John Katzenbach - Das Tribunal / Hart's War

  • Inhalt:


    Zweiter Weltkrieg, 1942: Der junge amerikanische Leutnant Thomas Hart wird mit seinem Flugzeug über Sizilien abgeschossen. Als Einziger überlebt er den Absturz und kommt in ein deutsches Kriegsgefangenenlager in Bayern. Als dort ein Mitgefangener ermordet wird, fällt der Verdacht auf den schwarzen Piloten Lincoln Scott. Hart, der vor seiner Einberufung Jura studiert hat, wird von einem Kriegsgericht im Lager zu dessen Verteidiger ernannt. Nun muss er sich nicht nur gegen seine Nazi-Bewacher behaupten, sondern auch gegen die weißen Rassisten in der eigenen Truppe zur Wehr setzen ...


    Quelle: Amazon


    Meine Meinung:


    John Katzenbach war mir ein Begriff, aus der Zeit, als ich viele Krimis gelesen habe.

    Ich habe ihn als routinierten Autor spannender Geschichten in Erinnerung behalten und ging deshalb auch sehr positiv an diesen Roman heran.

    Zunächst wurde ich allerdings enttäuscht, denn Katzenbach braucht extrem lange, um seine Figuren in Stellung zu bringen, nachdem die spannende Grundprämisse umrissen wurde.

    Normalerweise habe ich nichts gegen das ausführliche Beleuchten von Charakteren, ganz im Gegenteil. Je mehr ich über eine Figur weiß, desto besser kann ich mich in ihre Situation hineinversetzen, mit ihr lieben, leiden und mitfiebern.

    Genau hier fangen die Probleme allerdings an, denn ausnahmslos alle Figuren der Handlung sind austauschbar und dienen dem Autor lediglich als Vehikel, um seinen Plot voranzutreiben.

    Ich habe in letzter Zeit selten ein Buch gelesen, bei dem das Konstrukt derart offensichtlich gewesen ist. Kein Charakter war mir besonders sympathisch, was umso tragischer ist, weil die Antagonisten nun mal Nazis sind. Und selbst diese fand ich vollkommen platt, sie dienten einfach nur als Abziehbild Bösewichte, mit Ausnahme des Wachmannes Fritz Eins vielleicht.

    Katzenbach konstruiert hier ein sehr reizvolles Szenario, vergisst aber leider seinen Figuren Tiefe zu verleihen und scheitert daran, Fäden seines Plots zu verstecken. So mäandert die Geschichte dann fast 200 Seiten um klischeehafte Figuren, denen es schlichtweg an Glaubwürdigkeit mangelt.

    Ich war mehrmals kurz vor dem Abbruch, von dem mich nur die gute Story abgehalten hat, die zwischendurch immer mal wieder aufblitzt. Dabei hatte ich ständig das Gefühl von "Jetzt geht's los mit der Geschichte", nur um dann wieder seitenweise mit langweiligen Anekdoten gefüttert zu werden, die nichts zum Plot beitragen.


    Manche prominente Figur ist dabei auch schlichtweg überflüssig, was mir am deutlichsten bei dem Kanadier Hugh aufgefallen ist, der Lieutenant Hart als Ermittler zur Seite steht.

    Bei Lesen dachte ich die ganze Zeit, dass dieser Hugh garantiert noch irgendeine wichtige Funktion erfüllt, aber ich sollte mich täuschen.

    Der ist einfach nur "da" und behält diese leidige Rolle dann auch bis zum Ende bei.

    Die interessanteste Figur ist, neben Fritz Eins - der einzige Nazi der aus dem Schwarz/Weiß Schema ausbricht - der britische Staranwalt Pryce, den Katzenbach dann leider auch noch recht früh aus seiner Erzählung entfernt.

    Zusammenfassend würde ich sagen: Die ersten zweihundert Seiten hätte man locker auf fünfzig Seiten eindampfen können und es wäre ein besserer Roman geworden.

