John Burnside - What light there is: Über die Schönheit des Moments (ab 28.09.2020)

  • Erde

    Abschnitt 6 (Seite 26-27)


    Über die Szene mit Claudius wurde ja schon gesprochen, aber ich wollte noch einmal zum Beginn des Abschnitts 6 etwas schreiben.

    Ich habe die Begrüßung der Gladiatoren eigentlich immer als gegeben hingenommen. Man kennt das ja aus historischen Romanen,

    Filmen etc. Das eine solche Begrüßung vor einer Schlacht durchaus angemessen erscheint, leuchtet mir auch ein, aber das diese

    Gladiatoren vor einem blutgierigen, dekadenten und geiferndem Publikum diesen Todesgruß aussprachen, erscheint mir auch unwahr-

    scheinlich. Bestenfalls ist es vielleicht wirklich mit einem ironischen Unterton zu verstehen.

    Hier kann das Sterben dann wirklich keine Kunstform mehr sein, sondern ist nur eine widerliche Zurschaustellung der Abschlachterei.

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Robert Seethaler - Das Cafe ohne Namen

    :study: Matt Ruff - Ich und die anderen

  • Hier kann das Sterben dann wirklich keine Kunstform mehr sein,

    Auf jeden Fall wird hier das Sterben nicht als privates, intimes Ereignis gesehen, sondern als öffentliches und sehr öffentlichkeitswirksames Schauspiel in Szene gesetzt. Es hat Theatermäßiges an sich.

    Wie der Betroffene damit klar kommt, das will ich mir lieber nicht vorstellen.

    blutgierigen, dekadenten und geiferndem Publikum diesen Todesgruß aussprachen, erscheint mir auch unwahr-

    scheinlich.

    Vielleicht habe ich Dich missverstanden? Mir erscheint das nämlich durchaus wahrscheinlich - überlege doch einmal, wie begehrt z. B. im sog. terreur die besten Plätze rund um die Guillotine waren... Ich überlege dauernd, in welcher Biografie ich ein Gespräch darüber gelesen habe, ab welchem Alter Kinder zum Hinrichtungsspektakel mitgenommen werden sollten.

    Und heute haben wir das Phänomen immer noch, siehe Gaffer-Problematik.

    :study: Percival Everett, James.

    :musik: Agatha Christie, Mord im Pfarrhaus.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Vielleicht habe ich Dich missverstanden?

    Ich meinte damit die Gladiatoren, nicht das Publikum. Die waren zwar letztendlich dem Tode geweiht, aber der Gruß galt ja vornehmlich

    dem Imperator. Ich habe da so meine Zweifel, denn die Gladiatoren waren ja Kriegsgefangene, Sklaven also eigentlich die Feinde Roms.

    Was die Menge angeht gebe ich dir recht. Das war früher und wäre auch heute noch für das Volk ein Spektakel.

    Ich erinnere mich an eine Szene in einem Dickens Roman wo tatsächlich auch Jugendliche anwesend waren, begleitet von ihren Vätern.

    Vielleicht haben wir ja wirklich aneinander vorbeigeredet...........

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


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  • Ich habe die Begrüßung der Gladiatoren eigentlich immer als gegeben hingenommen. Man kennt das ja aus historischen Romanen,

    Filmen etc. Das eine solche Begrüßung vor einer Schlacht durchaus angemessen erscheint, leuchtet mir auch ein, aber das diese

    Gladiatoren vor einem blutgierigen, dekadenten und geiferndem Publikum diesen Todesgruß aussprachen, erscheint mir auch unwahr-

    Man mag ja von Wikipedia halten... aber hin und wieder :wink:

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter

  • also eigentlich die Feinde Roms.

    Das ist ein durchaus interessantes Kapitel, und ich finde es schade, dass ich da so wenig drüber weiß. I

    Ich erinnere mich nur, dass es hochgeachtete Gladiatoren gab , und soweit ich weiß, waren auch viele freie Bürger Gladiatoren. Die übrigens auch recht gut verdienten.

