Suna-Marie kooperiert mit ihm.

    Da erschüttert eine Serie von Morden die Hauptstadt. Das erste Opfer: ein jüdischer Aktivist, das zweite eine muslimische Anwältin, weitere folgen.

    Was verbindet die Fälle? Neuhaus, der Solist, macht sich auf die Suche. Und in dieser Stadt, in der einen überall die Vergangenheit anspringt und die Gegenwart bedrängt, kämpft er allein. Fast allein.


    Allgemeines:

    Band 1 der Neuhaus Reihe

    Erschienen am 26.01.2021 im Rowohlt Verlag als HC mit 240 Seiten

    Handlungsort/-zeit: Berlin, Deutschland 2017


    Mein Leseeindruck:

    Da ich das ebook gelesen habe, kann ich leider zur Haptik des Buches keine Auskunft geben. Das Cover wirkt auf mich, erst auf den zweiten oder dritten Blick interessant. Es erscheint mir etwas zu blass, so dass ich es in der Buchhandlung wohl nicht wahrgenommen hätte.

    Aber kommen wir zum Inhalt und damit zum ersten bzw. dem Einleitungssatz: "Wie in allen großen Städten kann man in Berlin einsam leben und einsam sterben." Ich muss sagen, dass mich der Prolog, der nicht als Prolog gekennzeichnet war, etwas irritiert hat. War das etwa die Sprache dieses Buches? Puh, dann würde es wohl etwas anstrengend werden.

    Zu Beginn des Hauptteils hatte ich den Eindruck, dass die Handlung irgendwo in USA wäre. Irgendwie hatte sie so gar nichts deutsches. Eigentlich schade! Aber bereits nach einigen Kapiteln hatte ich mich eingelesen.

    Der Hauptprotagonist, Neuhaus, ist ein Einzelgänger, daher auch der Bezug zum Buchtitel. Aber nicht nur er als Person ist ein Einzelgänger, sondern seine Position beim BKA nennt sich so. Er handelt alleine und eigenständig. Anfangs erfährt man auch nur sehr wenig über ihn. Er arbeitet bei der Sondereinheit für Terrorabwehr, kurz SETA und wird dort mit dem Fall Anis Amri konfrontiert. Wir erinnern uns, dass war die Person, die in Berlin einen LKW Fahrer erschossen hatte und anschließend mit diesem LKW in den Weihnachtsmarkt gefahren ist. Seitdem gibt es auch die Poller an den Einfahrten zu Strassenfesten, Wochenmärkte, Weihnachtsmärkten etc.

    Seine Kollegin unterstützt ihn, bleibt aber dennoch immer eher im Hintergrund. Ganz klar, dass der Fokus hier auf den Solisten gelenkt werden soll.

    Das Buch ist zwar als Roman ausgeschrieben, zeigt sich jedoch eher als Krimi, Thriller. Nicht zu vergessen, dass es auch die Person des islamistischen Attentäters, seine Verbindungen, sein Leben und auch sein Umfeld beleuchtet. Die einzelnen Szenen wurde sehr detailliert beschrieben, so dass ich mich schnell in die jeweilige Stimmung versetzen konnte.

    In den insgesamt zweiundzwanzig Kapiteln schwingt immer so eine leichte Bedrohung mit, die mich zeitweise irritiert hat. Oder ist es die eigene Angst vor einem neuen Terroranschlag, die einfach immer wieder herausgekitzelt wurde? Ich hatte beim Lesen nie das Gefühl frei zu sein, sondern eher unter einem gewissen Druck zu stehen. Der Druck mich mit dem islamischen Staat mehr auseinandersetzen zu müssen und auch der Druck, mich mit dieser ganzen Terrorgeschichte beschäftigen zu müssen. Beides hatte nicht unbedingt dazu geführt, dass ich mit viel Freude gelesen habe.


    Fazit:

    Bei diesem Roman sollte man wirklich offen und zugänglich bleiben. Es handelt sich nicht einfach eine Geschichte, die man mal eben so liest, sondern sie beinhaltet, Gewalt, Terror, Kritik an der Polizei und Erklärungen zum islamischen Staat. Es ist kein Roman, der einfach nur gut unterhält und vergnügliche Lesestunden beschert, nein, dieser Roman geht viel tiefer.

    Man sollte sich für diese Geschichte viel Zeit nehmen, denn sie wirkt nach!

