Klappentext:
England 1904 – Polly, mit sechs Jahren schon eine Pflegefamilien-Veteranin, kommt zu ihren frommen Tanten in das gelbe Haus am Meer. Hier gibt es kaum Unterhaltung, aber es gibt Bücher, und lesend entwickelt sich Polly unbemerkt zu einer stillen, unbeugsamen Rebellin. Ein Buch liest sie immer wieder: "Robinson Crusoe" wird zu ihrem Kompass in jeder Lebenslage. Ihre eigene einsame Insel verlässt Polly Flint nie ganz. Doch am Ende ihres fast ein Jahrhundert umspannenden Lebens wird sie Liebe und Enttäuschung, Depression und rettende Freundschaft kennengelernt und ihre Bestimmung gefunden haben. Ein großer Roman voller hinter gepolsterten Türen verborgener Geheimnisse, so raffiniert und klug, wie nur Jane Gardam sie inszenieren kann. - von der Hanser-Verlagsseite kopiert
Zur Autorin:
Jane Gardam wurde 1928 in North Yorkshire geboren und lebt heute in East Kent. Für ihr viel bewundertes schriftstellerisches Werk wurde sie mehrfach ausgezeichnet. Nach der Bestseller-Trilogie um Old Filth sowie dem Erzählungsband "Die Leute von Privilege Hill" erschien bei Hanser Berlin zuletzt ihr Roman "Weit weg von Verona" (2018). - von der Hanser-Verlagsseite kopiert
Allgemeine Informationen:
Originaltitel: Crusoe‘s Daughter
erstmals erschienen 1985 bei Hamish Hamilton, London
aus dem Englischen übersetzt von Isabel Bogdan
305 Seiten Ich-Erzählung
12 Seiten in der Art eines Theaterstücks
insgesamt 317 Seiten
Meine Meinung:
Polly gilt als „braves Mädchen“ und bemüht sich, die Tanten nicht zu enttäuschen. Gegenüber anderen Kindern schüchtern zieht sie sich gern in die Bibliothek des Hauses zurück, wo sie auf „Robinson Crusoe“ stößt, der fortan ihr Leben bestimmt und begleitet.
Sie erlebt von ferne den ersten Weltkrieg, in dem junge Männer aus ihrem Umfeld fallen. Nach dem Tod der Tanten bleibt sie allein zurück und verdankt es dem Hausmädchen Alice, dass sie das Haus und ihren Lebensstil halten kann. Nach dem zweiten Weltkrieg, weiteren Verlusten und Enttäuschungen rettet Robinson sie vor zu viel Alkohol und unbeliebten Untermietern: Polly übersetzt ihn ins Französische und Deutsche, schreibt Abhandlungen und Interpretationen und setzt ihn schließlich im Unterricht ein.
Robinson altert offenbar mit ihr gemeinsam, und er geleitet sie in den Tod.
Gardan hat keine weibliche Fassung von Robinson Crusoe geschrieben. Allerdings schafft sie es, Motive aus Robinson Crusoe so in die Handlung um Polly Flint einzuweben, dass sie weder aufdringlich noch konstruiert wirken, z.B.: Polly ist eine Gestrandete. Sie muss sich allein auf zunächst unbekanntem Gelände zurechtfinden und es sich zum Zuhause machen. Der berühmte große unbekannte und beängstigende Fußabdruck begegnet ihr in verschiedener Form immer wieder. Und schließlich taucht auch Freitag auf: In Gestalt von Alice, die sich um Essen, Haus, Kleidung kümmert. Am Ende soll auch Polly zwei Menschen retten.
Des weiteren besticht Gardams Sprache mit bunten lebhaften Bildern und originellen Wortverbindungen bei der Schilderung der Landschaft und schafft eine Atmosphäre von altenglischem Gebaren und gleichzeitig herzerfrischender Andersartigkeit. Ihre Figuren sind unverwechselbar.
Für Leser, die wohltuende ruhige Erzählungen um die Besonderheit alltäglicher Menschen mögen. Die sich auf die Entwicklung einer Figur einlassen und deren Höhen und Tiefen mitempfinden. Wer Elizabeth Strout oder Anne Tyler mag, hat gute Chancen, auch dieses Buch zu mögen. Dass der englische Humor durchblitzt, verleiht ihm eine extra Portion Charme.