Pascal Mercier - Das Gewicht der Worte

  • Kurzmeinung

    serjena
    Wäre es dem nur Autor gelungen, 200 Seiten weniger zu schreiben, und dennoch eine schlüssige Geschichte zu präsentieren
  • Klappentext:
    Seit seiner Kindheit ist Simon Leyland von Sprachen fasziniert. Gegen den Willen seiner Eltern wird er Übersetzer und verfolgt unbeirrt das Ziel, alle Sprachen zu lernen, die rund um das Mittelmeer gesprochen werden. Von London folgt er seiner Frau Livia nach Triest, wo sie einen Verlag geerbt hat. In der Stadt bedeutender Literaten glaubt er den idealen Ort für seine Arbeit gefunden zu haben – bis ihn ein ärztlicher Irrtum aus der Bahn wirft. Doch dann erweist sich die vermeintliche Katastrophe als Wendepunkt, an dem er sein Leben noch einmal völlig neu einrichten kann. Wieder ist Pascal Mercier ein philosophischer Roman gelungen, bewegend wie der "Nachtzug nach Lissabon." - Von der Carl-Hanser-Verlagsseite kopiert


    Zum Autor:
    Pascal Mercier, 1944 in Bern geboren, lebt in Berlin. Nach Perlmanns Schweigen (1995) und Der Klavierstimmer (1998) wurde sein Roman Nachtzug nach Lissabon (2004) einer der großen Bestseller der vergangenen Jahre und in zahlreiche Sprachen übersetzt. 2007 folgte die Novelle Lea. Unter seinem bürgerlichen Namen Peter Bieri veröffentlichte er, ebenfalls bei Hanser, Das Handwerk der Freiheit (2001) sowie Eine Art zu leben (2013). Pascal Mercier wurde 2006 mit dem Marie-Luise-Kaschnitz-Preis ausgezeichnet und 2007 in Italien mit dem Premio Grinzane Cavour für den besten ausländischen Roman geehrt. 2007 erhielt er die Lichtenberg-Medaille der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. - Von der Carl-Hanser-Verlagsseite kopiert


    Allgemeine Informationen:
    Aus der personalen Perspektive Simon Leylands erzählt
    45 Kapitel
    573 Seiten


    Meine Meinung:
    Simon Leyland, Übersetzer und Verlagsleiter, hatte in seinem Leben schon einige Brüche zu bewältigen: Den frühen Tod der Mutter, den Studienabbruch, den Umzug von England nach Italien und den Tod seiner Frau. Nun bekommt er die Diagnose einer tödlichen Krankheit, verkauft seinen Verlag und beginnt, sich zu verabschieden. Bis sich herausstellt, dass seine Röntgenbilder vertauscht wurden. Er kehrt nach London zurück, wo er ein Haus geerbt hat, während seine erwachsenen Kinder in Triest bleiben. Briefe an seine verstorbene Frau ersetzen ein Tagebuch.


    Sprachen sind seine große Liebe, das Ringen um das passende Wort in den Übersetzungen seine Leidenschaft. Mit der Wahl zwischen dem möglichen Wort, dem geeigneten, dem entsprechenden und dem angemessenen kämpft er oft tagelang, weil die Unterschiede von Sprache zu Sprache mitunter minimal, aber dennoch sinngebend sind. Die hundertprozentige Übersetzung ist ohnehin unmöglich.
    Ein Leser, der auch von Sprache, ihren Klängen und Ausdrucksmöglichkeiten fasziniert ist, liest diese Passagen zunächst begeistert: Ein Buch, für das Sprache nicht nur Mittel, sondern auch Inhalt ist, in dem jedes Wort des Protagonisten die Liebe zu Worten ausdrückt.


    Das Dumme: Sämtliche Figuren dieses Romans sind intellektuelle Bildungsbürger, die meisten sprechen mehrere Sprachen oder lernen sie, im zweiten Schritt haben dann alle etwas mit der Entstehung von Büchern zu tun, wenn nicht mit ihren Worten, dann mit Illustrationen. In ihren Dialogen (von Gesprächen mag man gar nicht reden) drücken sie sich adäquat literarisch aus, und Sätze können schon einmal eine ganze Seite in Anspruch nehmen.

    Andererseits sind alle diese Figuren auch Bestmenschen (das Wort „Gutmenschen“ würde zu niedrig greifen), die ständig um das Wohl anderer besorgt sind, ihnen mit Rat, Tat und sechsstelligen Geld-Geschenken zur Seite stehen; sogar diejenigen, die im Gefängnis saßen, hatten für ihre ungesetzlichen Taten lautere Motive.


    Aus dem anfänglich bejubelten Applaus wird im letzten Drittel Langeweile; die anspruchsvollen Reflexionen zu Sprache und ihrem Gebrauch werden zu intellektuellem Geschwurbel, Sorgen und Nöte um die Zukunft zu Bewusstseinsströmen, die sich um eigene Befindlichkeiten drehen.
    Als reiche das nicht, werden eine Unzahl Gedanken wieder und wieder inspiziert: In Simons inneren Monologen, seinen Briefen an seine tote Frau und in Dialogen mit anderen Leuten.

    Kann sein, dass ein Hörbuch in diesem Fall die bessere Wahl ist. Jedenfalls habe ich die letzten 100 Seiten nur noch quer gelesen und kann nicht mehr geben als :bewertung1von5::bewertung1von5:

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • intellektuellem Geschwurbel

    Ich würde ja eher sagen, "pseudointellektuellem Geschwurbel", jedenfalls nach dem zu urteilen, was ich in seinem Roman "Der Klavierspieler" lesen musste. Es stand für mich schon vorher fest, aber Deine Rezension hat mich darin noch einmal bestärkt: Mercier - nie wieder!

    :study: Olga Tokarczuk - Gesang der Fledermäuse

    :study: Claire Keegan - Liebe im hohen Gras. Erzählungen

    :study: David Abulafia - Das Mittelmeer
















  • Erinnert mich im Grundgedanken etwas an sein Buch “Perlmanns Schweigen” - dass du mofre verschmäht hast, obwohl :wink:

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter

  • Mercier - nie wieder

    "Nachtzug nach Lissabon" habe ich sehr gern gelesen. Anscheinend fiel mir dabei das Geschwurbel nicht auf. Allerdings fragte Gutergatte mich während seiner Lektüre des Nachtzugs ständig, was ich denn an diesem Buch so gut fände, es wäre doch nur geschwätzig. :(

    Ich habe noch zwei ungelesene Bücher von ihm. Blindkäufe nach dem Nachtzug.

    Perlmanns Schweigen

    Das auch darunter.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • - dass du mofre verschmäht hast, obwohl

    Ja, ich habe schon mehrfach gehört, dass der Roman ganz gut sein soll, aber Du weißt ja, serjena: "Gebranntes Kind scheut das Feuer".:lol: Es gibt so viele Autoren, die mich mehr interessieren, und so viele, die ich noch entdecken will, und die Zeit rast.:(

    :study: Olga Tokarczuk - Gesang der Fledermäuse

    :study: Claire Keegan - Liebe im hohen Gras. Erzählungen

    :study: David Abulafia - Das Mittelmeer
















  • "Nachtzug nach Lissabon" habe ich sehr gern gelesen.

    Ich auch, aber schon "Lea" hat mich dann nicht mehr so richtig überzeugen können. Und deine Rezension spricht dagegen, einen Versuch mit diesem Buch zu wagen. :wink:

  • Ich mochte sowohl den Klavierstimmer als auch den Perlmann, Lea hingegen hat mich gar nicht überzeugen können.