    Was ich dem Autor allerdings wirklich übel nehme, ist die klischeehafte Darstellung des schwarzen Lieutenant Scott. Wenn ich schon eine Geschichte über Rassismus erzähle, dann aber bitte ohne Klischees. Ich konnte diesen (selbstverständlich) gebildeten, aber dauernd wütenden und sich stets im "Opfersein" suhlenden Lieutenant Scott kaum ertragen.

    Mit dieser Romanfigur konterkariert Katzenbach nämlich, aus meiner Sicht, sein eigentliches Anliegen und ich finde es ganz furchtbar, Dinge wie "suhlen im Opfersein" schreiben zu müssen.

    Mein Dad ist selbst Afroamerikaner und durch ihn weiß ich was es auch heute noch bedeutet, in Amerika ein schwarzer Mensch zu sein. Deshalb tat mir dieser Lt. Scott auch teilweise regelrecht weh, auch wenn Katzenbach sicherlich die besten Absichten verfolgt hat.


    Erst nach einem guten Drittel des Romans spielt Katzenbach dann seine Stärken aus und erzählt die wirklich spannende Geschichte, rund um den Prozess.

    Dabei habe ich sogar einiges gelernt, indem ich etwas Hintergrund Recherche betrieben habe. Scheinbar haben sich sogar die Nazis teilweise an die Genfer Konvention gehalten, zumindest wenn es sich um Gefangene von - laut ihrer menschenverachtenden Ideologie - "höherwertigen Rassen" handelte.

    Ganz im Gegensatz zu etwa den russischen Gefangen, deren Schicksal hier thematisiert, aber leider am Schluss auch noch als Plot Vehikel missbraucht wird.

    Im weiteren Verlauf werden dann nicht nur die Fragen rund um die undurchsichtigen Lagerintrigen verhandelt, sondern auch die Rassenideologie der Nazis beleuchtet. Aber auch der Rassismus der damals (wie heute) in den USA grassiert und die Fassade, die schon damals darum errichtet wurde.

    Leider war dann die Auflösung auch wieder nicht so meins und auch die wirklich wichtigen Problematiken wurden dann recht schnell abgehandelt. Am Ende verkam das Ganze dann zu einer etwas verklärten "Eigentlich gehören wir doch alle zusammen" Romantik, der ich wenig abgewinnen konnte.

    Am versöhnlichsten war für mich noch der Epilog, in dem ich zumindest etwas über das Schicksal von Fritz Eins erfahren habe, der das ganze Buch schon als Mitläufer dargestellt wurde. Selbst das habe ich Katzenbach ein wenig übel genommen, um ehrlich zu sein. Auch wenn es dieser Figur einen Hauch Menschlichkeit verliehen hat, den ich bei anderen Protagonisten schmerzlich vermisst habe.


    Fazit


    Eine wirklich gute Geschichte, mit brisanten Themen, die gerade wieder relevant sind und die auf historisch korrekten Füßen steht.

    Leider hat der Autor hier an einigen Stellen das nötige Fingerspitzengefühl vermissen lassen. Das habe ich woanders schon wesentlich besser gelesen, zum Beispiel in Colson Whitehead`s "Die Nickel Boys".

    Um fair zu bleiben : John Katzenbach schreibt Unterhaltungsliteratur und als solche ist der Roman durchaus lesbar. Eventuell ist er hier so ein bisschen am eigenen Anspruch gescheitert, was die Sache leider nur ein wenig besser macht.

    Mit sehr viel gutem Willen vergebe ich deshalb 3 Sterne. :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    "Ich bin eitel, hochmütig, tyrannisch, blasphemisch, stolz, undankbar, herablassend - bewahre aber das Aussehen einer Rose" Pita Amor

  • K.-G. Beck-Ewe

    Hat den Titel des Themas von „John Katzenbach - Das Tribunal“ zu „John Katzenbach - Das Tribunal / Hart's War“ geändert.