Charles Dickens - Harte Zeiten (ab 11.01.2021)

  • Erstes Buch

    Kapitel 11 und 12


    Ist die Baeuerin, die Stephen trifft, vielleicht die Mutter von Bradbury?

    Da sind wir uns wohl mittlerweile ja alle einig, diese ältere Frau wird noch eine interessante Rolle spielen. Entweder ist sie die Mutter oder Großmutter von ihm oder gar seine ehemalige Ehefrau (ich bin auf alles gewappnet :lol:). Wie sie auch vor dieser Fabrik steht, so voller inniger Bewunderung, vor dem was Bounderby geschaffen hat.


    Vielleicht wurde sie von ihm ausbezahlt und hat eine Art Kontaktverbot.

    Ich frage mich, woher Bounderby so genau Bescheid weiß über den Rechtsweg bei einer Scheidung? Ist er geschieden?

    Darüber habe ich mich auch gewundert und bin zur gleichen Überlegung gekommen.



    Muss nicht unbedingt sein! Solche gesellschaftlichen "Ereignisse" sprechen sich ganz schnell herum!

    Oder werden mit viel Geld vertuscht :-k



    Mich ineressiert noch, wenn seine Geschichte stimmt, woher kommt sein jetziger Reichtum? Auf ehrliche Weise geht das wohl nicht!

    An ehrlich und hart verdientes Geld glaube ich auch nicht.


    Das Gespräch zwischen den beiden hat mich sehr verwundert. Zum einen, dass Steffen dem Herrn Bounderby so vertrauensvoll all seine Sorgen offen darlegt (wer würde das schon bei seinem Chef tun?) und zum anderen, dass Bounderby so oft das "Heiligtum" der Ehe anspricht, was beinahe - moralisch anständig herüberkommt?

    Darüber war ich auch gestolpert, dass Steffen so ohne weiteres zu seinem Arbeitgeber gegangen war um Rat einzuholen und sogar noch problemlos eingelassen wurde.



    Ich kann mir nicht helfen, aber in dieser Szene fand ich Bounderby gar nicht mehr so abstoßend. Das was er sagte, hatte zumindest Hand und Fuß.

    Für mich war er da sehr selbstgefällig. Er verfügt über so viel Geld mehr als Steffen und könnte sich eine Scheidung locker leisten.


    Warum gibt er sich da so edel und verteidigt das Recht der Frau in der Ehe?

    Mir ist gerade ein Spruch eingefallen: Ein getroffener Hund bellt.

    Mich würde es immer noch nicht wundern, wenn er schon mal geschieden wurde oder unmittelbar bei einer Scheidung dabei war um dieses ganze Procedere so genau zu kennen.



    Frau Sparsit scheint auch sehr ärgerlich über Steffens Reden zu sein.

    Mir kam da moralisierend überheblich in den Sinn. Die beiden würden ein wunderbares Paar abgeben, wenn ich nicht eher auf Luise als zukünftige Frau an seiner Seite tippen würde.


    Ich fand es ja herrlich beschrieben wie Sparsit da gesessen hatte, den Fuß fest im Steigbügel der Wolle.


    Am Anfang hatte ich noch Mitleid mit Steffen, aber mittlerweile hat sich das gelegt. [-(

    Vielleicht jammert er ein Stückchen des Guten zu viel, aber mir tut er nach wie vor leid. Ich denke auch nicht, dass er am liebsten seine Frau persönlich den Hals umdrehen würde, mir kam da seine Rede eher ironisch vor. So als wüsste er einfach keinen weiteren Ausweg mehr, wie er ohne Probleme aus dieser nicht gerade sehr erfreulichen Ehe herauskommen könnte. Auf guten und in schlechten Zeiten heißt ja nicht, dass man mit Maus und Faden gemeinsam untergehen soll, wenn es gar kein Miteinander mehr gibt und möglich ist Was früher oder später mit einer Frau, die Gegenstände in Alkohol umsetzt, ohnehin unvermeidlich geschehen würde.


    Ich bin äußerst neugierig darauf, wie Dickens dieses Dilemma lösen wird.