    Und ich erinnere mich an meinen Lateinlehrer: dieser Gruß "Morituri te salutant" war nicht der allgemeine Gruß der Gladiatoren, wie man meistens annimmt. Jetzt, wo ich Sueton s. v. Claudius nachgelesen habe, war das wohl eine der wenigen Gelegenheiten bzw. die einzige, bei der dieser Gruß erfolgte. Wie Burnside und Sueton sagten: sie wollten Mitleid erregen.


    Es geht doch nichts über Halbwissen:pale:


    P.S. Danke, serjena, wir haben gleichzeitig gepostet, da kann ich mein Halbwissen überprüfen. Hätte ich gleich machen sollen.

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    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Ich hätte eine andere, banale Frage zum Titel des Buchs "What light there is" . Wenn man den genau übersetzt:

    "Welches Helle da ist" - trifft es das?

    "Welches Licht da ist" müsste wohl "What a light there is" heißen?

    :study: Percival Everett, James.

    :musik: Agatha Christie, Mord im Pfarrhaus.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Ich hätte eine andere, banale Frage zum Titel des Buchs "What light there is" . Wenn man den genau übersetzt:

    "Welches Helle da ist" - trifft es das?

    "Welches Licht da ist" müsste wohl "What a light there is" heißen?

    Über die Übersetzung des Titels denke ich schon seit langem nach. Das müsste auf jeden Fall mit Licht und nicht Hell übersetzt werden.

    "Das wenige Licht was noch bleibt" hört sich im Deutschen furchtbar an, trifft aber glaube ich die Bedeutung des Satzes.

    Im Moment fällt mir aber noch nichts besseres ein. Vielleicht hilft uns ja Herr Robben noch.............


    Bezüglich Wiki habe ich zwar nicht immer ein gutes Gefühl, aber ich kenne mich bei den Römern nicht so gut aus.

    Die Kelten liegen mir näher...............:uups:

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


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  • Ich hätte eine andere, banale Frage zum Titel des Buchs "What light there is" . Wenn man den genau übersetzt:

    "Welches Helle da ist" - trifft es das?

    "Welches Licht da ist" müsste wohl "What a light there is" heißen?

    Eine gute Frage. So ganz sicher bin ich mir nicht.

    Ich würde den Titel durch das "what" mit "Was ein Licht dort ist" oder "Was ein Licht es dort gibt" übersetzen. Eher als Ausruf.

    Allerdings klingt das auch noch etwas holprig und ich bin gewiss keine Englisch Expertin. :-k

    "Das wenige Licht was noch bleibt"

    Klingt schlüssig. :thumleft: Auch wenn die Interpretation in eine andere Richtung geht. Bei meiner Übersetzung wäre es eher ein positiver Ausdruck.

    "Herr, in mir ist es finster, aber bei dir ist das Licht. Ich bin einsam, aber du verlässt mich nicht. Ich bin kleinmütig, aber bei dir ist Hilfe. Ich bin unruhig, aber bei dir ist der Friede. Ich verstehe deine Wege nicht, aber du weisst den Weg für mich." (Dietrich Bonhoeffer) :love:


    "Don't look to the left or the right, look up to the throne of God."


    :study: "Die Bibel - AT und NT" + Kommentare von William MacDonald (Langzeitprojekt) :flower:

    :study: "Das Geisterhaus - Isabell Allende" (Minileserunde)



  • Klingt schlüssig. :thumleft: Auch wenn die Interpretation in eine andere Richtung geht. Bei meiner Übersetzung wäre es eher ein positiver Ausdruck.

    Und genau da liegt das Problem. Ich tendiere eigentlich auch zum positiven Ausdruck, Nur fällt es da schwer es ins Deutsche zu übersetzen.

    Vielleicht ginge ja noch: "Das Licht das bleibt", oder "All das Licht das bleibt" aber auch das hört sich holprig an.