    Ich bin zwar ein echter Serienjunkie, weiß aber nicht, ob ich eine Fortsetzung noch lesen möchte. Am Ende kommt zwar ein interessantes Detail zur Sprache, das definitiv neugierig macht, dennoch denke ich, dass mir die klassischen Krimis oder Thriller eher liegen. Aber die Meinung der Leser wird hier stark abweichen

  • Gigantisch gut

    Neuhaus, Ermittler beim BKA, wird für einen Sondereinsatz von Frankfurt nach Berlin geschickt. Die Kollegen von der Sondereinheit Terrorabwehr, kurz SETA, sind nicht gerade begeistert darüber, dass Neuhaus ihnen bei der Aufklärung des Mordes an dem jüdischen Aktivisten David Schuster quasi vor die Nase gesetzt wird. Nur die deutsch-türkische Kollegin Grabowski ist offen für eine Zusammenarbeit und lässt sich von Neuhaus’ kurz angebundener Art nicht abschrecken.


    Es wird davon ausgegangen, dass der Mörder aus islamistischen Kreisen stammt, da bei der Leiche ein Bekennerschreiben des „Kommando Anis Amri“ gefunden wurde. Neuhaus und Grabowski suchen daher zunächst im Dunstkreis um den Terroristen Anis Amri, der den Terroranschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz begangen hatte, nach dem Schuldigen. Dann wird eine zweite Person ermordet. Dieses Mal handelt es sich um eine bekannte muslimische Anwältin. Was verbindet die beiden Opfer?


    Die Geschichte spielt kurz vor der letzten Bundestagswahl 2017. Die Themen, die dieser Roman behandelt, sind so aktuell wie damals: Fremdenhass, islamistische Gewalt, Rechtsextremismus, auch in den Reihen der Polizei.


    Jan Seghers Schreibstil hat mir ausnehmend gut gefallen. Seine Sätze sind kurz und prägnant mit einer gehörigen Portion Wortwitz. Es war ein Vergnügen, diesen Roman zu lesen, zumal er auch durchgehend spannend und hervorragend recherchiert ist.



    Für mich war dies der erste Roman von Jan Seghers, aber mit Sicherheit nicht der letzte. Ich hoffe auf eine baldige Fortsetzung der Reihe um den eigenwilligen Ermittler Neuhaus. Möglicherweise wird ja auch Suna-Marie Grabowski darin wieder eine Rolle spielen?

    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

  • Ich halte Deine Einschätzung für wohl überlegt und sachlich. Diesen Roman werde ich wohl kaum lesen, aber über das Thema "Islamischer Fundamentalismus und Extremismus" habe ich selbst mit Kollegen wissenschaftlich veröffentlicht und weiss um die Komplexizität dieser Sache. Was ich da vom Inhalt her höre, klingt für mich erschreckend banal und phrasenhaft, eine grosse Gefahr bei der Romanverarbeitung solch differenzierungsbedürftiger Stoffe, wenn das Wissen nur oberflächlich ist.

    Um so verdienstvoller finde ich Deine nüchterne und ausgewogene Kritik. :)

  • Ein Politthriller der Spitzenklasse


    Buchmeinung zu Jan Seghers – Der Solist


    „Der Solist“ ist ein Kriminalroman von Jan Seghers, der 2021 bei Rowohlt Buchverlag erschienen ist.


    Zum Autor:
    Jan Seghers alias Matthias Altenburg wurde 1958 geboren. Der Schriftsteller, Kritiker und Essayist lebt in Frankfurt am Main. Nach dem großen Erfolg von «Ein allzu schönes Mädchen» und «Die Braut im Schnee» folgte «Die Partitur des Todes», ausgezeichnet mit dem Offenbacher Literaturpreis sowie dem Burgdorfer Krimipreis. Danach erschienen «Die Akte Rosenherz» sowie «Die Sterntaler Verschwörung» und «Menschenfischer». Seine Romane wurden für das ZDF verfilmt und von über 30 Millionen Menschen gesehen.


    Klappentext:
    September 2017. Der Frankfurter Ermittler Neuhaus stößt zur neu gegründeten Berliner «Sondereinheit Terrorabwehr», die in einer Baracke auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Tempelhof residiert. Die Bundestagswahlen stehen bevor, in der Hauptstadt hat sich die Gefährdungslage drastisch verschärft. Neuhaus ist ein erfahrener Ermittler, doch die Berliner Kollegen begegnen ihm mit Skepsis. Nur die junge Deutschtürkin Suna-Marie kooperiert mit ihm.
    Da erschüttert eine Serie von Morden die Hauptstadt. Das erste Opfer: ein jüdischer Aktivist, das zweite eine muslimische Anwältin, weitere folgen.
    Was verbindet die Fälle? Neuhaus, der Solist, macht sich auf die Suche. Und in dieser Stadt, in der einen überall die Vergangenheit anspringt und die Gegenwart bedrängt, kämpft er allein. Fast allein.