    Mhm...ich finde, wenn man sich so verrennt wie Steffen, kann das schnell ungesund werden. Ein bisschen schwärmen, fantasieren...okay. Aber er denkt ja tatsächlich darüber nach seiner Ehefrau etwas anzutun, damit er dann eine neue Frau ehelichen kann.

    Nein, wie gesagt, für mich klingt es nicht so als wäre ihr Leben in Gefahr. Und ich kann ihn auch irgendwo verstehen, dass er sich in eine Frau wie Rahel verliebt hat und sich ein schöneres Leben vorstellt.

    Nimm dir Zeit für die Dinge, die dich glücklich machen.


    SuB-Leichen-Challenge 2024: Alle Bücher bis inkl. 2022 [-X

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  • Nein, wie gesagt, für mich klingt es nicht so als wäre ihr Leben in Gefahr.

    Da bin ich bei Eleonorah . Er ist extrem verzweifelt, steht förmlich mit dem Rücken an der Wand und Menschen in diesem Zustand sind zu allem fähig. Zumindest der Gedanke an

    eine solche Lösung des Problems könnte da auftauchen. Vom Gedanken zur Handlung ist

    kein so weiter Schritt.

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Robert Seethaler - Das Cafe ohne Namen

    :study: Matt Ruff - Bad Monkeys

  • Kapitel 11 + 12


    Da bin ich bei Eleonorah . Er ist extrem verzweifelt, steht förmlich mit dem Rücken an der Wand und Menschen in diesem Zustand sind zu allem fähig. Zumindest der Gedanke an

    eine solche Lösung des Problems könnte da auftauchen. Vom Gedanken zur Handlung ist

    kein so weiter Schritt.

    Da bleibt mir ja nur noch Hoffnung, dass er den Schritt vom Gedanken zur Tat doch hoffentlich nicht ausführt. :cry: Da blutet doch gerade mein Leserherzchen. Er darf gerne noch etwas jammern und weinen und für Rahel schwärmen, aber doch bitte nicht seine ungeliebte Frau um die Ecke bringen.

    Jetzt bin ich aber echt gespannt wie das weitergehen wird. Dieser Dickens entwickelt seine Sogwirkung :study:

    Nimm dir Zeit für die Dinge, die dich glücklich machen.


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  • Hab grad Mittagspause und hier mitgelesen. Ich hätte noch eine Spekulation zu Bounderby und seinem Wissen über das Scheidungsprozedere: was, wenn er sogar noch verheiratet ist, sich damals eine Scheidung nicht leisten konnte und nur deswegen so gut darüber Bescheid weiß :scratch: Wir wissen rein gar nicht drüber ihn

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier


  • n Kapitel 10? Mir ist nirgendwo (auch später nicht) ein Wort aufgefallen, dass ich mit Hokuspokus übersetzen würde. Aber in Kapitel 10 spricht Stephen mehrfach von "the muddle", bezogen auf seine Situation. Das heißt aber schlicht Unordnung, Durcheinander

    In Kapitel 10 und 11 spricht Stephen wiederholt von "Hokuspokus" und meint damit nicht nur seine schwierige Situation, sondern vor allem die Tatsache, dass es keine Lösung dafür gibt.

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • aber mir tut er nach wie vor leid. Ich denke auch nicht, dass er am liebsten seine Frau persönlich den Hals umdrehen würde, mir kam da seine Rede eher ironisch vor. So als wüsste er einfach keinen weiteren Ausweg mehr, wie er ohne Probleme aus dieser nicht gerade sehr erfreulichen Ehe herauskommen könnte.


    Das habe ich auch so aufgefasst. Es ist seine ironische und bittere Schlussfolgerung aus der Tatsache, dass die rechtlichen Mittel für ihn nicht in Frage kommen.

    Die heilige Ehe - die Scheidung/Auflösung einer Ehe

    Vielleicht habe ich Dich missverstanden, aber von Heiligkeit im Sinne von Unauflösbarkeit einer Ehe sehe ich hier nichts. Ganz im Gegenteil. Eine Scheidung ist ja möglich, das setzt Bounderby explizit auseinander, aber eben nur, wenn die entsprechenden Geldmittel da sind. Sein Gerede vom Eheversprechen halte ich für eine Besänftigungstaktik. Eine ehrliche moralische Argumentation nehme ich ihm nicht ab.