    Ich denke der Übersetzer B. Robben, der ja viele von Burnsides Büchern übersetzt hat, bleibt bewusst beim Englischen, weil es eben so schwierig ist

    das adäquat ins Deutsche zu transferieren. Sein drittes Memoir >I put a spell on you< hat er auch als Titel so stehen lassen und mit dem Zusatz "Über

    Liebe und Magie" versehen. Hier ist es "Über die Schönheit des Moments"

    Zuerst einmal bleibe ich ratlos..............:-k

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  • Erde

    Abschnitt 6 (Seite 26 bis 27)

    Zu der Thematik bezüglich der Gladiatoren kann ich leider nicht so viel beitragen. Ich kenne mich mit den geschichtlichen Hintergründen zu wenig aus.

    Schrecklich sind derartige Szenarien aber allemal.

    Was die Menge angeht gebe ich dir recht. Das war früher und wäre auch heute noch für das Volk ein Spektakel.

    Ich erinnere mich an eine Szene in einem Dickens Roman wo tatsächlich auch Jugendliche anwesend waren, begleitet von ihren Vätern.

    Vielleicht haben wir ja wirklich aneinander vorbeigeredet...........

    Diese "Sensationsgier" ist wirklich furchtbar. :| Und ich gebe dir Recht, die Menschen haben sich diesbezüglich wohl nicht geändert.
    Gladiatorenkämpfe, Hinrichtungen, ich muss auch an Stierkämpfe denken oder heutztage an die "Gaffer". Das Leid, das Unbegreifliche und der Schrecken scheinen viele Menschen in irgendeiner Form anzuziehen. Aber ich denke nur bis zu einem gewissen Punkt. Ist der Schrecken eingetreten, also der Mensch beispielsweise hingerichtet oder ähnliches scheint diese "Gier" vorbei zu sein. Dann haben wir wieder den Tod als etwas statisches und nicht mehr derart "anziehendes". Zumindest habe ich das bisher so beobachten können.

    "Herr, in mir ist es finster, aber bei dir ist das Licht. Ich bin einsam, aber du verlässt mich nicht. Ich bin kleinmütig, aber bei dir ist Hilfe. Ich bin unruhig, aber bei dir ist der Friede. Ich verstehe deine Wege nicht, aber du weisst den Weg für mich." (Dietrich Bonhoeffer) :love:


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  • Über die Übersetzung des Titels denke ich schon seit langem nach.

    Das beruhigt mich, dann braucht mir meine Frage nicht peinlich zu sein. Mir geht es um die grammatische Konstruktion, um von daher den Inhalt zu erkennen.

    "light" wäre also kein Adjektiv, sondern ein Substantiv? Und da muss kein Artikel davor stehen? "What a light there is" ?

    Ich bedauere es immer mehr, nicht zweisprachig aufgewachsen zu sein.

    Eher als Ausruf.

    Je, genau - etwas staunend und zugleich auch fragend.


    Wieviele Gedanken muss sich da erst der Übersetzer gemacht haben. Mein Respekt vor den Übersetzern wächst zunehmend. Inzwischen finde ich, dass ihre Namen nicht nur auf das Vorsatzblatt, sondern auch auf das Cover gehören.

    :study: Percival Everett, James.

    :musik: Agatha Christie, Mord im Pfarrhaus.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • wäre also kein Adjektiv, sondern ein Substantiv? Und da muss kein Artikel davor stehen? "What a light there is" ?

    So ist es. Das "light" ist klar Substantiv und den Artikel braucht man da nicht, weil es sich nicht um "ein Licht" handelt, sondern um Licht

    im allgemeinen. "A light" würde man benutzen wenn es sich um einen Gegenstand handelt der Licht abgibt bzw. um ein bestimmtes Licht.

