Camilla Bruce - Pepper-Man / You let me in

  • Kurzmeinung

    RoXXie SiXX
    Ein Psychocrime-Buch, dass unter die Haut geht und zeigt, wie Fantasy uns vor der grausamen Realität "beschützen" kann.
  • Kurzmeinung

    cardamomma
    Kein Gruselthriller sondern ein spannendes und intelligentes Buch über die Resistenz der menschlichen Psyche.
  • Ich habe dieses Buch bewusst nicht im Fantasy-Sektor eingeordnet, weil es dort meiner Meinung nach nicht hingehört. Es ist eher eine psychische Flucht aus der Realität und damit teilweise fiktional


    Klappentext


    Wesen aus dem Wald – oder Wahnvorstellung einer Mörderin?

    Geheimnisvoll, düster und faszinierend unheimlich: Grusel-Fantasy aus Norwegen für alle Fans von Tim Burton und Guillermo Del Toro

    Dies ist die Geschichte der verstorbenen Cassandra Tipp. Cassandra war erfolgreiche Autorin, exzentrische Tante – und angeklagte Mörderin. Sie hinterließ ihren Nachfahren ein Buch, das ihre Geschichte erzählt. Eine Geschichte von Pepper-Man, dem Wesen aus dem Wald, das Cassandra beschützte; eine Geschichte von blutigen Nächten und magischen Geschenken; eine Geschichte von Ehemännern aus Zweigen und Steinen.

    Und die Geschichte von Kindern, die im Wald verloren gingen.

    Oder vielleicht doch eine Geschichte über ein kleines Mädchen, das im Schatten eines dunklen Waldes und furchtbarer Erinnerungen aufwuchs?



    Meine Meinung


    Die Gesellschaft drängt einen immer in die Richtung, die sie als normal und anständig und sicher betrachtet. Es war einfacher nachzugeben, fand ich, so zu tun, als wäre ich wie alle anderen.

    Zitat Seite 138


    Der Klappenext hat mich hier sehr neugierig gemacht: düstere Wesen, Grusel-Fantasy und die Wälder Norwegens ... dazu dieses unheimliche Cover, in das ich ein unheimliches Märchen interpretiert habe - allerdings hat mich dann hier eine völlig andere Geschichte erwartet.


    Den Einstieg fand ich interessant, denn es ist ein Zeitungsausschnitt über das Verschwinden von Cassandra Tipp, sowie ihre Anweisungen zu ihrem Testament, in dem sie ihre Erben: ihre Nichte und ihren Neffen, auffordert, ein Manuskript zu lesen, bevor sie an ihren Nachlass kommen.

    Dieses Manuskript ist ein Rückblick, die Erinnerung an ihre Kindheit, die geprägt ist von Einsamkeit, Abweisung und der Flucht aus der Realität.


    Was genau dahintersteckt, darauf möchte ich nicht zu sehr eingehen, da es spoilert. Man könnte es als magische, düstere Geschichte mit Fantasy Elementen sehen - aber dahinter gibt es noch eine andere Wahrheit, eine andere Sicht der Dinge - und genau vor diese Frage werden die Erben und auch die Leser gestellt: welche Version ist wahr?

    Wer hier ein gespenstisches Märchen im momentan typischem Stil erwartet ist fehl am Platz, denn die Geister, die Cassandra seit ihrer Kindheit heimsuchen, sind beängstigend ernst.

    Das fällt auch recht schnell auf, denn kleine Details deuten bald darauf hin, was dem jungen Mädchen widerfährt. Man spürt einen schalen Beigeschmack durch diese wenigen, aber fast schon obszönen Beschreibungen kleiner Szenen und ich hatte oft ein sehr ungutes Gefühl beim Lesen. Auch sonst ist der Schreibstil durchsetzt von Metaphern, die sehr deutlich darauf hinweisen, welch tristes und beängstigendes Leben Cassandra durchleiden muss.