    Und genau darin liegt für mich Dickens' Kritik: die Scheinheiligkeit der Bourgeoisie. Eine(r) hats schon gesagt: Wasser predigen und Wein saufen.


    neugierig darauf, wie Dickens dieses Dilemma lösen wird.

    Im günstigsten Fall stirbt sie freiwillig an den Folgen ihres Alkoholismus - aber damit würde Dickens thematisch etwas aus der Hand geben, das wäre einfach zu elegant, also als Lektor würde ich ihm nicht dazu raten :)!

    Stephen verkörpert den Typus des Aufrechten, der unschuldig in Not gekommen ist, und da muss noch was Dramatisches her.


    was, wenn er sogar noch verheiratet ist, sich damals eine Scheidung nicht leisten konnte und nur deswegen so gut darüber Bescheid weiß

    Auch eine Idee! Dann sind wir ja schon zu dritt, die ihn verheiratet sehen!

    Aber - dann würde er ja zum Bigamisten, das wird ja immer doller...??

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  • In Kapitel 10 und 11 spricht Stephen wiederholt von "Hokuspokus" und meint damit nicht nur seine schwierige Situation, sondern vor allem die Tatsache, dass es keine Lösung dafür gibt.

    In meiner alten Insel Übersetzung spricht er dauernd von Wirrwarr und Durcheinander. Da

    taucht Hokuspokus gar nicht auf.


    Im günstigsten Fall stirbt sie freiwillig an den Folgen ihres Alkoholismus

    Schau an, es macht sich Zynismus breit........:loool:

    Aber du hast recht, das wäre so gar nicht nach Dickens Stil. Das wird sicher viel dramatischer.

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  • Im günstigsten Fall stirbt sie freiwillig an den Folgen ihres Alkoholismus

    Mhm...:-? Nimmt niemand Anteil an dem Schicksal seiner alkoholkranken Ehefrau? Wir wissen doch noch gar nicht, wie sie in diesen Sumpf hineingeraten ist und ob Steffens Geschichte auch wahr ist. Mir tut die Frau auf jeden Fall leid. Hat sie es verdient, dass ihr Ehemann darüber nachdenkt sie umzubringen, wo es ihr doch ohnehin so schlecht geht? Oder das man ihr wünscht, sie würde am Alkohol sterben? Ich finde nicht...:cry: Sie ist auch ein Opfer der Umstände.

    "Herr, in mir ist es finster, aber bei dir ist das Licht. Ich bin einsam, aber du verlässt mich nicht. Ich bin kleinmütig, aber bei dir ist Hilfe. Ich bin unruhig, aber bei dir ist der Friede. Ich verstehe deine Wege nicht, aber du weisst den Weg für mich." (Dietrich Bonhoeffer) :love:


    "Don't look to the left or the right, look up to the throne of God."


    :study: "Die Bibel - AT und NT" + Kommentare von William MacDonald (Langzeitprojekt) :flower:

    :study: "Das Geisterhaus - Isabell Allende" (Minileserunde)



  • n Kapitel 10? Mir ist nirgendwo (auch später nicht) ein Wort aufgefallen, dass ich mit Hokuspokus übersetzen würde. Aber in Kapitel 10 spricht Stephen mehrfach von "the muddle", bezogen auf seine Situation. Das heißt aber schlicht Unordnung, Durcheinander

    In Kapitel 10 und 11 spricht Stephen wiederholt von "Hokuspokus" und meint damit nicht nur seine schwierige Situation, sondern vor allem die Tatsache, dass es keine Lösung dafür gibt.

    Ich schau nachher nochmal nach. Jetzt braucht mein Hirn erstmal Pause nach der Telecom mit USA :compress:

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier


  • Nimmt niemand Anteil an dem Schicksal seiner alkoholkranken Ehefrau?