    Meine Meinung:
    Es hat ein wenig gedauert bis mich die Figur Neumann und seine Geschichte erreicht hat. Aber dann hat sie eine Faszination ausgestrahlt, wie ich es selten erlebt habe. Der Autor schildert die Geschichte aus der Sicht seiner Hauptfigur und macht dies in einer sehr sachlichen Sprache. Neumann kommt mit Gefühlen nicht so wirklich zurecht. Er ist auf der Suche nach Wahrheit und Gerechtigkeit. Er kennt keine Kompromisse und vertraut kaum jemanden. Etwas näher kommt ihm seine Berliner Kollegin Suna-Marie, die von allen Grabowski gerufen wird. Sie versorgt ihn mit vielen Informationen und doch ist ihr Verhältnis nicht ungetrübt, denn sie geniest in ihrer Umwelt nicht nur Ansehen sondern auch Vorteile. Das ist für Neumann nicht in Ordnung. Es gibt drei Terroropfer, von denen keiner ein Unschuldslamm gewesen ist. Als Neumann in Gefahr gerät raufen sich Grabowski und Neumann zusammen. Sie unterhalten Unterstützung von einem Spitzenhacker, den Neumann aus Wiesbaden kennt. Auch wenn die meisten Figuren nur kurz beschrieben werden, entsteht ein komplexes Bild mit vielen Grautönen. Bald muss Neumann feststellen, dass er es mit mächtigen Gegnern zu tun hat, die auch politische Ziele verfolgen. Der Autor zeichnet ein Bild von einer machthungrigen Gruppierung, die vor kaum etwas zurückschreckt. Es ist also vor allem auch ein politischer Roman. Besonders beklemmend wirkt die Schlusspointe, die zeigt, in wie viele Köpfe Fremdenfeindlichkeit tief eingedrungen ist.
    Der Autor stellt die politischen Aspekte eher als Nebenaspekte in seiner spannenden und fesselnden Kriminalerzählung dar. Gerade dies erhöht die Wirkung.


    Fazit:
    Für mich ist das Buch ein ausgezeichneter politischer Roman, der zudem in jeder Hinsicht sehr spannend ist. Gerne vergebe ich fünf von Fünf Sternen (100 von 100 Punkten) und spreche ein klare Leseempfehlung aus.

    :study: James Lee Burke - Die Tote im Eisblock


    :musik: Hanna von Feilitzsch - Bittersüße Mandeln

  • Krimis mit einfachen Schwarz -Weiß Bildern gibt es wie Sand am Meer und diese sind dann odt recht austauschbar. Im Falle des "Solisten" sieht dies anders aus, denn es werden Differenzierungen ersichtlich, die ich als recht interessant empfinde.

    Inhaltlich geht es um eine Reihe von Todesfällen, zu denen sich ein "Kommando Anis Amri" bekennt. Der Ermittler Neuhaus, der gerne allein arbeitet und deswegen der "Solist" genannt wird, soll die Berliner Polizei unterstützen und gerät dabei in ein Dickicht aus Intrigen und Lügen, die ihres gleichen suchen und am Ende bleibt nichts wie es war.
    Mit kritischen Blick zeigt der Autor Jan Seghers aus, welche rassistischen - rechtsaffinen Tendenzen bei der Polizei vorhanden sind, wie bewusst weggeschaut wird, damit Terroranschläge möglich werden und rechtsfaschistische Parteien weiteren Zulauf haben,

    Spannend fand ich auch die privaten Hintergründe des Ermittlers: Die Mutter war früher Sympathisantin der RAF und er ist nun Polizist.

    Gerne möchte ich noch mehr erfahren, mal sehen wann Band zwei erscheint.

  • Ein deutscher Harry Hole?


    Ein Sonderermittler ohne Vorname, skurrile Kollegen und ein reduzierter und gleichzeitig fantastischer Erzählstil machen Jan Seghers’ Roman zu einem speziellen Krimi. Neuhaus, so der Nachname, bekommt es mit extremistisch motivierten Taten in Berlin zu tun und geht alles auf die ihm eigene, verschlossene Art an: nicht umsonst nennen ihn viele nur den “Solisten”.


    Neuhaus ist wortkarg, analytisch, aufmerksam und irgendwie immer auf dem Sprung, nirgends zuhause. Zum Teil ist seine Vergangenheit dafür verantwortlich, doch allzu viel erfährt der Leser nicht. Aber das Ende könnte auf eine Fortsetzung mit Neuhaus hindeuten, wo es dann mehr Details zu seiner Vergangenheit gibt.


    Der etwas eigenbrötlerische Ermittler tritt bei seinem Kampf gegen das Verbrechen schon einmal anderen auf die Füße und ist sich nicht zu schade, sich auch mit der eigenen Behörde anzulegen wenn nötig. Festgefahrene Muster sind ihm zuwider, auch wenn er nach außen hin wenig dagegen tut. Er lebt nach seinen Maßstäben und fährt gut damit.


    Er ist weniger “Skandalnudel” und Actionheld als Harry Hole, aber es gibt Ähnlichkeiten. Durchaus vielversprechende.


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