Über die Autorin
Tamsyn Muir (* 1985 in Howick, Neuseeland) wohnte lange Zeit in Wellington. Inzwischen lebt und arbeitet sie in Oxford, England. Für ihre Science-Fiction-, Fantasy- und Horror-Kurzgeschichten war sie bereits für den Nebula Award und den World Fantasy Award nominiert.
Über das Genre
Grundsätzlich ist der Roman ein Genre-Mix aus Science-Fiction, Fantasy und Horror. Als "Nekropunk" beworben kann ich das auch so unterschreiben. "Punk kann nicht toter sein" - es ist wahrlich ein Rebell der Phantastik und bietet darüber hinaus eine Welt, die eindeutig Science Fiction ist, mit einer saftigen Portion Fantasy. Wie schon Campanella im 17. Jahrhundert schrieb ist jedwege Technologie, die nicht verstanden wird erst mal Magie. Daher verwundert es nicht, in einer "jahrzehntausender" Geschichte des Buches einzutauchen und den Unterschied zwischen Magie und Technologie so verwischt vorzufinden, wie alte Aufzeichnungen sein können. Es ist eine feine Linie, die hier entlanggegangen wird - von Elektrizität, Raumfahrt und einem Warhammer40k angehauchten Militär, was das Buch eindeutig zu einem Science Fiction Roman macht. "Ich bin Gideon" beleuchtet besonders das Fantasy-Element in diesem Universum, wobei es nicht verpasst in der Mitte leicht in das kriminalistische Genre abzudriften, um Erklärungen zu liefern. Dabei wartet es zwischendruch auch mit Grusel- und Horrorelementen auf.
Über das Buch
"Ich bin Gideon" erzählt die Geschichte von Gideon Nav beginnend mit ihrem 87. Fluchtversuch vom düsteren Planeten des Neunten Hauses. Ihre Rebellion gegenüber den starren Regeln der Autoritäten drückt sich deutlich im Hass gegen ihre Hauptfeindin Nummer Eins, Harrowhark Nonagesimus, aus - und das aus guten Gründen. Nicht nur das Leben - ein einfaches, schrecklich monotones und düsteres - sondern auch die Umgangsformen mit ihr, der von Geburt an Ausgestoßenen, schürt ihren Unwillen und Feindschaft zu den Einwohnern und besonders den Herrschern des Planeten. Dementsprechend rebellisch, vulgär und schamlos ist Gideon auch in ihrer Wortwahl. Und das macht - zumindest mir - beim Lesen ziemlich viel Spaß. Ich kann durchaus verstehen, dass unzüchtige Beleidigungen und derbe Flüche nicht jedermanns Sache sind, aber sie würzen die Geschichte so geschickt wie das Salz in der Suppe.
Gideon Nav ist ein Gegenpol zu den fast schon aristokratischen Personen im Roman, was mich mehr und mehr beim Lesen faszinierte.
Von jahrzehntausendalten Gebäuden und Traditionen sind die Charaktere fast schon gefangen in ihrem Denken und Gebaren, so dass die Hauptprotagonistin "frischen Wind" nicht nur in das Korsett eines heruntergekommenen Herrenhauses sondern auch in das Oberstübchen mancher Personen bringt.
Über den Inhalt
Um es kurz zu halten: Gideon Nav wird zur Kavalierin der Nekromantin Harrowhark und begleitet sie auf Einladung des Göttlichen Nekromanten, König der Neun Erneuerungen, unser aller Wiedererwecker, der Oberste Nekrolord, auf den Planeten des Ersten Hauses Canaan, um die Lyctorenwürde zu erhalten.
Ein Lyktor ist ein unsterblicher Nekromant und fast schon rechte Hand des Imperators, dem gesegneten Menschen, der zum Gott wurde und nun als Oberster Nekrolord das Imperium leitet und führt.
Dieses Vorhaben birgt einige Gefahren und sowohl Harrow als auch Gideon müssen ans äußerste ihrer Kräfte gehen, um die Fallen und Intrigen zu begegnen und zu überwinden.
Fazit
"Ich bin Gideon" empfinde ich als sehr gelungenes Buch mit wohlgesetzten Höhepunkten und etwas krudem Humor.
Im ersten Viertel wird der Leser in das "knochentrockene" Universum eingeführt. (das Wortspiel konnte ich mir nicht verkneifen) Es ist es voll mit Zickenkrieg und Rebellion, aber dies ist wirklich der interessanteste (und mMn lustigste) Teil des Romans.
Die zwei nächsten Viertel beanspruchen kriminalistisches Denken und die konspirative Intrigen unter den neun Häusern, die sich nicht weiter trauen wie man sich gegenseitig werfen kann. Der Part ist mal mehr mal weniger spannend, kann sich aber gut über Wasser halten. Es hat abwechslungsreiche Pointen und unterhaltende Dialoge und Ansichten.
Das letzte Viertel ist die Auflösung und der Höhepunkt des ersten Buches. Hier dazu ein Wort zum Inhalt zu verlieren käme einem riesengroßem Spoiler gleich. Es gibt einen sehr leichten Cliffhanger zum nächsten Buch "Ich bin Harrow", aber ich muss das Buch für den gelungenen Kunstgriff des Schlusses loben.
Ich will damit sagen: Auf der einen Seite bietet es einen kraftvollen Schlusspunkt, mit dem der Leser zufrieden sein kann, auf der anderen Seite ist es eine gute Einleitung zum nächsten Buch, was die Neugier auf den weiteren Handlungsverlaufs steigert.
Daher vergebe ich volle fünf Sterne.
Geeignet für: Fantasy-Leser, Morbide-Geschichten-Möger, LGBTQ+ Buch-Sucher
Ungeeignet für: Strenggläubige Menschen