    Ich nicht. Das liegt zum Teil an meiner bisherigen Dickens-Erfahrung, dass er niemals etwas ohne Grund so aufbaut wie er es tut (ich denke, er hat hier ganz bewusst die Situation so gestaltet wie ist und Stephen als den unschuldig durch seine Frau in die Misere geratenen Arbeiter dargestellt, der doch einfach nur ein normales, arbeitsreiches Leben leben möchte), aber zu einem großen Teil an meiner ganz persönlichen Erfahrung mit genau dieser Situation in meiner Familie und Kindheit. Nein, ich hab kein Mitleid mit ihr. [-(

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier


  • Ich nicht. Das liegt zum Teil an meiner bisherigen Dickens-Erfahrung, dass er niemals etwas ohne Grund so aufbaut wie er es tut (ich denke, er hat hier ganz bewusst die Situation so gestaltet wie ist und Stephen als den unschuldig durch seine Frau in die Misere geratenen Arbeiter dargestellt, der doch einfach nur ein normales, arbeitsreiches Leben leben möchte), aber zu einem großen Teil an meiner ganz persönlichen Erfahrung mit genau dieser Situation in meiner Familie und Kindheit. Nein, ich hab kein Mitleid mit ihr.

    Okay. :) Tut mir leid, dass du derartiges erleben musstest. :friends:Bei mir ist es erstaunlicherweise wie bei dir. Ich hatte in der Kindheit ebenso Kontakt mit Alkoholmissbrauch in der Familie. Interessant, dass wir dennoch andere Reaktionen zeigen. Ich fühle mich dadurch dem Schicksal dieser Frau näher, du fühlst dich eher "abgestoßen(?)" - wenn ich das so formulieren darf? Danke, für deine Erläuterung. Ich habe einfach immer Mitleid mit den Menschen, die für die Gesellschaft ohnehin schon so unsichtbar sind. Und für mich ist es eine Krankheit, so dass ich nicht finde, dass man diese Menschen stigmatisieren sollte. Aber das ist eben nur meine bescheidene Meinung. :) Mit weiteren Romanen von Dickens habe ich keine Erfahrung. Dafür bin ich umso gespannter, wie er das ganze "aufdröselt".


    (Und bei meiner Ausgabe (Insel-Taschenbuchwird auch von "Durcheinander" geredet, "Hokuspokus" ist mir nicht untergekommen.:wink:)

    "Herr, in mir ist es finster, aber bei dir ist das Licht. Ich bin einsam, aber du verlässt mich nicht. Ich bin kleinmütig, aber bei dir ist Hilfe. Ich bin unruhig, aber bei dir ist der Friede. Ich verstehe deine Wege nicht, aber du weisst den Weg für mich." (Dietrich Bonhoeffer) :love:


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  • Kapitel 10 und 11

    So macht man auf heuchlerische Art Standesunterschiede klar.

    Bigotterie in Reinform.

    Null Empathie, unbrauchbare Ratschläge, Pharisäertum - eine böse Szene.

    Absolut und 100%ig :wuetend: Nein, ich mag ihn nicht und seine Mrs Sparsit in dieser Szene auch nicht. Ich mag sie nur, wenn sie Bounderby so gekonnt vorführt :twisted:

    Demgegenpber finde ich die moralischen Ansichten von Mrs. Sparsit.

    genauso verabscheuungswürdig wie Bounderbys Ansichten

    aber mir tut er nach wie vor leid. Ich denke auch nicht, dass er am liebsten seine Frau persönlich den Hals umdrehen würde, mir kam da seine Rede eher ironisch vor. So als wüsste er einfach keinen weiteren Ausweg mehr, wie er ohne Probleme aus dieser nicht gerade sehr erfreulichen Ehe herauskommen könnte. Auf guten und in schlechten Zeiten heißt ja nicht, dass man mit Maus und Faden gemeinsam untergehen soll, wenn es gar kein Miteinander mehr gibt und möglich ist Was früher oder später mit einer Frau, die Gegenstände in Alkohol umsetzt, ohnehin unvermeidlich geschehen würde.

    Ja, mir tut er auch noch immer leid. Und ich kann mir auch vorstellen, dass man dann manchmal Mordgelüste bekommt, noch dazu, wenn es absolut keinen Ausweg aus der Situation gibt. Aber ich halte Stephen für zu lieb und gut, um es dann wirklich zu tun.

    Schauen wir mal, ob Dickens mich bestätigt :wink:

    Und genau darin liegt für mich Dickens' Kritik: die Scheinheiligkeit der Bourgeoisie. Eine(r) hats schon gesagt: Wasser predigen und Wein saufen.