    Habe ich das jetzt einigermaßen verständlich rübergebracht? Gar nicht so einfach zu erklären...........:scratch:


    Bei Ausruf bin ich nicht bei euch, bei staunend schon.


    Vielleicht bringt uns das Buch diesbezüglich noch Klärung.

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


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  • Ich habe eure Diskussion über den Satz „What light there is“:natürlich verfolgt. Ich kann kein Englisch, somit habe ich mir euere Interpretationen durch den Kopf gehen lassen.

    Ich sehe den Satz in einem positiven Licht. Stellt euch vor ihr würdet das https://www.fraumuenster.ch/das-fraumunster/fenster/ in Zürich betreten und die wunderbaren Fenster von Chagall sowie das von Giacometti und Heaton betrachten, das Licht von draußen diese beleuchtet und mit staunen -


    Edit:

    Zitat von talisien

    Das wenige Licht was noch bleibt" hört sich im Deutschen furchtbar an, trifft aber glaube ich die Bedeutung des Satzes.

    Diese Formulierung verbinde ich mit Trauer, Abschied nehmen von etwas Schönem, Vergänglichkeit.

    Wäre auch eine Möglichkeit, jedoch ich bin mehr beim Staunen. Der Schönheit des Momentes

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter

  • Erde

    Abschnitt 5 (Seite 23-25)

    Dieser kleine Abschnitt ging mir sehr ans Herz. Der Tod ist genau so wie es Burnside beschrieben hat. Es ist nicht dieser geschauspielerte Tod. Burnside hat für den Tod sehr passende Worte gefunden, die schon taliesin zitiert hat. Ich muss da jedesmal schlucken, wenn ich es wieder lese. Denn es berührt mich sehr, weil ich so den Tod meines Vaters vor 4 Jahren erlebt habe. Nein, er war nicht der erste meiner Lieben von denen ich Abschied nehmen durfte. Aber er war der erste, den ich beim Herübergleiten "begleiten" durfte. Und es ist so wie es Burnside schreibt, die Welt dreht sich weiter, während da ein Mensch, seine Seele, wohin auch immer entschwindet.

    Und man steht da als Angehöriger, außerhalb des Geschehens, und weiß schlicht nichts. Wie Burnside schreibt: "Ins Licht oder in die Dunkelheit aber geht jeder von uns allein."



    Erde

    Abschnitt 6 (Seite 26 -27)

    Da bin ich wohl zu spät zu euch gestoßen, denn das hätte ich gewusst, dass der Gruß der Totgeweihten nur eine Fiktion war. Irgendwo hatte ich das mal gelesen. Wobei mir wiederum neu war, dass es wohl einmal gesagt wurde. Das zu meinem Halbwissen :uups:

    Und die Gladiatorenkämpfe gehen, wie es Eleonorah schon schrieb, unfassbarer weise immer noch weiter bis in unser Zeitalter hinein. Heute nennt man es Gaffer. Ich habe noch nie verstanden was so aufregend daran sein kann, Menschen dabei zuzusehen, wie sie sich gegenseitig abschlachten oder bei einer Hinrichtung zuzusehen.


    "Das wenige Licht was noch bleibt" hört sich im Deutschen furchtbar an, trifft aber glaube ich die Bedeutung des Satzes.

    Ich habe mir ja auch schon Gedanken darüber gemacht, ohne viel Ahnung zu haben. Danke für deine Übersetzung!



    Wieviele Gedanken muss sich da erst der Übersetzer gemacht haben. Mein Respekt vor den Übersetzern wächst zunehmend. Inzwischen finde ich, dass ihre Namen nicht nur auf das Vorsatzblatt, sondern auch auf das Cover gehören.

    Da bin ich absolut bei dir. Ich bin den Übersetzern so dankbar für ihre Arbeit. Das müsste wirklich noch viel mehr gewürdigt werden.

    Nimm dir Zeit für die Dinge, die dich glücklich machen.


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  • Habe ich das jetzt einigermaßen verständlich rübergebracht?

