Thomas Hettche - Herzfaden

  • Kurzmeinung

    second_chance
    Nach 95 Seiten abgebrochen, ist mir zu oberflächlich.
  • Kurzmeinung

    Marie
    Bis auf Ende und St. Exupery wurden die wichtigsten Personen vergessen: Die Autoren von denen die Buchvorlagen stammen.
  • Wie ist die Augsburger Puppenkiste entstanden? Warum ist ein bekannter Schauspieler auf einmal Puppenspieler geworden? Was sagen uns die Märchen und Geschichten der Puppenkiste?

    Der Autor hat auf alles eine Antwort. Zum Teil ist es ein biographischer Roman, dann wieder eine fantastische Geschichte oder ein Versuch die Menschen in der dunkelsten Zeit darzustellen.

    Zum einen erzählt dieser Roman die Geschichte einer meiner liebsten Kindheitserinnerungen, zum anderen ist es die Geschichte über Menschen die alles verloren haben und trotzdem oder vielleicht darum den Willen hatten, anderen wieder Mut zu machen.,

    Die Menschen die beschrieben werden sind sehr unscharf gezeichnet, mit wenigen Worten und Handlungen entstehen ganze Lebensläufe, das Diffuse an den Figuren macht sie für mich als Leser spannender, ich kann für mich die Lücken füllen, dem Ganzen meinen persönlichen Touch verleihen.

    Ich hatte das Gefühl der Autor vergleicht uns Menschen mit seinen Marionetten, als ob wir auch an langen Fäden von größeren nicht sichtbaren Mächten geführt. Wie zum Beispiel: Ehrgeiz, Neid oder Liebe. Ganz selten reißt so ein Faden und die Marionette ist defekt, man kann sie flicken aber ist sie wieder genauso?

    Vor allem der unsichtbare Herzfaden ist wichtig. Es sind für mich die Gedanken die uns dazu bringen die Figur zu bewegen, ihr eine Stimme zu verleihen, die Gedanken die wir weiter geben wollen an die Zuschauer, Gefühle vermitteln um die Welt ein kleines bisschen besser zu machen, jedenfalls für diesen Augenblick.

  • Darum gehts:

    Ein zwölfjähriges Mädchen gerät nach einer Vorstellung der Augsburger Puppenkiste durch eine verborgene Tür auf einen märchenhaften Dachboden, auf dem viele Freunde warten: die Prinzessin Li Si, Kater Mikesch, Lukas, der Lokomotivführer. Vor allem aber die Frau, die all diese Marionetten geschnitzt hat und nun ihre Geschichte erzählt. Es ist die Geschichte eines einmaligen Theaters und der Familie, die es gegründet und berühmt gemacht hat. Sie beginnt im 2. Weltkrieg, als Walter Oehmichen, ein Schauspieler des Augsburger Stadttheaters, in der Gefangenschaft einen Puppenschnitzer kennenlernt und für die eigene Familie ein Marionettentheater baut. In der Bombennacht 1944 verbrennt es zu Schutt und Asche. »Herzfaden« erzählt von der Kraft der Fantasie in dunkler Zeit und von der Wiedergeburt dieses Theaters. Nach dem Krieg gibt Walters Tochter Hatü in der Augsburger Puppenkiste Waisenkindern wie dem Urmel und kleinen Helden wie Kalle Wirsch ein Gesicht. Generationen von Kindern sind mit ihren Marionetten aufgewachsen. Die Augsburger Puppenkiste gehört zur DNA dieses Landes, seit in der ersten TV-Serie im westdeutschen Fernsehen erstmals Jim Knopf auf den Bildschirmen erschien. - Amazon

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Gestern habe ich mit dem Roman begonnen und bin schon gefangen.

    Erwähnen kann man auch die schöne Aufmachung - die Zeichnungen und die zweifarbige Schrift, rot und blau im Wechsel, je nach Zeitebene bzw. Person ("Das Mädchen" oder "Hatü").

  • Ein Buch, an welchem man derzeit nicht vorbeikommt.

    Der Titel stand auf der Liste für den Deutschen Buchpreis 2020 und ich fand ich ihn grandios:

    Zitat aus dem Nachwort:

    „Dieser Roman erzählt die Geschichte der Augsburger Puppennkiste, und wie jeder Roman ist er selbst ein Marionettenspiel“

    Ich bin ein Kind der 1970er Jahre und die Filmausstrahlungen der Ausburger Puppenkiste gehören zu mich zu den ersten Erinnerungen der Fernsehzeit. Ich habe sie geliebt und fand das fantastische Bühnenbild immer absolut imponierend.