    Ich hab's gesagt und es trifft einfach drauf zu. Das ist ein schöner Ausdruck, den Du dafür gefunden hast :loool:

    Schau an, es macht sich Zynismus breit........ :loool:

    Aber du hast recht, das wäre so gar nicht nach Dickens Stil. Das wird sicher viel dramatischer.

    Und wie zynisch 8) Ich finde auch dieses Buch das zynischste, düsterste, böseste Buch, dass wir bisher überhaupt von Dickens gelesen haben. Wie seht Ihr das?

    Ich traue dem Kerl nicht.

    Das tun wir wohl alle nicht [-(

    Bei mir ist es erstaunlicherweise wie bei dir. Ich hatte in der Kindheit ebenso Kontakt mit Alkoholmissbrauch in der Familie. Interessant, dass wir dennoch andere Reaktionen zeigen. Ich fühle mich dadurch dem Schicksal dieser Frau näher, du fühlst dich eher "abgestoßen(?)" - wenn ich das so formulieren darf? Danke, für deine Erläuterung.

    Das darfst Du so formulieren.:friends: Das ist alles Jahrzehnte her (entgegen meinem Profil bin ich Jahrgang 63 :lol:) und ich nehm da nichts krumm oder persönlich und kann heute auch völlig offen damit umgehen und drüber reden. Abgestoßen trifft es irgendwie nicht ganz, aber es erregt bei mir definitiv kein Mitleid mehr. Ersetze Stephen durch meinen Vater und seine Frau durch meine Mutter (wenn auch nicht so physisch heruntergekommen), dann hast Du meine Familie - bis hin zum Verkaufen von Privatsachen andrer Menschen, um an Alkohol ranzukommen, und noch viel mehr. Da bleibt einfach kein Mitleid mehr übrig, auch wenn ich rational natürlich weiß, dass es eine Krankheit ist und die damaligen Lebensumstände nochmal anders gelagert waren als die meiner Familie. Aber es ist für mich keine Legitimation dafür, grenzenlos andere mit in den Abgrund zu reißen und ihnen das Leben zur Hölle zu machen - allerdings müssen die anderen die Grenzen auch setzen. Wären meine Erfahrungen nicht derart direkt und mich persönlich betreffend, würde ich evtl. heute etwas anders reagieren, aber ich hab auf die harte Tour lernen müssen, dass Mitleid nicht hilft, ganz im Gegenteil. :wink:

    viele Grüße vom Squirrel



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  • Zitat von Squirrel

    aber ich hab auf die harte Tour lernen müssen, dass Mitleid nicht hilft, ganz im Gegenteil.

    Und dem stimme ich dir zu. Der Alkoholkranke muss erst ganz, ganz unten sein, um evtl. gegen die Krankkheit zu gewinnen.

    Nun pflegt ja Rahel sogar der Frau Stephens. Sie war ihre Freundin. Also hat Stephens sich für die falsche Frau entschieden!

  • Aber es ist für mich keine Legitimation dafür, grenzenlos andere mit in den Abgrund zu reißen und ihnen das Leben zur Hölle zu machen - allerdings müssen die anderen die Grenzen auch setzen. Wären meine Erfahrungen nicht derart direkt und mich persönlich betreffend, würde ich evtl. heute etwas anders reagieren, aber ich hab auf die harte Tour lernen müssen, dass Mitleid nicht hilft, ganz im Gegenteil.

    Danke für deine so offenen Schilderungen. :friends:Eine Legtimation oder gar Freifahrtsschein ist es keinesfalls! Aber ich finde es sehr wichtig, dass du sagst, dass auch der "Gegenpart" Grenzen setzen muss. Und klar hilft allein Mitleid den Menschen nicht, die schon ganz tief im "Sumpf" drin sind. Vielleicht sollte ich es eher Anteilnahme nennen, jemand der vielleicht für einen da ist, bevor es derart ausufert. Ich erlebe oft, dass Menschen lieber wegschauen oder die Nase rümpfen, wenn ihnen jemand mit derartigen Problemen begegnet. Das finde ich einfach nicht gut. Vielleicht gibt es ja einen Kompromiss zwischen "auf die harte Tour lernen" und eine gewisse Anteilnahme durch die Mitmenschen. :) Denn manche überleben diese "harte Tour" leider nicht. :| Ich für meinen Teil durfte keinen Kontakt mehr zur Familie haben, aber ich gebe eher dem Alkohol an sich die Schuld und dem Verkauf dessen, als den Menschen, die diesem zum Opfer fallen.

