Johann Wolfgang von Goethe - Italienische Reise

  • Der Autor


    Johann Wolfgang Goethe (ab 1782 von Goethe) wurde am 28.8.1749 in Weimar geboren und gilt als einer der bedeutendsten Schöpfer deutscher Dichtung.
    Er erhielt eine aufwendige Ausbildung, lernte mehrere Sprachen, darunter Latein und italienisch, sowie Zeichnen, Klavier- und Cellospiel, Reiten, Fechten und Tanzen. Außerdem bekam er Unterricht in den Naturwissenschaften und der Religion.
    Dank seines wohlhabenden Vaters plagten ihn während seines Studiums und späteren Lebens keine finanziellen Zwänge.
    Bis 1775 veröffentlichte er mehrere Stücke, darunter Die Leiden des jungen Werther und wurde zum europaweit berühmten Autor.
    Im selben Jahr lud ihn der 18-jährige Herzog Carl August nach Weimar ein, um sich einen großen Geist an die Seite zu stellen (wie es sein Großonkel Friedrich II. mit Voltaire getan hatte).


    Wie kam es zur Italienischen Reise?


    Während seines elfjährigen Weimaraufenthaltes arbeitete Goethe so viel und hart, dass sein künstlerisches Wirken auf der Strecke blieb und er in eine Krise geriet. Die Arbeitsbelastung, seine Ämter, die gesellschaftlichen Zwänge, das alles empfand er als lästig, und seine Doppelexistenz als Künstler und Amtsmensch wurde ihm zu viel.
    Schließlich bat er den Herzog um unbefristeten Urlaub und brach am 3. September 1786 heimlich, ohne Abschied, von Karlsbad, wo er gerade zur Kur weilte, nach Italien auf. Nur sein Sekretär war eingeweiht.

    Früh drei Uhr stahl ich mich aus Karlsbad, weil man mich sonst nicht fortgelassen hätte. So beginnt die Italienische Reise - eine Auszeit, wie man heute so schön sagt - die sich der zu dieser Zeit 37-jährige Goethe für gut anderthalb Jahre gönnte.


    Man könnte fast neidisch werden, denn wer von uns hat nicht schon mal davon geträumt, einfach abzuhauen und nur noch das zu tun, worauf man gerade Lust hat?

    Seine Eindrücke und Erlebnisse hielt er in Tagebüchern fest, die er zwischen 1813 und 1817 überarbeitete und unter dem Titel ‚Italienische Reise‘ herausbrachte.


    Text auf dem Buchrücken


    "Wie sie uns empfangen hat, habe ich keine Worte auszudrücken: mit frischgrünenden Maulbeerbäumen, immergrünendem Oleander, Zitronenhecken etc. In einem öffentlichen Garten stehn weite Beete von Ranunkeln und Anemonen. Die Luft ist mild, warm und wohlriechend, der Wind lau."


    Meine Meinung


    Man kann die It. Reise durchaus als Reiseführer betrachten. Goethe beschreibt Städte, Landschaften und Aussichtspunkte, die man auch heutzutage problemlos wiederfindet. Seine schwärmerische Begeisterung für das Land, das Klima und die Sehenswürdigkeiten machen Lust, seinen Spuren zu folgen und Italien mit seinen Augen zu sehen.

    Vor allem jedoch gibt das Buch einen Einblick in Goethes Persönlichkeit, es verrät vieles über seine Vorlieben und Abneigungen, seine Ansichten und Interessen.


    Der Leser muss sich allerdings damit abfinden, dass Goethe die Tagebücher nicht für den sogenannten Mainstream verfasste, sondern dass sie seine ureigenen Eindrücke und Erinnerungen beinhalten. So schreibt er z.B. seitenweise über Steine, Wolken oder Theateraufführungen. Ob das den Leser interessiert, war ihm sicherlich egal.