    Ja, danke für Deine Geduld!

    Jetzt blicke ich grammatisch durch und damit auch semantisch, und nun lege ich für mich mir diesen Satz so zurecht:


    ein staunendes und zugleich auch dankbares Hinschauen auf das Licht, das wir im Leben haben. Ob viel oder wenig - dazu sagt der Titel nichts. Aber er sagt etwas dazu, dass wir bewusster hinschauen und es wahrnehmen sollten. Und zwar mit Staunen und Dankbarkeit.


    Mit dieser Übersetzungshypothese kann ich nun besser weiterlesen und finde die Übersetzung von Herrn Robben auch sehr gekonnt.

    Beim Weiterlesen werde ich mir Gedanken machen, wieso er ausgerechnet den Tod als lichtvollen, schönen Moment betrachtet.

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    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Ich musste mir erst die Übersetzung des Titels durch den Kopf gehen lassen und die bereits genannten Interpretationsmöglichkeiten.

    Diese Formulierung verbinde ich mit Trauer, Abschied nehmen von etwas Schönem, Vergänglichkeit.

    Wäre auch eine Möglichkeit, jedoch ich bin mehr beim Staunen. Der Schönheit des Momentes

    Das ist wunderbar formuliert. Ich sehe es ähnlich. Für mich ist es beides. Das negative schließt für mich das positive nicht aus, je nach meiner Stimmungslage kommt mal das eine eher nach oben, mal das andere. Beides gehört unbedingt für mich zusammen. Ohne den Tod kann es kein Leben geben und es hat eine ganz besondere eigene Schönheit für sich. Besser kann ich es einfach nicht ausdrücken :uups:


    Moment mal, mir fällt gerade ein Buch dazu ein, dass sich damit befasst. François Cheng hat fünf Meditationen über den Tod und das Leben geschrieben. Ziemlich philosophisch, nicht alles war mir verständlich und es ist unbedingt ein Buch das ich irgendwann mal wieder lesen mag.

    Ich weiß nicht ob Burnside in diese Richtung noch schreiben wird, aber als Weiterbeschäftigung darüber hinaus vielleicht interessant. (Auch seine anderen Meditationen "Über die Schönheit der Seele" und "Fünf Meditationen über die Schönheit" sind meiner Meinung nach empfehlenswert.)


    Inhalt lt. Amazon:

    Der Tod ist das größte Rätsel unserer Existenz. Wir kennen ihn nicht, doch unser ganzes Leben steht in seinem dunklen Schatten. François Chengs philosophisch- poetische Meditationen schöpfen aus den Quellen der westlichen und fernöstlichen Traditionen, um eine neue Sicht einzuüben – eine Sicht, in der der Tod nicht mehr das endgültige Scheitern bedeutet und wir das Leben erst in seiner Schönheit begreifen.
    „Ich sollte eigentlich jung sterben und habe letzten Endes sehr lange gelebt.“ François Cheng, der seine chinesische Heimat kurz nach dem Zweiten Weltkrieg verließ, hat den Tod früh kennengelernt. Sein Buch ist so demütig, wie seine Gedanken frei von Furcht sind. Ein ewiges Leben können wir uns im Grunde nicht vorstellen. Ihm würde nicht nur das Bewusstsein des Todes fehlen, sondern zugleich alles, was uns das Leben kostbar macht. Anstatt den Tod von der Seite des Lebens aus wie ein Schreckgespenst anzustarren, sollten wir daher das Leben von der anderen Seite, von unserem Tod aus, betrachten. Erst dann kann es uns gelingen, uns dem Leben in seiner Fülle offen zuzuwenden. Chengs Betrachtungen sind eine sanfte und doch unwiderstehliche Einladung, diese Wende zu vollziehen: Ein ost-westliches Trostbuch von großer Lebensweisheit.

    Nimm dir Zeit für die Dinge, die dich glücklich machen.