    "Herr, in mir ist es finster, aber bei dir ist das Licht. Ich bin einsam, aber du verlässt mich nicht. Ich bin kleinmütig, aber bei dir ist Hilfe. Ich bin unruhig, aber bei dir ist der Friede. Ich verstehe deine Wege nicht, aber du weisst den Weg für mich." (Dietrich Bonhoeffer) :love:


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  • Oder das man ihr wünscht, sie würde am Alkohol sterben?

    Stopp. Also ich wünsche niemandem, an Alkohol zu sterben.

    Ich habe lediglich überlegt, wie Dickens bzw. der Erzähler seine Fäden weiterspinnt.

    Und da wäre das eine Option.

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Stopp. Also ich wünsche niemandem, an Alkohol zu sterben.

    Ich habe lediglich überlegt, wie Dickens bzw. der Erzähler seine Fäden weiterspinnt.

    Und da wäre das eine Option.

    Ja, ich weiß, dass es eher sarkastisch ausgedrückt war und sich auf Dickens Art zu "plotten" bezog. :friends: Aber es klang für mich trotzdem etwas hart. Ich weiß aber, was du meinst.

    "Herr, in mir ist es finster, aber bei dir ist das Licht. Ich bin einsam, aber du verlässt mich nicht. Ich bin kleinmütig, aber bei dir ist Hilfe. Ich bin unruhig, aber bei dir ist der Friede. Ich verstehe deine Wege nicht, aber du weisst den Weg für mich." (Dietrich Bonhoeffer) :love:


    "Don't look to the left or the right, look up to the throne of God."


    :study: "Die Bibel - AT und NT" + Kommentare von William MacDonald (Langzeitprojekt) :flower:

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  • Ich schau nachher nochmal nach.

    Danke! Ist aber nicht so wichtig, mir reicht der Hinweis auf das englische Original und ich mache mir keine Gedanken mehr über eine besondere Bedeutung von "Hokuspokus".


    aber ich hab auf die harte Tour lernen müssen, dass Mitleid nicht hilft, ganz im Gegenteil. :wink:

    Das ist wirklich eine harte Tour...:(:(:(

    Wir wissen doch noch gar nicht, wie sie in diesen Sumpf hineingeraten

    Ob wir dazu Näheres erfahren? Der Erzähler hatte vorher schon auf Alkoholmissbrauch hingewiesen und eine "Teegesellschaft" erwähnt - vielleicht bekommt sie ja die Kurve, wollen wir es hoffen.

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Und wie zynisch 8) Ich finde auch dieses Buch das zynischste, düsterste, böseste Buch, dass wir bisher überhaupt von Dickens gelesen haben. Wie seht Ihr das?

    Ja, das ist es. Mich erinnert dieser Roman in seiner bitterbösen Ausrichtung an die

    sogenannten dunklen Schriften des Mark Twain, die er in seinen späten Jahren

    verfasste.

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


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  • Ich finde da was Dickens schreibt echt teilweise schwer zu verstehen und diese Schachtelsätze.... :roll: Besser kann ich der wörtlichen Rede folgen.

    Das geht mir stellenweise auch so, vor allem, wenn es um die allgemeine Beschreibung der Umgebung, Stadt und Menschen geht. Da bin ich immer froh, dass sich das hier in der MLR dann immer ganz gut auflöst.

    Ich hoffe es schafft niemand ihr ihr liebes Wesen auszutreiben.

    Oh ja, das hoffe ich auch. Obwohl Cili ja einen sehr zarten Eindruck macht, abgesehen von ihrem festen Glauben an die Rückkehr ihres Vaters und ihren gesunden Lebensansichten. :lol:

    Das sieht dann beispielsweise so aus:

    "S-sähr erfreut, s-solche Reden z-zu hören, S-squire ..."

    Ist ja witzig, was es für Unterschiede in den Übersetzungen gibt.


