Wiebke von Carolsfeld - Das Haus in der Claremont Street / Claremont

  • Inhalt: Zitat amazon.de:

    "»Eines der besten kanadischen Debüts des Jahres!« Montreal Gazette

    »Das Haus in der Claremont Street« ist das viel gelobte Debüt der Deutsch-Kanadierin Wiebke von Carolsfeld, die vor 30 Jahren ihre Laufbahn als Verlagskauffrau bei Kiepenheuer & Witsch begann und dann von Köln nach Kanada auswanderte und dort Filmemacherin wurde. Wie überlebt man das Undenkbare? Tom weigert sich zu sprechen, nachdem seine Eltern auf brutale Weise sterben. Seine unfreiwillig kinderlose Tante Sonya nimmt ihn auf, kommt aber nicht an den traumatisierten Jungen heran. Bald ist Tom gezwungen, erneut umzuziehen, diesmal in die Claremont Street in der Innenstadt von Toronto, in der ihm seine liebenswert-chaotische Tante Rose und sein Weltenbummler-Onkel Will ein Zuhause geben. Mit der Zeit wird Toms Schweigen zu einer mächtigen Präsenz, die es dieser zerrütteten Familie ermöglicht, einander zum ersten Mal wirklich zu hören. Ein Roman darüber, wie mit viel Humor und Liebe selbst aus den schlimmst möglichen Umständen etwas Positives erwachsen kann."





    Das Cover passt sehr gelungen zum Inhalt. Auch wenn es auf den ersten Blick eher wenig aufregend wirkt, wird eine Atmosphäre geschaffen, die überzeugt.

    Der Schreibstil verhält sich genau wie das Cover. Die Geschehnisse und Gedanken werden still und schon fas trostlos erzählt. Dennoch schaffen diese Details ein umfängliches Bild der Schauplätze und Mitwirkenden, die den Leser mit ins Geschehen nehmen, begreifen lassen und Hoffnung und Trost spenden.

    Die Charaktere besitzen jeder für sich so den eigenen Charme mit allen möglichen Ecken und Kanten. Genau das macht die Verhaltensweisen und Zusammenhänge auch so authentisch und nachvollziehbar. Jeder hat so seine Macken, die dennoch liebenswert sind.

    Durch die Sicht des Protagonisten werden die Handlungsstränge aufgedeckt, die zeigen, dass jeder hier so sein Päckchen zu tragen hat.

    Aber, auch wenn die Thematik und der Stil melancholisch daherkommen, gibt es immer wieder Szenen, die den Leser zum Lachen bringen.

    Die breite Fächerung der Bausteine macht Tiefsinn, der zum Innehalten, Nachdenken und Reflektieren führt.


    Mein Fazit: fast unscheinbar werden extreme Emotionen geweckt

  • K.-G. Beck-Ewe

    Hat den Titel des Themas von „Von Carolsfeld Wiebke - Das Haus in der Claremont Street“ zu „Von Carolsfeld Wiebke - Das Haus in der Claremont Street / Claremont“ geändert.
  • Squirrel

    Hat den Titel des Themas von „Von Carolsfeld Wiebke - Das Haus in der Claremont Street / Claremont“ zu „Wiebke von Carolsfeld - Das Haus in der Claremont Street / Claremont“ geändert.
  • Leseempfehlung!


    Nach einer Familientragödie ist Tom Waise. Vater und Mutter sind tot und der Neunjährige ganz allein. Seine Tante Sonya und ihr Ehemann Nick nehmen Tom bei sich auf. Doch da Tom weder spricht, noch gross Interesse an seiner Umgebung zeigt, ist Sonya schnell am Ende ihrer Geduld und Kraft. Rose, die Schwester von Sonya und Mona, Tom's verstorbener Mutter, bietet an, dem Jungen ein Zuhause zu geben. So zieht Tom in den chaotischen Haushalt in der Claremont Street in Toronto. Neben Rose gehören zu dem Haushalt auch der 14jährige Nick und Tom's Onkel Will. Kann die zusammengewürfelte WG Tom aus seinem Trauma reissen?


    Die ersten Kapitel haben es schon in sich. Man erlebt als Leser den Auslöser von Tom's zukünftigem Trauma hautnah mit.

    Was erst Raum für Spekulationen lässt, wird zur Gewissheit. Man erfährt, was mit Mona und Russell, Tom's Eltern, geschehen ist. Mir hat der Junge da schon unheimlich leid getan. Und so hat mich sein Schicksal das ganze Buch über nicht mehr los gelassen. Vor allem seine Schuldgefühle, seiner Mutter im wichtigen Augenblick nicht geholfen zu haben, haben mich unheimlich durchgeschüttelt. Schrecklich, wenn ein so kleiner Junge, eine solche Last tragen muss.