    In der Zeit als : „Eine Insel mit zwei Bergen“ als Hit in den Radios rauf und runtergespielt wurde, habe ich meinen Mann kennen gelernt und jetzt habe ich einen „großen Roman über ein kleines Theater“ gelesen. Die Augsburger Puppenkiste begleitet mich also schon mein ganzes Leben

    Ich kann mich nur wiederholen, wenn ich sage, dass mir das Buch sehr gut gefallen hat. Es war zum einen interessant aufgebaut durch die zwei Zeitebenen, die in dem Roman farblich unterschieden wurden. Aber mir hat natürlich der Hauptteil, die Vergangenheit und somit die Geschichte um die Entstehen der Augsburger Puppenkiste besser gefallen. Es war interessant und fast spannend zu lesen, wie aus dem wenigen vorhanden und dem Wille Kinder in der trostlosen Zeit zu unterhalten, sowas Tolles entstanden ist und als dann nach einem Bombenanschlag, als alles verbrannt und vernichtet war, trotzdem wieder die Puppenkiste aufgebaut wurde um einen Raum zum Träumen zu bieten:

    S. 67

    „Aber sollte der Theeatervorhang nicht rot sein?“ frage Ulla.

    Der Vater schüttelt den Kopf.

    „Im Menschentheater schon, denn rot ist die Farbe unseres Blutes. Marionetten aber haben kein Blut. Ihr Theater hat die Farbe des Himmels“


    Mein Buch ist gespickt von Post it-Zetteln, weil ich das Buch mit tollen Aussagen, Ansichten mutmachend und einfach herzerwäremend fand:

    S. 66

    „Weißt Du, weshalb ich Marionetten so liebe?“ fragt er.

    Hatü sieht ihn fragend an.

    „Die Fäden, an denen sie hängen, setzen genau in ihrem Zentrum an, deshalb denk man, ihre Bewegungen hätten so etwas wie eine Seele. Dabei folgen ihre Glieder bloß dem Gesetz der Schwere. Das sie aber garnicht kennen. So wenig wie Eitelkeit. Alle Menschen sind eitel. Und alle Menschen brauchen den Boden, um darauf zu ruhen. Marionetten aber nutzen nur wie Elfen, um ihn zu streifen. Das macht ihre Grazie[…]“

    S. 278

    „Der Herzfaden, hat sie die Stimme ihres Vaters im Ohr, ist der wichtigste Faden einer Marionette. Er macht uns glauben, sie sei lebendig, denn er ist am Herzen der Zuschauer festgemacht“

    Ein Buch, was mich sehr berührt und fasziniert hat und auch noch Nachhalt.

    Und gerade jetzt zu Coronazeiten, hoffe ich so sehr, dass diese Theater bald wieder öffnen darf und Kinder und Erwachsene fasziniert und begeistert und zum Träumen bringt.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    :pray::applause::cheers:

  • (Beitrag aus dem „Abgebrochene - Bücher - Thread“ , Nov. 2020)


    Ich hatte nach etwa der Hälfte dieses Buch abgebrochen.


    Das Thema interessierte mich und ich mochte auch das umstrittene „Pfaueninsel“ desselben Autors, aber hier kam ich leider gar nicht vorwärts.


    Gründe dafür:

    Das Buch besteht aus zwei Handlungssträngen, von denen einer in der Gegenwart spielt. Eine 12- jährige verirrt sich in den Kulissen der Augsburger Puppenkiste, wo die Marionetten zum Leben erwachen und ihr die Mitbegründerin Hannelore Oehmichen, genannt Hatü, als „Geist“ erscheint. Soll das magischer Realismus sein? Dafür ist die Erzählweise dieses Teils allerdings etwas flach bis kindlich - naiv geraten.

    Zitat: „Das Mädchen riss sich von der Hand des Vaters los und lief weg (...). Es zog das iPhone aus der Tasche seines Kapuzenpullis und schickte alle seinen Freundinnen Tränen - Smileys.“

    Ich habe v.a. in diesen rot gedruckten Abschnitten immer wieder über die Zielgruppe des Buches gerätselt, m.E. könnte es für Kinder/Jugendliche ab zehn/zwölf Jahren geschrieben worden sein. Das muss ja per se nichts Schlechtes bedeuten, aber die Nominierung für den Deutschen Buchpreis erschließt sich mir nicht wirklich.

    Nachdem besagtes Mädchen wirklich ständig mit seinem iPhone zu Gange ist, was mich unglaublich genervt hat, entschied ich mich, mich mehr auf den blau gedruckten Teil zu konzentrieren, der das Leben von Hatü erzählt, beginnend mit ihrer Kindheit im Dritten Reich.