    In meiner Ausgabe hört sich Mr. Sleary so an:

    Zitat

    Tleary, dat it mein Name, Tquire. Ich täme mich teiner nicht. It in ganz England bekannt und klingt überall tehr gut.


    Zu Kap. 11 & Kap. 12

    Stephen will Rat wegen seiner verzwickten Situation.

    Puh, ich weiß ja nicht, ob er da nicht schlecht beraten wurde. Ich kann verstehen, dass er als einzige Anlaufstelle seinen Arbeitgeber Bounderby kennt, aber ich bin da ganz skeptisch, ob er ihm jetzt wirklich die einzige Lösung genannt hat. :scratch: Und es war einfach grässlich, wie er ihm über den Mund fährt und wie anmaßend er es findet:wuetend:, dass Stephen das gleiche Recht möchte, wie die gehobenen Klassen.


    Darüber war ich auch gestolpert, dass Steffen so ohne weiteres zu seinem Arbeitgeber gegangen war um Rat einzuholen und sogar noch problemlos eingelassen wurde.

    Jaaaa, aber er wurde ja nur vorgelassen, weil er Bounderby noch niemals mit irgendwelchen Forderungen belästigt hat. :twisted:


    Ich hätte noch eine Spekulation zu Bounderby und seinem Wissen über das Scheidungsprozedere: was, wenn er sogar noch verheiratet ist, sich damals eine Scheidung nicht leisten konnte und nur deswegen so gut darüber Bescheid weiß

    Auch kein schlechter Gedanke. :idea::thumleft: Ich bin sehr gespannt, wie Dickens das auflösen wird.

    In Kapitel 10 und 11 spricht Stephen wiederholt von "Hokuspokus" und meint damit nicht nur seine schwierige Situation, sondern vor allem die Tatsache, dass es keine Lösung dafür gibt.

    Ich hatte das Hokuspokus teilweise als Resignation verstanden, dass die Welt der Schönen und Reichen auch nur voller Blender und Schnacker sind, die keine Lösung für seine Probleme haben. Wie ein Zaubertrick, eine Illusion, die für ihn geplatzt ist.


    Ist die Baeuerin, die Stephen trifft, vielleicht die Mutter von Bradbury?

    Diese Vermutung habe ich auch - so besorgt und stolz sie gleichermaßen auf den Fabrikanten klingt. Allerdings macht sie mit ihrer offenen Art und ihrem einfachen, aber gepflegten Äußeren einen ganz anderen Eindruck, als Bounderby sie immer beschreibt. :twisted:


    Das mit Rahel und ihm finde ich auch reichlich ominös. Vielleicht hat er sich da auch bloß ein Fantasiegebilde in den Kopf gesetzt?

    Ich fand die beiden eigentlich sehr angenehm zusammen und auf mich wirkte es eher so, dass sie sich eigentlich auch eine gemeinsame Zukunft mit Stephen vorstellen könnte, und nur wegen der Umstände in seinem Leben etwas zurückhaltend ist. Und weil sie selbst vom Wesen her bescheidener ist. Auf mich wirkten die beiden wie ein nicht mehr ganz so junges und über alle Maßen verknalltes Paar, die schon das ein oder andere im Leben einstecken mussten und den Wert des jeweils anderen erkannt haben. Also sehr respektvoll und auch voller Wärme füreinander. Rachaels Distanz würde ich auch eher ihrem Versuch, ihren guten Ruf zu wahren, zuschreiben.:-k

    Er steigert sich da richtiggehend aus einer Fantasie in eine Obsession

    hinein. In Kap. 13 wird es dann noch viel schlimmer..............

    Wobei, wenn ich diese Bemerkung zu Stephen lese, sollte ich mich wohl schnell mal an Kap. 13 ranmachen. :lechz:

    Und wie zynisch 8) Ich finde auch dieses Buch das zynischste, düsterste, böseste Buch, dass wir bisher überhaupt von Dickens gelesen haben. Wie seht Ihr das?

    Ja, das ist es. Mich erinnert dieser Roman in seiner bitterbösen Ausrichtung an die

    sogenannten dunklen Schriften des Mark Twain, die er in seinen späten Jahren

    verfasste.