    Die Geschichte beginnt im Mai und endet im März des folgenden Jahres. Jedes Kapitel beinhaltet einen Monat und damit begleitet man Tom fast ein Jahr lang. Man erfährt, was mit Tom geschieht und wie er sich entwickelt. Das Trauma, das bei ihm selektiven Mutismus ausgelöst hat, ist hervorragend und absolut überzeugend in die Geschichte eingeflochten. Immer wieder beleuchtet die Autorin, was diese Sprachlosigkeit nicht nur für Tom, sondern auch für seine Verwandtschaft bedeutet.

    Die fliessenden Perspektivwechsel, und die damit ineinander übergehenden Blickwinkel auf den Verlust der Schwester, Mutter , Schwägerin oder Tante, machen die Story zu einer vielseitigen und berührenden Geschichte.

    Mit der Familie erlebt man unheimlich traurige, fröhliche, berührende aber auch überraschende Situationen. Dabei ist nicht alles rosarot und wunderbar. Wie es so ist, gibt es auch in dieser Familie untereinander Spannungen, Neid und Schuldzuweisungen.

    Die Figuren gingen mir sehr ans Herz. Jede und jeder in der Familie ist so authentisch charakterisiert, dass man gar nicht anders kann als mit ihnen mitfühlen, sich ärgern oder mitlachen.

    Da ist zuerst mal Tom, der erlebt, was kein Kind in seinem Alter erleben sollte. Seine Hilf- und Hoffnungslosigkeit, als sich sein ganzes Leben ändert, hat mir zeitweise Tränen in die Augen getrieben.

    Dann sind da Will, Sonya und Rose, die Geschwister seiner Mutter, die nicht nur mit dem Verlust der geliebten Schwester fertig werden müssen, sondern von einem Tag auf den anderen die Verantwortung für ihren Neffen tragen. Jeder anders und seinen Charaktereigenschaften und Möglichkeiten angepasst. Und dabei auch mit Schuldgefühlen zurecht kommen müssen. Schuldgefühle darüber, Mona nicht geholfen zu haben.

    Da ist Sonya, die nach ihrem unerfüllten Kinderwunsch froh ist, endlich ein Kind um sich zu haben. Und durch ihren Perfektionismus Tom nicht erreichen kann und schliesslich aufgibt.

    Rose, die ihre chaotische und zusammengewürfelte Wohngemeinschaft zusammenhält, überfordert ist mit dem eigenen Sohn und doch sehr viel Herz zeigt.

    Und dann ist da noch Will, der nicht so richtig erwachsen sein möchte und von einem Gelegenheitsjob in den nächsten rutscht. Und Tom nimmt, wie er ist und dabei sehr gut fährt.

    Ich konnte kaum glauben, dass "Das Haus in der Clarmenont Street" das Debüt der Autorin ist. Denn nicht nur der Plot und die Figuren überzeugen und sind rund und schlüssig .... auch der Schreibstil ist gelungen und liest sich sehr flüssig. Von mir eine Leseempfehlung für diesen wunderbaren Roman!


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  • Tatsächlich, die Autorin mit dem friesischen Vornamen Wiebke ist Kanadierin:


    Wiebke von Carolsfeld ist eine in Deutschland geborene Schriftstellerin und Filmemacherin, die in Montreal lebt. Sie führte bei drei von der Kritik gefeierten Spielfilmen Regie, u.a. »Marion Bridge« und »The Saver« und gewann zahlreiche Preise. Sie ist eine renommierte Cutterin für Spielfilme und gibt internationale Kurse über das Drehbuchschreiben, Filmemachen und den kreativen Prozess. »Das Haus in der Claremont Street« ist ihr erster Roman. - Amazon

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Familien sind wie Nougat – vorwiegend süß mit ein paar tauben Nüssen

    Tom ist neun Jahre alt, als sein gewalttätiger Vater Toms Mutter Mona erschlägt und sich anschließend erschießt. Tom zieht sich vollkommen in sich selbst zurück und spricht nicht mehr. Das Leben erscheint ihm sinnlos und er gibt sich eine Mitschuld am Tod der Mutter.


    Zunächst lebt Tom bei der ältesten Schwester seiner Mutter, Sonya, und deren Mann Alex. Die beiden versuchen seit Jahren ein Kind zu bekommen und freuen sich zunächst über die Aufgabe, doch das Leben mit einem schwer traumatisierten Neunjährigen, der nicht spricht und Nacht für Nacht ins Bett macht, überfordert ihre Fähigkeiten und Tom zieht zu Sonyas jüngerer Schwester Rose in die Claremont Street. Das Leben dort könnte nicht unterschiedlicher sein zu dem, was Tom bei Sonya erlebte. Während dort Perfektionismus herrschte, lebt Rose im absoluten Chaos. Mit im Haus leben Nick, Roses 14jähriger Sohn, sowie Sonyas und Roses Bruder Will. Obwohl Tom sich in dieser Umgebung weitaus wohler fühlt, bleibt er stumm und beginnt sich selbst zu ritzen. Nach einer Reihe von Vorkommnissen beschließt das Jugendamt, dass es das Beste für Tom ist, in einer Pflegefamilie zu leben. Wieder wird der Junge aus seiner gewohnten Umgebung gerissen, doch nun erwacht der Kampfgeist der Schwestern. Sie beschließen, ihre eigenen Probleme und Differenzen beiseite zu legen und dafür zu kämpfen, dass Tom in ihre Familie zurückkehrt.