    Es zeigt aber auch, welche Rafinessen der menschliche Geist imstande ist zu entwickeln, um dieser Hoffnungslosigkeit zu entfliehen.


    Ich bin wirklich komplett ahnungslos in dieses menschliche Drama eingetaucht, weil ich etwas völlig anderes erwartet hatte. Der Klappentext alleine ist viel kürzer als die Info, die ich oben eingefügt habe und die mittlerweile auch so auf den Internetseiten zu finden ist. Wenn ich gewusst hätte worum es ging - ich bin nicht sicher, ob ich es dann gelesen hätte.

    Es geht um Missbrauch, Zurückweisung, Verdrängung, Vereinsamung und schließlich eine Welt, in der sich das kleine Mädchen seine Realität so zurechtbiegt, damit es eine Chance hat, zu überleben. Denn sie überlebt viele Jahre und wir begleiten sie in dem Manuskript bis zu ihrem mysteriösen Verschwinden. Ein ganzes Leben steckt in diesen 250 Seiten, recht kurz, aber gefühlt unendlich lange für einen Leidensweg, den jahrzehntelang niemand sehen wollte.


    Es zeigt auch sehr deutlich, dass "Wahrheit" aus verschiedenen Sichten unterschiedlich sein können. Ein unerschütterlicher Glaube lässt keine Lüge entstehen und wie sehr uns unser Geist auch täuschen mag, deshalb scheint es für uns nicht weniger real zu sein.


    Die Autorin hat hier ein sehr ernstes Thema auf eindringliche, ungewöhnliche, und dadurch auch tiefgehende Weise vermittelt, wodurch es sicher noch länger bei mir nachklingen wird. Als Leser wird man ja vor die Frage gestellt, ob man nun Cassandras "Märchen" glaubt oder eher die "Wahrheit" ihres Therapeuten - eine leider sehr klare Antwort für mich, die mir wieder zeigt, welcher Überlebenswille in Kindern steckt, was sie alles aushalten und vor allem, wie sie danach irgendwie (weiter)leben müssen.

    Der englische Originaltitel "You let me in" macht mir nach dem Lesen direkt eine Gänsehaut.


    Wahrheit ist etwas Unbeständiges, nicht wahr? Sie ist subjektiv, verändert sich ständig, als wäre sie ein lebendiges Wesen.

    Zitat Seite 135


    Keine leichte Lektüre und schwer zu "bewerten". Zuerst wusste ich wirklich nicht wie ich hier Sterne vergeben soll, vor allem, da ich anfangs so überrascht war von der Thematik, die ich so nicht erwartet hatte. Jetzt, nachdem ich die Geschichte etwas sacken lassen habe, muss ich für die geniale Art die volle Punktzahl vergeben.


    Mein Fazit: 5 Sterne


    Weltenwanderer

  • Keine leichte Lektüre und schwer zu "bewerten". Zuerst wusste ich wirklich nicht wie ich hier Sterne vergeben soll, vor allem, da ich anfangs so überrascht war von der Thematik, die ich so nicht erwartet hatte. Jetzt, nachdem ich die Geschichte etwas sacken lassen habe, muss ich für die geniale Art die volle Punktzahl vergeben.

    Da gebe ich dir vollkommen recht. Jedoch schlägt bei mir die Bewertung in eine andere Richtung. Anfangs war ich noch gefangen von der Geschichte und war gespannt, wie sich das ganze entwirrt, und was am Ende raus kommt. Dann war ich jedoch schnell gelangweilt und wollte nur noch wissen wie es ausgeht. Ich habe, wie du, auch etwas ganz anderes erwartet, eine düstere Gruselgeschichte oder auch etwas fantastisches. Herausgekommen ist etwas ganz anderes und damit kann ich persönlich nichts anfangen, auch wenn das Thema natürlich sehr ernst zu nehmen und "bedrohlich/traurig" ist.