    Wobei ich "Eine Geschichte von zwei Städten" auch schon ziemlich düster fand. :scratch: Und "David Copperfield" war auch kein "Sonntagsspaziergang". Dickens zeigt die Zustände seiner Zeit sehr gut auf, egal ob sie schön sind oder nicht.

    Liebe Grüße,
    Tine


    :study: Ken Follett - Die Waffen des Lichts

    :study: Taylor Jenkins Reid - Daisy Jones & The Six

  • Kapitel 10 bis 12

    Stephen beschäftigt uns ja ganz schön :loool:


    Aber ich finde es sehr wichtig, dass du sagst, dass auch der "Gegenpart" Grenzen setzen muss.

    Ja muss er/sie, wer auch immer. Und um zur Geschichte zurückzukommen: das tut Stephen anscheinend nicht. Wir wissen zwar nicht seine ganze Geschichte (aber ich denke, wir werden noch mehr über ihn, seine Ehe und v.a. seine Beziehung zu Rachael erfahren), aber ich habe das Gefühl, dass er das nicht kann. Vermutlich kann er das auch aus gesellschaftlichen Gründen nicht und weil er ja nicht mal eine richtige Wohnung hat, aber er kann es auch aus charakterlichen Gründen nicht. Und jetzt, wo er so weit wäre, muss er erfahren, dass es keine rechtliche Möglichkeit für ihn gibt, aus dieser verfahrenen Ehe herauszukommen.


    Danke! Ist aber nicht so wichtig, mir reicht der Hinweis auf das englische Original und ich mache mir keine Gedanken mehr über eine besondere Bedeutung von "Hokuspokus".

    Es bleibt auch weiter, wie taliesin ja auch schon geschrieben hat, lediglich bei dem Begriff "muddle" im Original.

    die sogenannten dunklen Schriften des Mark Twain, die er in seinen späten Jahren

    verfasste.

    Oh, die nächste Lese-Baustelle auf meiner Liste :ergeben: Ich hab noch kein Buch von Mark Twain gelesen, muss ich gestehen.

    aber ich bin da ganz skeptisch, ob er ihm jetzt wirklich die einzige Lösung genannt hat.

    Ich denke schon. :-k Mein Wissen baut jetzt zwar echt nur auf Dickens auf, aber in "David Copperfield" werden die House of Commons ja erwähnt bzgl. der Heiratslizenz.

    Auf mich wirkten die beiden wie ein nicht mehr ganz so junges und über alle Maßen verknalltes Paar, die schon das ein oder andere im Leben einstecken mussten und den Wert des jeweils anderen erkannt haben. Also sehr respektvoll und auch voller Wärme füreinander. Rachaels Distanz würde ich auch eher ihrem Versuch, ihren guten Ruf zu wahren, zuschreiben. :-k

    Da hast Du perfekt mein Gefühl bzgl. der beiden beschrieben. Irgendwer hatte vorher geschrieben "da hat er wohl die falsche geheiratet", und so scheint es mir auch.

    Wobei ich "Eine Geschichte von zwei Städten" auch schon ziemlich düster fand. :scratch: Und "David Copperfield" war auch kein "Sonntagsspaziergang". Dickens zeigt die Zustände seiner Zeit sehr gut auf, egal ob sie schön sind oder nicht.

    Ich hab jetzt echt mal nachgeschaut wann welches Buch erschienen ist. Aus dem Bauch heraus - einfach weil es mir als das düsterste Buch erscheint - hätte ich geschworen, Hard Times müsse nach allen anderen erschienen sein, die wir gelesen haben. Tatsächlich aber liegt es genau in der Mitte: die Pickwickier, David Copperfield und Bleak House erschienen davor und Great Expectations und Tale of Two Cities nach Hard Times. Das hat mich jetzt echt überrascht.


    Noch etwas anderes: letzte Woche ist mir schon aufgefallen, dass einer von Euch die Feenpaläste erwähnte. Da dachte ich noch, es wäre irgendetwas Traumähnliches oder mit Bezug zu Sissy. Aber Dickens nennt ja die Fabriken Feenpaläste. Warum wohl tut er das? Mir fällt grad nichts dazu ein. :scratch:

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier