Christopher Clark-Von Zeit und Macht / Time and Power

  • Zitat Klappentext:


    "Wie die Schwerkraft das Licht ,so beugt die Macht die Zeit.Dieses Buch zeigt,was geschieht,wenn zeitliches Bewusstsein durch die Linse der Macht betrachtet wird.Er befasst sich mit den Formen der Geschichtlichkeit,welche die Machthaber sich aneignen und ihrerseits artikulieren.

    (...)Ich benutze den Ausdruck der "Historizität"um eine Reihe von Annahmen zum Verhältnis von Vergangenheit,Gegenwart und Zukunft untereinander zu bezeichnen.

    Welche Formen sie auch annehmen,die für Kulturen oder Herrschaftsformen charakteristischen Geschichtlichkeiten werden durch die Konstitution temporaler Modalitäten und die Selektion dessen,was in ihnen relevant ist,bestimmt."(Zitat Ende)

    Der Verfasser spricht in seiner Arbeit von "Zeitlandschaften" und Zeitgefühl,welche dafür sorgen,bestimmte Ereignisse in der Vergangenheit als dem eigenen Standort besonders nah oder besonders fern zu empfinden.

    Clark führt als Beispiele für seine Überlegungen an: Den Grossen Kurfürsten von Brandenburg,Friedrich den II.von Preussen,Bismarck und letztlich den Nationalsozialismus.

    Die Zeitlichkeit der einzelnen Protagonisten hing somit immer ab von der Einschätzung der eigenen Macht,des Gedankens der Eingebundenheit in die Vergangenheit und der Einschätzung der Zeitgenossen und Nachfahren.

    Zeitlichkeit ist also nie ein abgeschlossener Vorgang,sondern ständiger Veränderung,Verfälschung und Moden unterworfen.

    Clark wirft somit auch einen kritischen Blick auf unser eigenes Geschichtsbild und auf jenes ,dass wir unseren Nachkommen weitervermitteln.


    Kritik:

    Clark ist zweifellos einer der wichtigsten Historiker unserer Zeit.Das sich der Cambridgeprofessor ausgerechnet auf die Geschichte Preussens spezialisiert hat,halte ich,die deutsche Geschichtsforschung betreffend ,für einen Glücksfall.

    Das vorliegende Buch beschäftigt sich mit dem Phänomen der Zeit in der Geschichtsbetrachtung,und zwar bei den jeweiligen Inhabern der Macht selbst.

    Strebte die preussische Administration des grossen Kurfürsten etwa noch ständig in die Zukunft,um das Kurfürstentum abzuschütteln und das angestrebte Königtum zu legitimieren,befand sich der Staat Friedrichs II. eher in einem Zustand der Stasis,das Königtum zu bewahren,ebenso wie Bismarck seine politische Gewichtung in der Bewahrung des Staates sah.Zur Untermauerung dieser Politik zogen diese Mächtigen dann die verschiedensten Beispiele und Fundamente aus der Vergangenheit herbei,um sich zu legitimieren.So war den einen die römische Antike scheinbar näher als etwa das Mittelalter,andere bevorzugten Legitimationshilfen aus der näheren Vergangenheit.

    Die Nationalsozialisten gebärdeten sich zunächst wie eine fundamentalistische Bewegung.Vom "Germanentum" bis zum Mittelalter sollte alles als historischer Bezugspunkt dienen,je nach dem welches Publikum man gerade beeindrucken wollte.Das sollte verdecken,dass die Nationalsozialisten im Grunde überhaupt keine Fundamente in der Historie besassen, sondern sich anderenorts als die Vertreter der"Neuen Zeit" verkauften.

    Wie ist das mit unserer eigenen Geschichtlichkeit ?

    Wieso ist uns die Zeit der beiden Weltkriege oft historisch näher,als etwa der Balkankonflikt der neunziger Jahre oder die Nahostkriege?

    Wie gewichten wir Historie und Zeit?

    Clark bedient sich einer klaren Sprache,schnörkellos und präzise.Jedoch spart er nicht völlig mit Fachtermini und anspruchsvoller Begrifflichkeit.Das sollte aber Niemanden abschrecken,dieses enorm wichtige Buch in Angriff zu nehmen,auch wenn es nicht immer leicht zu handhaben ist.

    Die Kernaussagen sind allgemein verständlich.

    Eigentlich jetzt schon ein Klassiker,den alle,die sich mit der Geschichtsschreibung befassen ,kennen sollten.

    Es ist Clarks Verdienst,hier etwas verfasst zu haben,das,um es mit Martin Walser zu sagen :"Eben so noch keiner gesagt hat."

    Ein grossartiges Buch!

    Für mich fünf Sterne H.:idea::idea::idea::idea::idea:

  • Ich muss ja zugeben, dass ich Christopher Clark bisher nur aus den Terra X Reportagen kenne, die mir sehr gut gefallen haben. Dass er auch Bücher geschrieben hat, ist bisher komplett an mir vorbeigegangen :uups:. Deine Rezi hat das geändert und mich sehr neugierig gemacht. Muss mich jetzt nur noch entscheiden, welches seiner Bücher ich mir als erstes zulegen werde.

    Gelesen in 2024: 9 - Gehört in 2024: 6 - SUB: 626


    "Wenn der Schnee fällt und die weißen Winde wehen, stirbt der einsame Wolf, doch das Rudel überlebt." Ned Stark

  • Schau doch mal in "Die Schlafwandler"rein.Das Buch behandelt das völlige Versagen der Politik sämtlicher europäischen Mächte und ihrer Repräsentanten und wie es zum ersten Weltkrieg kommen musste.

    Es zeigt ,wie ich finde gut Clarks besonderen Stil ,Dinge,von denen wir dachten wir wüssten das Meiste schon,noch einmal neu und interessant anzufassen.

    Viel Spass dabei wünscht Dir H:study:

  • K.-G. Beck-Ewe

    Hat den Titel des Themas von „Christopher Clark-Von Zeit und Macht“ zu „Christopher Clark-Von Zeit und Macht / Time and Power“ geändert.