Beschreibungstext:
„Krieg! Wir ziehen endlich in den Krieg!“
So tönt es an allen Ecken und Enden des mächtigen Königreichs Farank. Zwerge liefern die neuesten Kanonen, Heerführer versammeln ihre Armeen, um Richtung Norden zu marschieren. Das Ziel ist die freie Stadt Hamb, Handelsmetropole am kalten Meer. Regiert von Königin Aidasha, der unsterblichen Wasserhexe, letzter Zufluchtsort für mutanderverseuchte Kreaturen ohne Sanktion.
Drachen, Albrae, Werwesen und Meeresungeheuer stehen treu an der Seite der Hexe, machen Hamb zu einem mehr als nur würdigen Gegner für Farank.
Doch dessen König will eigentlich gar keinen Krieg, sieht dem Blutvergießen mit Grauen entgegen. Heimlich startet er einen letzten Versuch, den Frieden zu wahren – Klingensänger Halbar soll vermitteln. Gemeinsam mit einer spitzohrigen Botschafterin der Tha und einem alten Bekannten macht er sich auf den Weg in den hohen Norden …
Ein verfluchter Krieger, ein Dämonenkind, das andere dämonische Geschöpfe jagt.
Eine mysteriöse Botschafterin aus einem fernen, unermesslich reichen Land.
Ein zwielichtiger Magier, der dem Bösen nicht abgeneigt scheint.
Zusammen müssen sie einen Krieg verhindern, der die Alte Welt in eine neue Finsternis stürzen könnte.
Doch manchmal verstecken sich die Feinde des Friedens in den eigenen Reihen ...
- Quelle: Amazon.de
Meine Analyse:
Nachdem dieser Roman auf der Novelle "Halbar von Malan" aufbaut, war meine Erwartungshaltung irgendwo zwischen "gedämpft" und vorsichtig optimistisch angesiedelt. Denn das kurze Büchlein war bis auf eine herrlich farbenfrohe Beschreibung Mailands in der postapokalyptischen Fantasywelt und einige gut choreographierte Kämpfe doch eher konservativ gestrickt. Ich erwartete also ein eher klassisches Fantasyabenteuer, vielleicht mit einigen Schenkelklopfern aufgelockert.
So kann man sich irren.
Denn Ertlov, der mit seiner teils knallharten, teils aberwitzigen Comedy-SF "Mutation" 2019 einige Buchpreise abräumte und monatelang diverse Bestsellerlisten bei Amazon anführte, stürzt sich mit einer ähnlichen "was solls!" Mentalität in die Fantasy. Nur diesmal viel eleganter, anspruchsvoller und geschmeidiger ausformuliert. Das geschickte Spiel mit der Erwartungshaltung der Leser beginnt schon beim Cover, das genau so auch auf einem billigen 90er Jahre Heftroman prangen könnte. Es suggeriert Trash, während der Inhalt meilenweit davon entfernt ist - und viele Details des Bildes haben in der Handlung eine manchmal amüsante, manchmal ernste Bedeutung.
Die Erzählung selbst präsentiert sich auf den ersten Blick als spannende Heldenreise, ein Zugeständnis an das in Punkto Leservorstellungen immer noch sehr konservative Genre. Das ist aber auch schon der einzige Kompromiss. Denn während uns die Story durch eine Unzahl bizarrer, spannender, nachdenklich machender Begegnungen jagt, wird gekonnt jede Regel gebrochen, wie "klassische Fantasy auszusehen hat". Oder zumindest gebogen. Etwas, dem Buch gut tut und frischen Wind in eine Nische der Phantastik trägt, in der oft sehr vertraut vorkommende Stories in einander ähnelnder Art und Weise abgehandelt werden.
Klingensänger Halbar, der verfluchte Nachfahre dämonischer Krieger, funktioniert von Anfang an im Tandem mit dem Schwarzmagier Yorrick von Dornbarn, eigentlich einem Erzfeind seiner Art. Auch ihre weiteren Begleiter, Mitglieder einer Truppe, die verzweifelt versucht, den Krieg zwischen Farank (Frankfurt) und Hamb (Hamburg) zu verhindern, bekommen Tiefe, Ecken und Kanten.
Die Geschichte ist spannend, es gibt gute Wendungen, beeindruckende Charaktere (die Königin von Hamb, die schwarze Generälin Faranks, die Drachin) und Kämpfe in einer Intensität, die man so zuvor kaum gelesen hat. Oder noch nie.
Am Besten ist allerdings der Humor gelungen, auch wenn er nur die zweite Geige spielt. Denn er spielt sich ausschließlich im Kopf des Lesers ab, zieht seine Schlagkraft aus dem Wissen des Rezipienten, der seine eigene (unsere) Welt hier in der Fantasy widergespiegelt sieht. Das hat bis jetzt nur ein anderer Autor so gut hinbekommen, und sein Name war Terry Pratchett. Klischees werden liebevoll aufgegriffen, als solche ad absurdum geführt, Stereotype entweder lächelnd oder brutal zerschlagen. Die vierte Wand fällt nie, auch wenn Yorrick (einer der spanndendsten Romancharaktere der letzten Jahre) manchmal kurz davor ist, diese zumindest zu erahnen. Eine großartige Erzählung, sowohl sprachlich als auch inhaltlich.
Über den Schluss kann man streiten - oder muss es sogar, in einer offenen, pluralistischen Gesellschaft, die derzeit angegriffen wird. Hier wird die Geschichte endgültig politisierend, polarisierend - aber letztendlich befriedigend aufgelöst.
Mein Fazit:
Seit "Wachen, Wachen" von Terry Pratchett hat mich kein Fantasyroman mehr so mitgenommen und beeindruckt wie "Zwergenstahl & Drachenfeuer". Puritanischen Genre-Gatekeepern wird das eine oder andere Unikum vielleicht ein Dorn im Auge sein, aber auch diese können sich wahrscheinlich der Gesamtwirkung nicht entziehen. Trotzdem will ich nicht die absolute Höchstnote vergeben - denn der Autor schreibt hier teilweise für einen idealen Leser oder eine ideale Leserin, die es so nicht gibt. Intelligenz, Sprachkenntnis und vor allem eine umfassende, breite Allgemeinbildung samt Vertrautheit mit der Popkultur werden vorausgesetzt, um wirklich alle Finessen mitzubekommen. Oh, es ist sicher auch für jeden 08/15 Fantasy Fan unterhaltsam, spannend und "gut" bis "sehr gut", aber mehr Spaß macht es, wenn man alle Anspielungen und Seitenhiebe versteht.
Daher "nur" von .