    Die Art und Weise, wie das geschieht, war mir persönlich allerdings zu betulich. Alles muss kurz erwähnt werden (Vater als Kriegsheimkehrer, Bombenangriff auf Augsburg, Abtransport der jüdischen Nachbarn,...), tut aber aufgrund der Kürze bzw. Oberflächlichkeit der geschilderten Ereignisse nicht wirklich „weh“.


    Dieses Erinnern an deutsche Geschichte/n hatte mich persönlich leider weder sprachlich noch inhaltlich fesseln können.

  • entschied ich mich, mich mehr auf den blau gedruckten Teil zu konzentrieren, der das Leben von Hatü erzählt,

    Das habe ich in der zweiten Hälfte auch gemacht, weil mir der Erzählstrang über das Mädchen und den Hatü-Geist nicht besonders gefiel. Die roten Passagen habe ich nur überflogen, damit ich einigermaßen in der Handlung blieb (ganz ist es mir nicht gelungen), die blauen habe ich gelesen und fand sie mittelprächtig.

    Aber ich mochte schon "Die Pfaueninsel" nicht besonders.

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  • Marie : Teilweise dachte ich wirklich, Hettche wird von Apple gesponsert. Der rote Teil machte mich fast schon aggressiv.


    Ich weiß außerdem nicht, ob ich den Rot-/Blau - Farbwechsel als gut gemeinte Reminiszenz an „Die unendliche Geschichte“ deuten soll oder als eine Art Trittbrettfahren auf dem bewährten Nostalgiezug.

  • Reminiszenz

    Genau das war auch meine Idee. Vor allem, weil Ende neben St. Exupery der einzige Autor im Buch ist, der als Person erscheint.


    Marionetten, die lebendig werden und von ihrem "Leben" erzählen, dabei den Geist der Bücher vermitteln, denen sie entstammen - das war meine Erwartung an das Buch. Also eine Mischung aus literarischer Nostalgie mit geschichtlichen Elementen und ein bisschen Fantasy.

    Doch irgendwie bekam die Erzählung durch die Figur des Mädchens, seine Redeweise und den Gebrauch seines Telefons einen anachronistischen Beigeschmack.

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  • Ein Mädchen verirrt sich nach dem Besuch der Augsburger Puppenkiste im Gebäude und landet auf dem Dachboden, wo sie nicht nur viele Marionetten, sondern auch Hatü, die Tochter des Gründers des Puppentheaters trifft, die ihr ihre Geschichte erzählt.


    Diese setzt 1939 ein, Hatü, wie Hannelore, die jüngere Tochter Walter Oehmichens genannt wird, ist 8 Jahre alt und mit ihren Eltern und ihrer Schwester Ulla in den Ferien, als ihr Vater einberufen wird, und die Familie den Urlaub abbrechen muss. Hatüs weiteres Leben wird in Momentaufnahmen erzählt, wir erleben mit ihr die Kriegs- und die Nachkriegszeit, den Aufbau der Puppenkiste, deren Vorgänger 1944 eine Bombennacht nicht übersteht, bis hin zur ersten Fernsehübertragung.


    Ich glaube, die Augsburger Puppenkiste kennt jeder, sie gehört, wie es im Buch heißt, zur DNA unseres Landes. Und wenn ich ihre Stücke sehe, werde ich wieder zum Kind – eine Aussage, die auch der Roman trifft, dass in jedem Erwachsenen auch das Kind steckt. Das sieht am Ende auch das Mächen ein, die Protagonistin der Rahmenhandlung, das sich am Anfang noch für zu alt für die Puppenkiste hält. Die Rahmenhandlung gibt dem Roman einen regelrecht philosophischen Überbau, und bringt den Leser zum Nachdenken. Ob ich alles so verstanden habe, wie es der Autor beabsichtigte, weiß ich nicht, aber das ist wahrscheinlich auch egal.


    Die Zeichnungen von Matthias Beckmann tragen ihr Teil dazu bei, dass man sich an die schöne Zeit erinnert, die man selbst mit den Stücken der Augsburger Puppenkiste hatte. Wie diese überhaupt entstanden ist, und das wurde, was sie heute ist, ist interessant zu lesen. Und mich hat er schon immer erreicht, der Herzfaden!


    Mich hat der Roman berührt, auch wenn ich etwas unsicher bin, was die Rahmenhandlung angeht. Er ist nicht einfach zu lesen, und zeigt nur Momentaufnahmen. Aber, bei dem, der die Augsburger Puppenkiste liebt – und er tut das nicht? – werden viele Erinnerungen geweckt. 4 Sterne und eine Leseempfehlung.