    Ich kann verstehen, wenn man hier viele Sterne vergibt, für mich war es dennoch leider nichts. Daher nur :bewertung1von5::bewertung1von5: von 5 Sternen von mir.

    <--- The Power of books!


    :study: Judith Pinnow - Fast bis zum Nordkap

  • Pepper-Man ♦ Camilla Bruce | Rezension

    Was für ein einzigartiges, seltsames und beunruhigendes Debüt! Ehrlich gesagt hatte ich nur wenig Hoffnung in dieses Buch, basierend auf den viele unterschiedliche Buchbesprechungen in diversen Communitys. Doch rückblickend, nachdem ich das Buch nun gelesen habe, glaube ich, dass viel LeserInnen das Werk ungewollt verkennen.


    Pepper-Man ♦ Camilla Bruce

    Meinung

    Trotz meiner anfänglichen Zweifel kam ich um den Kauf des Buches nicht herum. Der Klappentext hat mich immer wieder neugierig gemacht und ehrlich gesagt, im Nachhinein auch ein wenig in die Irre geführt. Denn dieses Buch ist anders, als erwartet. Ich kann auch verstehen, warum es für viele Bewertungen für das Buch so unterschiedlich sind. Der Klappentext suggeriert ein Fantasy – Werk, welches dann aber schmerzlich vermisst wird, weil die Tiefe des Buches sehr komplex ist.

    Der Anfang war etwas holprig und erregte nicht sofort meine Aufmerksamkeit. Doch die Geschichte nimmt an Intensität zu. Cassandras Erzählung zu lesen fühlte sich an, als ob ich durch einen schwülen, nebligen Wald wandern würde. Es war zwar bezaubernd und hatte eine zeitlose Qualität, aber der Roman hat mich emotional auch sehr mitgenommen. Ich war mir immer wieder unsicher, ob ich nun über ein paranormales Erlebnis oder eine Trauma-bedingte geistige Instabilität las.

    Ich denke, an diesem Buch scheiden sich die Geister. Gerade weil viel, wie ich ein Fantasy – Buch erwarten, dann aber mit einem fiktionalen Psycho-Crime-Erfahrungsbericht konfrontiert werden, welcher manche LeserInnen triggern könnte.

    Cassandra konnte, seit sie ein kleines Mädchen war, Feen sehen. Einer davon – den sie wegen seines scharfen Pfeffergeruchs Pepper-Man genannt hat – ist seit sie denken kann bei ihr und er ernährt sich von ihrem Blut. Meine Vermutung zu diesem Fakt, dass sich Cassandra selbst verletzt (ritzt).

    Die Erwachsenen in Cassandras Leben sind davon überzeugt, dass Pepper-Man einfach nur ein imaginärer Freund ist. Doch diese Überzeugung wackelt immer mehr, umso älter Cassandra wird und Pepper-Man weiterhin ein Teil ihres Lebens bleibt. Der allgemeine Konsens ist, dass Cassandra an einer psychischen Störung leidet, und der Psychologe, zu dem ihre Eltern sie schicken, ist fest davon überzeugt, dass sie als Folge eines schrecklichen Traumas und Missbrauchs verschiedene Halluzinationen durchlebt.


    Was ist Wahrheit?


    Aber was ist Realität? Ist Cassandra geisteskrank oder gibt es tatsächlich Feen? Die Geschichte legt immer wieder nahe, dass beide Optionen real sein könnten oder dass die eine Wahrheit die andere nicht zwangsläufig ausschließt. Auch wenn Cassandra misshandelt wurde, können Feen doch immer noch existieren. Oder? Die Geschichte lässt immer wieder Andeutungen fallen, was nun Wahrheit sein könnte, Doch eine Bestätigung habe ich nie erhalten. Dies ließ mich in einem grenzwertigen, teils verschwommenen Bereich zurück, in dem es möglich ist, dass beide Wahrheiten koexistieren können. Das wiederum wirft Fragen über die Realität selbst auf: Wenn Cassandra aufrichtig an Feen glaubt und wenn sie weiterhin einen erheblichen Einfluss auf ihr Leben haben, was macht es dann aus, dass andere sie nicht sehen können? Was genau würde es bedeuten, dass sie echt wären? Ob sie ein Symptom einer psychischen Störung sind oder nicht, spielt keine Rolle mehr, weil sie für sie echt sind. Der unsichere Kontext, in dem es so wenige Hinweise darauf gibt, wann oder wo diese Geschichte spielt, trägt wesentlich zu diesem Gefühl des Losgelöst Seins bei.