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  • Ich sehe den Satz in einem positiven Licht. Stellt euch vor ihr würdet das https://www.fraumuenster.ch/das-fraumunster/fenster/ in Zürich betreten und die wunderbaren Fenster von Chagall sowie das von Giacometti und Heaton betrachten, das Licht von draußen diese beleuchtet und mit staunen -

    Der Vergleich zu diesen Kunstwerken gefällt mir gut. Die Schönheit des Moments in Betrachtung eines Kunstwerkes.

    In Abschnitt 7 beschäftigt sich Burnside dann auch passend mit Kunst bzw. der Malerei.

    ich habe den Abschnitt gerade gelesen und bin sehr beeindruckt. Da könnte ich wieder durchgehend zitieren.

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


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  • Erde, Abschnitt 7

    S. 31 ff.

    "Als Teenager verbrachte ich..."

    ------------------------------------------

    Mir sind zwei Dinge aufgefallen:

    1. Malerei

    2. Zeit


    zu 1.

    Das ist doch erstaunlich: ein junger Mensch, ein "unkritisches Arbeiterkind" (S. 31), entzieht sich seiner Familie und versteckt sich quasi vor ihr in der städtischen Bibliothek.

    Und dort bei den Kunstbänden - das finde ich erstaunlich.

    Hier fühlt er sich den niederländischen Landschaftsmalereien des 16. / 17. Jhdts verbunden und empfindet sehr genau das, was den inhaltlichen Reiz dieser Bilder ausmacht: den Aufbruch der sozialen Schranken einer Ständegesellschaft.

    Auf dem Eis tummelt sich alles: der arme Schuhmacher, das bürgerliche Mädchen mit ihrem Galan, die Nonnen, der Behinderte, die großbürgerliche Matrone im Pelz, der adlige Stenz und so fort. Das Eis demokratisiert die städtische Bevölkerung, wenn auch nur für eine kurze Zeit.

    Und da hätten wir es wieder: die Schönheit eines Moments.


    Dass ein so junger Mensch aus einem "bildungsfernen" (wie man das heute nennt) Elternhaus das so wahrnimmt!

    Unglaublich, welche Antennen dieser Mensch hat!


    Und es gefällt mir auch sehr, wie er diese Bilder rezipiert. Er hält sich nicht auf mit Betrachtungen der Achsen, der Perspektiven, der Farbwahl und dergleichen, sondern rezipiert höchst subjektiv: ihm ist nur "wichtig, was ich empfand."

    Bravo!


    Dieser rezeptionsästhetische Ansatz ist heute der gängige, auch wenn er in den Schulen, was ich so höre und erlebt habe, noch nicht durchgängig gelandet ist. Da wird doch tatsächlich immer noch gefragt: "Was will uns der Dichter/Maler sagen?"

    :study: Percival Everett, James.

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  • Erde

    Abschnitt 7, S. 31-35

    Das ist doch erstaunlich: ein junger Mensch, ein "unkritisches Arbeiterkind" (S. 31), entzieht sich seiner Familie und versteckt sich quasi vor ihr in der städtischen Bibliothek. Und dort bei den Kunstbänden - das finde ich erstaunlich.

    In diesen Zeilen, habe ich mich ein wenig wiedergefunden. Ich habe ähnliches als 10-jährige getan - nur, dass es keine Kunstbände, sondern Romane in der Bibliothek waren. Auch für mich war die Bibliothek eine Art Schutzraum, in dem Ruhe und eine friedliche Atmosphäre herrschte. Das zeigt doch nur, dass der "Stand" eines Menschen rein gar nichts mit dessen Interessen für Kunst, Literatur oder dessen Intellekt zu tun hat. Ich finde dies beschreibt Burnside auf sehr schöne Art und Weise. Die Umwelt hat Einfluss auf uns - ja. Aber unser innerstes, unsere Vorlieben entwickeln sich doch irgendwie "eigenständig".

