Christian Guay-Poliquin – Das Gewicht von Schnee / Le Poids de la neige

  • Klappentext/Verlagstext
    Nach einem schweren Autounfall ist ein junger Mann gezwungen, auszuharren: in einem Dorf, das durch einen landesweiten Stromausfall und unaufhörlich fallenden Schnee immer mehr von der Außenwelt abgeschnitten wird, und bei einem älteren, hier ebenfalls nur gestrandeten Mann. Der nimmt ihn bloß auf, weil die Dorfgemeinschaft ihm im Gegenzug die Versorgung mit Lebensmitteln verspricht sowie einen Platz im einzigen Bus, der im Frühjahr Richtung Stadt aufbrechen wird. Während das Dorf immer tiefer im Schnee versinkt, schwanken die beiden vom Zufall zusammengezwungenen Männer zwischen Mitleid und Misstrauen, Hilfsbereitschaft und Hass. Werden sie durchhalten bis es taut? Sprachlich präzise und lyrisch zugleich erzählt Christian Guay-Poliquin einen ungewöhnlichen Pageturner, dessen dramatische Intensität seinesgleichen sucht und der vielfach preisgekrönt wurde.


    Der Autor
    Christian Guay-Poliquin, geboren 1982 in Saint-Armand/Québec, studierte Literaturwissenschaften in Montréal und Reims/Frankreich. Zurzeit arbeitet er an seiner Doktorarbeit sowie an seinem nächsten Roman. Für Das Gewicht von Schnee wurde er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. dem Governor General's Award for Fiction, dem Prix France-Québec, dem Prix Ringuet de l'Académie des Lettres du Québec und in Frankreich u.a. mit dem Prix Libr'à Nous. Christian Guay-Poliquin lebt mit seiner Familie am Lake Champlain, direkt an der Québecschen Grenze zu den USA.


    Inhalt

    Die beiden Männer sitzen in ihrer Unterkunft fest, während es draußen seit Tagen schneit. Der namenlose Icherzähler wurde mit gebrochenen Beinen aus einem Autowrack gerettet, den älteren Matthias hat die Dorfgemeinschaft verpflichtet, den Verletzten zu pflegen – im Verandaanbau eines Hauses, der vermutlich nicht für die gewaltigen Schneemengen konstruiert wurde und nicht, um dauerhaft darin zu leben. Der Patient ist für den hier gestrandeten Matthias Klotz am Bein und Überlebenschance zugleich. Ein Stromausfall kurz zuvor führte zu einem postapokalyptischen Szenario, in dem noch immer Dorfbewohner vor dem Überlebenskampf fliehen, die dazu in der Lage sind, und in dem die Zurückbleibenden sich mit den Vorräten aus verlassenen Häusern durchschlagen. Bewaffnete Gruppen sollen unterwegs sein und auch hier, irgendwo im hohen Norden, wird der Besitz von Waffen und Munition über das Überleben entscheiden.


    Die Beine des Verletzten wurden geschient, seine Wunden genäht und die Tierärztin sieht regelmäßig nach ihm. Deutlich wird, dass die rund 10 verbleibenden Haushalte nur überleben werden, wenn sie sich gegenseitig unterstützen. Jemand muss auf die Jagd gehen, ein anderer Holz hacken – und der fiebernde Verletzte braucht immer noch Pflege und Medikamente. Jeder ist von den anderen abhängig und alle gemeinsam vom Wetter. Der Schnee wird bald die Dachtraufe erreichen … Lange spricht der Mann nicht mit Matthias, beobachtet den Alten nur. Ihre Notgemeinschaft ist ein einziges Belauern, Manipulieren und Taktieren. Matthias wirkt für sein Alter sehr agil, trainiert regelmäßig seine Muskeln; denn er will endlich weg aus dem Ort, in dem auch er gestrandet ist, und sich um seine Frau kümmern. Matthias putzt, repariert, bastelt ständig etwas; aber auch der Patient hat Fähigkeiten, die das Dorf zum Überleben braucht. Für den namenlosen Erzähler stellt sich die Frage, ob Matthias ihn zurücklassen wird, wer im Ort die Macht übernommen hat und was mit der Grippeepidemie im Land ist, von der er gehört hat.


    Fazit
    Christian Guay-Poliquin beschreibt zwei Gestrandete in einem beinahe dystopischen Szenario. Sein symbolstarker Text wirkte auf mich mehrdeutig und entwickelte von Beginn an in meiner Vorstellung ein Eigenleben. Durch die biblischen Namen der Figuren könnte der Text als Gleichnis angelegt sein, aber auch den nahenden Zusammenbruch der zivilen Gesellschaft in den Fokus rücken. Eine beeindruckende Wintergeschichte!


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    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Ravik Strubel - Blaue Frau

    :musik: -- Catton - Gestirne; Rehear


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Kanada im Winter: ein Dorf versinkt unter Schnee und Eis, alle Zufahrtswege sind dicht:
    Nach einem Autounfall muss ein Namenloser Erzähler versorgt werden. Gegen die Zusage der Dorfgemeinschaft, einen Platz im ersten Bus bekommt, der nach dem Schneechaos fahren soll, erklärt sich Matthias ein älterer Mann der eigentlich zu seiner Frau will, bereit ihn in einer abgelegenen Hütten zu pflegen. Die Situation ist brisant, denn die beiden sind aufeinander angewiesen und darauf dass mehrmals die Woche jemand aus dem Dorf kommt, Feuerholz und Essen bring. Mehr als einmal müssen sie die Suppe, strecken, das Kaffeepulver zweimal aufbrühen ,,,


    Draußen schneit es immer weiter. Die Höhe des Schnees wird jeweils als Titel der einzelnen Kapitel geschrieben. Die beiden Männer wären gern woanders, doch sie müssen sich und die Situation aushalten, mehrere Monate lang.


    Das war beim Lesen sehr beklemmend, denn man kennt ja die Bilder mit den Schneemassen aus Österreich, vor ein paar Jahren, wo die Dächer vom Schnee befreit werden mussten, damit diese nicht einbrachen und ich wartete darauf, dass das Dach einbräche.


    Dann fällt plötzlich noch der Strom aus und die Situation in der Hütte zwischen den beiden doch sehr unterschiedlichen Männern eskaliert und es kommt zu einem postapokalyptischen Szenario. Die Stimmung kippt und ihre Notgemeinschaft ist anschließend ein einziges Belauern, Manipulieren und Taktieren.


    Dieses Szenario kam nicht überraschend, sondern ein erwartetes Ereignis, was meiner Meinung nach, für die Spannung hätte viel früher auftreten können. Ab dem Zeitpunkt jedoch konnte ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Im letzten Drittel kommt es dann zu Handlungen, die mir doch etwas unglaubwürdig erschienen und es kam mir vor, als versuche der Autor auf verschiedene Art seinen intensiven Winterroman nun irgendwie zu einem stimmigen Ende zu bringen. Das ist ihm nur Semimäßig gelungen. Es kam mir sehr bemüht vor, dafür dass er vorher die Handlung doch sehr glaubhaft, der atmosphärisch, düster und energiegeladen geschrieben hat.