    Wie nebenbei erfährt man, wie wissbegierig Goethe war. Wie ein Schwamm scheint er sämtliche Eindrücke aufzusaugen. Ob nun Geologie, Geographie, Kunst oder Kultur, er muss alles sehen, sich mit Gleichgesinnten austauschen und vor allem selbst ausprobieren. Unumwunden gibt er zu, dass er vieles nicht weiß, was für eine gewisse Bescheidenheit spricht.


    Andererseits scheint er ein ziemlicher Egoist gewesen zu sein, der die Leute, die ihm begegnen - ob nun Einheimische oder Fremde - gern als ihm nützlich bezeichnet.
    Goethe beanspruchte die dauerhafte Aufmerksamkeit seiner Begleiter und war der Ansicht, was ihn interessierte, musste auch alle anderen interessieren. Das macht ihn menschlich, auch wenn ich nicht sagen könnte, ob ich ihn nun sympathisch oder eher nervig gefunden hätte.

    Etliche Briefe, die in dem Buch enthalten sind, spiegeln gleichfalls Goethes Egozentrik wider. Zu gern und seitenweise schreibt er, wie sehr ihm der Italienaufenthalt bekommt und wie er allmählich lernt, die reine Kunst (gemeint ist antike Architektur, Malerei und Bildhauerei) zu sehen und zu begreifen. Zwar vermisst er seine Lieben daheim, der Tenor der Briefe ist jedoch ich, ich, ich.

    Fast zum Schluss des Buches kann man sich an Goethes treffenden und witzigen Beschreibungen des Karnevals erfreuen, den er im zweiten Jahr seines Aufenthaltes miterlebte. An dieser Stelle bekommt man einen guten Einblick in das Leben und Treiben der Einheimischen, worüber ansonsten in den Tagebüchern wenig zu lesen ist.


    Fazit:

    Die it. Reise ist kein Buch, das man mal eben so weg liest. Dafür ist es mit seinen 896 Seiten auch ein ziemlicher Backstein. Besser ist es, es sich in kleinen Häppchen vorzunehmen, um den Text zu genießen. Aber Vorsicht: Schachtelsatzalarm!


    Wenn man sich an der - nach heutigem Ermessen - ausufernden, stellenweise geschraubten und verschwurbelten Ausdrucksweise nicht stört, ist die It. Reise ein Werk, das sich zu lesen lohnt.
    Das Buch gibt Einblicke in Goethes Persönlichkeit und verrät einiges über das damalige Italien sowie antike Kunst und Kultur.

    Insgesamt hat mir die It. Reise sehr gut gefallen. Ich empfehle das Buch allen Lesern, die klassische Literatur schätzen und vergebe vier Sterne. :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Welches er sich wohl redlich verdient hat denke ich,so im Vergleich!?

    Im Nachhinein gesehen: aber ja!

    Aus der Zeit heraus gesehen: da denke ich durchaus auch an diejenigen, die die Gelder erbringen mussten.

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Herzog Karl-August von Sachsen-Weimar?

    Auch in dieser Zeit wurde vermutlich noch viel mehr Geld für dümmere Sachen ausgegeben.:wink::)

  • Herzog Karl-August von Sachsen-Weimar?

    Na ja, der hat das Geld sicher nicht selber erarbeitet.


    Grundsätzlich stimme ich Dir zu: ohne Feudalismus hätten wir weniger Kulturobjekte, ob jetzt geschrieben, in Stein gehauen, gemalt, etc.

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Die Fürstenherrschaft hatte ihre Zeit und ist verdientermassen verschwunden.Goethe hätte vielleicht auch heute seine Unterstützer? Im Grunde bleibt die Frage,wie und ob man grosse Kunst nach Euro und Cent abschätzen sollte.

    Ein Bauer oder Tagelöhner musste lange dafür schuften,was Goethes Reise pro Tag verschlang,da gebe ich Dir allerdings grundsätzlich Recht.