    Auf dem Eis tummelt sich alles: der arme Schuhmacher, das bürgerliche Mädchen mit ihrem Galan, die Nonnen, der Behinderte, die großbürgerliche Matrone im Pelz, der adlige Stenz und so fort. Das Eis demokratisiert die städtische Bevölkerung, wenn auch nur für eine kurze Zeit.

    Und da hätten wir es wieder: die Schönheit eines Moments.

    Auch dies wurde so schön beschrieben. Dieses "von Oberen beansprucht" zu werden, scheint bei Burnside ein wichtiges Thema zu sein. Auf dem Eis war es anders, dort waren die Menschen "ohne Kontrolle", "selbstbestimmt", "kannten keinen Kommerz". Und all dies bedeutete, dass die Menschen für diesen kleinen Augenblick frei waren. Ein sehr wichtiger Punkt, wie ich finde. Die meisten Menschen machen sich über dieses Wort gar keine Gedanken mehr.


    Auch seinen Beobachtungen bezüglich des Schnees muss ich zustimmen. Ich habe als Kind ähnlich empfunden.

    Zitat

    "Wenn es schneite, verstummte die Welt."

    Genau so ist es. Früher bin ich als Kind Abends hinausgelaufen, wenn es geschneit hatte. Tatsächlich war es so still, wie sonst nie. Und es war jedes Mal wunderschön. :drunken: Das Vorankommen der Menschen, sei es per Bahn oder Auto wurde beschwerlicher, langsamer...und es war tatsächlich so, als würden die Menschen in diesen Zeiten etwas zusammenrücken. Dieses ständige funktionieren müssen pausierte. Alles wirkte anders und für Burnside war es die "reale Zeit", in der er authentisch sein konnte.

    "Herr, in mir ist es finster, aber bei dir ist das Licht. Ich bin einsam, aber du verlässt mich nicht. Ich bin kleinmütig, aber bei dir ist Hilfe. Ich bin unruhig, aber bei dir ist der Friede. Ich verstehe deine Wege nicht, aber du weisst den Weg für mich." (Dietrich Bonhoeffer) :love:


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  • Das zeigt doch nur, dass der "Stand" eines Menschen rein gar nichts mit dessen Interessen für Kunst, Literatur oder dessen Intellekt zu tun hat.

    Langfristig gesehen natürlich nicht. Aber es gibt eben auch die Sozialisierung, und es ist einfach so, dass ein junger Mensch leichter den Zugang zur Musik, zum Lesen etc. findet, wenn er von Anfang damit aufwächst und das alles Teil seiner Umgebung ist.


    Und das meinte ich hier: von seinen Eltern und, wie es sich anhört, auch vom gesamten Umfeld her kamen keine Anregungen in dieser Richtung.

    Und daher finde ich es erstaunlich, dass er diese Neigung selber in sich selber findet.

    Da ist kein Pfarrer, kein Lehrer oder sonstwie eine Person, die ihn unter die Fittiche nimmt, sondern er entwickelt es aus sich heraus.

    Das finde ich erstaunlich und bewundernswert.


    Mich hat das autobiografische Buch von Ulla Hahn zur Bildungsproblematik solcher Kinder sehr beeindruckt. Sie stammt aus der Gegend, in der ich groß geworden bin, und ich habe vieles wieder erkannt an Sitten, Gebräuchen, Denkungsarten und dergleichen. Und mir ist auch klar geworden, dass es Privilegien gibt, die man gar nicht als Privileg wahrnimmt, weil sie einem selber so normal vorkommen - die man aber deutlich als Privileg wahrnehmen sollte.

    Und das nur am Rande: seitdem aktiviere ich mich für Kinder, deren Bildungsvoraussetzungen nicht so gut sind, wie es meine waren. Und die in den Corona-Zeiten auf der Strecke bleiben könnten. Das treibt mich um.

    :study: Percival Everett, James.

    :musik: Agatha Christie, Mord im Pfarrhaus.


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