    Cassandra scheint sich nie groß daran interessiert, ihre Vergangenheit aufarbeiten zu wollen. Um nach einem möglichen Trauma zu suchen, das dazu geführt haben könnte, dass sie womöglich Wahnvorstellungen erlebt. Stattdessen ist sie vollkommen zufrieden mit ihren Feenfreunden, die auch ihre einzigen Freunde sind. Diese sind es auch, die ihre Karriere als Autorin ermöglichen, da die Feen ihr diese Geschichten zutragen. Auf jeden Fall denke ich, dass dies die beste Beschreibung von Feen ist, die ich je gelesen habe. Sie sind wirklich ominös. Außerdem werden sie nicht als paranormale Wesen beschrieben, sondern vielmehr sind sie verstorbene Menschen, die seltsame, verdrehte Reinkarnationen durchlebten und nun einfach nur einen Anker zur verlorenen Menschlichkeit suchen.

    Als die Beziehung zwischen Cassandra und Pepper-Man sexuell wird, werden die Dinge noch seltsamer, aber auch interessanter. Obwohl Pepper-Man attraktiv ist, ist er auch ziemlich seltsam und beunruhigend, und das Buch ist sich dessen bewusst, auch wenn es vermeidet, eine bestimmte Haltung einzunehmen.


    Schreibstil


    Der Schreibstil und die wunderbaren Formulierungen des Werkes harmonisieren mit dieser fesselnden Geschichte über bösen Feen und verschwommene Realitäten. Da Cassandra in der zweiten Person direkt mit ihrer Nichte und ihrem Neffen spricht, war ich anfangs etwas skeptisch. Als sie jedoch anfing, ihre Feengeschichte zu weben, war ich gefesselt und konnte das Buch nur noch schwer aus der Hand legen. Dieses seltsame, makabre Märchen zog mich mit seinem trägen Stil in den Bann. Es gab so viele Abschnitte, bei denen ich kurz innehalten und erneut lesen musste, um die Situation und den Text vollständig zu verstehen.

    Fazit

    ★★★★/5


    Eine solide Fünf-Sterne-Bewertung wurde nur durch das doch sehr offene Ende verhindert hat. Ich hatte den Eindruck, dass es für meine brennenden Fragen keine oder zumindest keine einfache Antwort gab. So musste ich meine eigenen Vermutungen darüber aufstellen, was Cassandra in ihrem Leben auszustehen hatte. Dies war wohl auch die Intension der Autorin, dass sich die Leser am Ende selbst ein Bild machen. Denn ganz gleich, zu welchem Schluss jeder kommt, ob nun verrückte Mörderin oder Überlebende von sexueller Gewalt und Vernachlässigung in der Kindheit; jede dieser Optionen ist für sich schrecklich und schwer zu begreifen.

    Be different, be kind!

    :study: Godsgrave (The Nevernight Chronicles, #2) • Jay Kristoff

    :montag: Whispers in the Waters (Blood of the Fae, #0.5) • Sarah Chislon

    :musik: Das Bildnis des Dorian Gray • Oscar Wilde


    2023: 7 | 2022: 111 | 2021: 110 | 2020: 90 | 2019: 31 | 2018: 29


    SuB: 702 :uups: | SuB - Beginn 2023: 701 | SuB - Ziel Ende 2023: 680


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