Hubert Achleitner - flüchtig

  • Kurzmeinung

    Lavendel
    Eine ungewöhnliche Geschichte, in ganz eigener Sprache und - natürlich - musikalisch angehaucht.
  • Klappentext


    „flüchtig“ ist der erste Roman aus der Feder von Hubert Achleitner, vielen besser bekannt als der Musiker Hubert von Goisern. Das Buch erscheint am 25. Mai 2020 bei Zsolnay.

    Maria ist verschwunden. Seit Monaten hat Herwig, mit dem sie seit fast dreißig Jahren verheiratet ist, nichts von ihr gehört. Dass sie ihren Job gekündigt und seinen Volvo mitgenommen hat, lässt zumindest hoffen, dass sie noch am Leben ist. Doch was ist passiert, mit ihrer Ehe, ihrer Liebe, ihrem gemeinsamen Leben?

    Hubert Achleitner schickt seine Protagonisten auf eine abenteuerliche Reise, die sie von den österreichischen Bergen quer durch Europa bis nach Griechenland führt. Und die für beide doch in erster Linie eine hochemotionale Reise in ihr Inneres bedeutet.

    Ein weiser und sehr musikalischer Roman über Liebe und Sehnsucht, das Schicksal und das flüchtige Glück … "Flüchtig wie die angezupften Töne der Bouzouki waren die Begegnungen mit diesen Menschen. Dennoch hinterließ jeder von ihnen eine Melodie in meinem Herzen, die weiterschwingt."



    Beobachtungen


    Da ist viel Musik drin. Und da ist viel Österreich drin. Wenn man das abzieht, hat man eine simple Geschichte vor sich, die schon x Male so ähnlich geschrieben worden ist. Nur eben noch nicht von einem bekannten österreichischen Volksmusiker. Da ist eine alternde Ehe, seit Jahren eine Josephsehe und es passt, dass die Frau darin Maria heißt. Nur ein Wunder passiert ihr nicht, das aber erlebt ihr Mann. Das Wunder ist jung und heißt Nora, die "Glänzende aus dem Norden", sie glänzt überirdisch in den Augen des Eheherrn von Maria, denn sie lässt ihn ordentlich ran. Ein wahrer Jungbrunnen für den Mann namens Wig, der über drei Jahrzehnte älter ist. Nora wird schwanger, Maria bekommt es zufällig mit, packt das Köfferchen ins Auto, kündigt ihren Brotjob, sackt alles Cash ein, das sie vom Konto kriegen kann, verwischt alle Spuren, und dann auf in die Selbsterfahrung. Richtung Süden, komisch, eigentlich sind ihre Wurzeln im Norden. Sie macht kurz mal ein bisschen Flower-Power mit, inzwischen eine jungen Seelenfreundin namens Lisa an der Hand (aber nicht intim), mit der dann weiter nach Griechenland zu den ultimativen Weisheiten und Erlebnissen. Die findet Maria am Berg Athos unter auch schon mal dramatischen Umständen, doch auch für ihr persönliches leibliches Wohl weiß sie zu sorgen.


    Ihr langjährig Angetrauter macht sich ebenfalls auf den Roadtrip mit dem Ziel Griechenland, um sie zu treffen. Nora, die ihm so nett zur Seite sprang, ist ja beschäftigt, sie hat seine Tochter im Bauch. Stattdessen nimmt Wig seinen Vater mit und auch die beiden erleben was und lassen sich viel erzählen. Doch Maria kriegen sie nicht zu fassen. Aber als Wig allein in seiner österreichischen Kurstadt zurückkommt, ist Hermes schon unterwegs, nur dass der antike Götterbote als Lisa eintritt, einen Brief von Maria in der Hand. In dem steht alles drin über Maria, was ihr in den letzen Zeiten wichtig war. Schließlich weiß man: sie will zurück. Und auf der letzen Seite des Romans ahnt man: Wig will auch zurück - zu ihr.



    Bewertung


    Ich habe den Roman geschenkt bekommen, die Lektüre meinte ich schuldig zu sein. Das Thema ist 2020 nicht sonderlich neu, die Erzählung müsste mir zeigen, was sie als ganz Eigenes beizutragen hat. Das tut sie nicht. Weder im schmalen Teil A - das ist das Kammerspiel mit dem Seitensprung, noch im breiteren Teil B - das sind die Reisen. Im Teil A lernen wir die Midlife-Crisis des Mittelstands kennen inklusive viel interessanterer Vorgeschichten, die aber nur angedeutet werden und die übliche Lösung per Affäre. Der aufstrebende Mittelstand in Gestalt von Nora scheint so werden zu wollen wie die Arrivierten, halt ein bisschen bigott auch sie; ihre Vorgeschichte hätte ich ebenfalls viel spannender gefunden als das Erzählte. Die Schilderung der Sex-Erlebnisse reißt mich nicht vom Hocker. Ich verstehe nicht, warum man so was wie Teil A unbedingt neu schreiben muss. Und nun Teil B. Marias Suche nach dem Selbstsein soll das sein, da muss man sich als Autor - zumal als Mann - heute aber verdammt anstrengen, um das glaubwürdig rüberzubringen. Die Anstrengung finde ich nicht wieder. Warum der Autor die griechischen Erlebnisse gerade dem Berg Athos verortet, kann mir der Text nicht erklären. Jedenfalls bringt das die Erzählung ab und an ziemlich ins Wanken und Schlingern, man sucht nach Glaubwürdigkeit oder Logik. In der Mitte steht die märchenhafte Errettung Marias durch einen Eremiten. Wenn es doch keine Märchen sein soll, dann hätte ich mir vorstellbare Emotionen gewünscht, kunstvoll verwoben mit dem Erzählstrang. Das ist Mühe und Arbeit, ich weiß. Reden wir nicht Klischees und Allgemeinplätze in der Textgestalt, auch nicht über missglückte Metaphern, obwohl das nicht für das Buch spricht. Mir gefällt die Figur von Wigs Vater. Weniger behagt mir, dass Nora als Gespielin und Gebärerin gebraucht wird, dann aber wird sie fallen gelassen. Mir sagen die musikalischen Anspielungen zu, obwohl ich nicht alle verstehe.

    Ich bin nicht der richtige Leser für dies Buch. Wenn man das Genre mag, kann man auch diesen Roman weglesen. Wer nicht gern liest aber wissen will, worum es geht, kann sich an die beiden Briefe halten, die Maria schreibt: an den kurzen Abschiedsbrief, vierseitig im Buch, und dann an ihren Erklärungsbrief, 22-seitig. Wem soll ich das Buch jetzt noch weiterschenken?