Vorgestellt wird uns ein Herrscher:
Kaiser Karl V.,Habsburger,Spanier,Niederländer,und Regent der halben damals bekannten Welt.Er war ein Kaiser des Römischen Reiches Deutscher Nation,sprach niederländisch und französisch,ein halbwegs flüssiges Latein,perfekt muttersprachlich spanisch und fast kein Wort deutsch ausser immerhin:
"Niet,Niet Kopp ab",wenn es um drastische Strafen ging,wie im Fall des seltsamen deutschen Augustiners namens Bruder Martin überliefert ist.Ansonsten war er weniger zimperlich,wie uns die lex carolina überliefert.Das Deutsche Reich aber, mit seinen merkwürdig widerspenstigen Fürsten und Fürstchen blieb ihm zeitlebens fremd.
Karl war kein Deutscher,eher Spanier,auch Europäer auf eine hegemoniale Art,vor allem aber war er Habsburger.Das Dynastiedenken war ihm Natur,was gut war für das Haus,war immer auch heilsbringend für das Reich und die Christenheit,Karl dachte in diesem Sinne nie national,nie eng.Er war in seinem Selbstverständnis nicht nur Regent,er war auch Garant des rechten Glaubens und der katholischen Doktrin,den welschen,trickreichen Medici-und Borgiapäpsten in Rom traute er in keiner Hinsicht.Er war selbstverständlicher Herrscher und so nahm es nicht wunder,dass er die riesigen Neubesitzungen Spaniens in der neuen Welt nahtlos in sein Herrschaftsbild integrieren konnte.
Sei Reich,"in dem die Sonne nicht unterging",war patriarchalisch im wortursprünglichen Sinn.In der Zeit der Bedrohung der Christenheit durch die muslimischen Türken sah sich Karl als Garant einer Weltordnung,die christlich zu sein hatte,auch habsburgisch somit.
Es war keine Frage,das Deutsche Reich hatte auch in Zukunft habsburgisch regiert zu werden,und zwar durch Ferdinand,den Bruder und willigen Helfer des Kaisers,der Rest liess sich erheiraten oder erstreiten.
Der Part der Feinde,Verräter und unsicheren Kantonisten war klar ausgewiesen für den Sultan,den König von Frankreich,den Papst und das "perfide Albion" in Gestalt HeinrichsVIII. von England.
Karl regierte ein Weltreich und bezahlte dafür mit dem Preis des Friedens,den er keinen Tag seiner Regentschaft geniessen konnte,ähnlich den Herrschern früherer und späterer Weltreiche.
Er führte Krieg gegen die Mauren,die Seldschuken,die Türken,die muslimischen Piraten von Algier,gegen den Papst,den König von Frankreich und schlug Aufstände nieder in den Niederlanden,den überseeischen Gebieten,in Spanien und im Reich,wo die Anhänger dieses"seltsamen Augustinermönchleins" immer ungehorsamer und separatistischer wurden.
Und immer wieder Krieg gegen Frankreich,meist auf italienischem Boden,zu Lande,zu Wasser und in der Diplomatie um die wankelmütige Gunst des Papstes.
Ständig drohte dieses Riesenreich an den Rändern auszufransen und zu zerfallen.
Der schwer gichtkranke und angeschlagene Monarch musste ständig in Bewegung bleiben,von Schauplatz zu Schauplatz eilen,oft bis zur physischen Erschöpfung
Von Krankheit gezeichnet und ernüchtert vom Gefühl der Ergebnislosigkeit seines Schaffens,tat er etwas für Herrscher ungewöhnliches:
Er verzichtete frühzeitig auf den Thron zugunsten senes Sohnes Filipe und zog sich in ein abgelegenes Kloster in der spanischen Estremadura zurück,wo er bald darauf wie ein Mönch lebend starb.
Fazit:
Der Autor ist dicht an der Zeit des sechzehnten Jahrhunderts und umfassend informiert über die schwierigen territorialen und dynastischen Verwicklungen in Europa zur Zeit Karls des Fünften.
Vor allem die psychologische Komponente in der Rivalität Karls zu Franz I.von Frankreich beherrscht seine Analyse.Zurecht und nachvollziehbar,wie ich finde,denn hier liegt der Schlüssel zur Person Karls.
Der elegante,wortbewegliche,charmante wie skrupellose Renaissancefürst Franz und der sprachgehemmte und leicht sprachbehinderte und linkische Karl waren Rivalen in jeder Hinsicht,nicht nur auf die Macht.Das Erbe der Habsburger,die leichte Missbildung der Kiefer-Gaumen-Platte mit symtomatischem Unterbiss war bei Karl besonders ausgeprägt und liess ihn unbeholfen erscheinen.Und das in einer Zeit in der bei Hofe elegantes Auftreten,gutes Reden und Gewandheit als Zeichen fürstlicher Befähigung galt.
Ein umso verbissenerer Ehrgeiz musste dieses Handicap für den jungen,mit neunzehn Jahren auf den Thron gehobenen Karl ausgleichen und zog sich durch dessen ganzes Leben gleichsam als Menetekel.
Diesen grundlegenden Dualismus stellt der Autor gekonnt heraus und arbeitet mit einem tragbaren Fundament aus Wissen das Leben Karls anhand dessen wichtigsten Stationen ab.
Hierbei fällt allenfalls das Kapitel über die Jugend im flämischen Oudenarde und die Erziehung durch flämische und spanische Adlige etwas zu kursorisch aus,was wohl der Straffung des Buches geschuldet ist.
Es ist eine reife Biografie,die beste mir bekannte über Karl V.,die der vielschichtigen Persönlichkeit dieses schwer zugänglichen Menschen wohl am nächsten kommt.
Das Buch hat mir eine historische Figur näher gebracht,die mir immer schwer fassbar und beurteilbar war.
Die Sprache ist dicht und klar und der Text nicht halb so trocken,wie der Titel denken lässt.Das Leben dieses Kaisers würde erstklassigen Romanstoff ergeben,bis zu seinem Ende.
Ich kann dieses Buch bestens empfehlen und viereinhalb Sterne vergeben.