    Wiebke von Carolsfeld zeichnet in diesem Roman das Bild einer Familie, die alles andere als perfekt ist. Nicht nur Tom ist traumatisiert, auch Monas Geschwister machen sich die größten Vorwürfe. Sie alle hatten bemerkt, dass Monas Ehe nicht glücklich war, doch beschlossen wegzuschauen. So unterschiedlich die Geschwister sind, so versucht doch jeder auf seine Art, Tom zu helfen und mit dem Verlust weiterzuleben. „Das Haus in der Claremont Street“ ist ein sehr berührender und eindringlicher Roman. Er schockiert und macht traurig, doch gibt auch Hoffnung. Ein Buch, das aus der Masse hervorsticht. :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

  • Sonya die nach einem schweren Schicksalsschlag den traumatisierten neunjährigen Sohn ihrer Schwester bei sich aufnimmt , hat es nicht leicht . Er redet nicht und schweigt beharrlich . Sie weiß sich bald nicht mehr zu helfen ... Durch Tom findet ihre ganze Familie wieder zusammen .


    Die Kapitel wechseln sich zwischen den einzelnen Charakteren ab . Die wiederum passen sehr gut in die Geschichte , sind glaubwürdig und jeder auf seine ganz besondere Art sympathisch . Der Schreib - und Erzählstil ist fast schon poetisch ,ruhig und hat für mich einen etwas traurigen Klang . Die Spannung in diesem Familienroman hält sich im Hintergrund . Es ist eher das nachdenkliche was bei mir im Vordergrund steht . Es gibt immer wieder Rückblicke wie es vor dem Schicksalsschlag war . Davon hätte ich mir allerdings etwas mehr gewünscht . Die Handlung spielt sich hauptsächlich in der Innenstadt von Toronto ab .


    Fazit : Zu Beginn hatte ich etwas Schwierigkeiten in das Buch hineinzukommen . Es ist eher eine Erzählung mit einem traurigen Thema . Umso schöner und positiver wird er dagegen zum Schluss . Es ist ein berührender Familienroman der mich leider nicht richtig fesseln konnte .

    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Toms Eltern sterben auf schreckliche Weise, er verliert dadurch seine Sprache. Seine Tante wird sein Vormund.

    Wie würde ich reagieren wenn diese schreckliche Tat in meiner Familie passieren würde. Mit Sicherheit hätte ich genau so viele Schuldgefühle wie die Geschwister. Ich würde auch auf Biegen und Brechen mich um das Kind kümmern wollen. Aber genauso würde ich wahrscheinlich verzweifeln.

    Das ist es, was das Buch so faszinierend macht, als Leser ist man jede Sekunde mittendrin im Geschehen, man kann fast schon vorhersehen was als Nächstes geschieht. Denn alles ist so folgerichtig. Die Schuld, das Versagen, die Verzweiflung und letztendlich die Hoffnung.

    Rational weiß jeder, es hat keiner Schuld außer der Täter. Man weiß wenn die Frau sich nicht aus dieser Spirale lösen kann, ist es schwer zu helfen. Das traumatisierte Kind braucht viel Zeit um zu heilen und sehr starke Menschen um sich herum.

    Aber erstmal sind alle verletzt, alle müssen heilen, erst dann können sie zusammen als Familie dem Kind helfen.

    Genau das erzählt das Buch, wie die Geschwister die bisher mehr oder weniger nebeneinander gelebt haben, durch den schrecklichen Tod der Schwester und die Aufgabe dem verstummten Jungen die Sprache und eine Familie wieder zugeben, zueinander finden und sich selber eine neue Position im Leben erarbeiten .

    Jedes Familienmitglied kommt zu Wort, Alle erleben das Gleiche, haben die gleichen Gefühle nur sie gehen unterschiedlich damit um. Dieser Roman kann irgendwo so passiert sein, das macht ihn wertvoll, denn eine Phantasie die man sich vorstellen kann aber nicht als gegeben nehmen muss ist einfach großartig.

  • Kann aus einem schrecklichen Unglück etwas Gutes entstehen?


    Was für eine schreckliche Tat. Toms Eltern sind tot und der sensible Neunjährige ist plötzlich ein Waisenkind. Seine Tante Sonya wird zu seinem Vormund und gibt sich alle Mühe, Zugang zu dem verstummten Jungen zu finden. Sonya scheitert und Tom zieht weiter zur zweiten Schwester seiner Mutter und dem einzigen Bruder. Rose und Will wirken neben der perfekten und durchorganisierten Sonya recht chaotisch. Eine allzu große Zuneigung scheinen die beiden Jüngeren zu ihrer älteren Schwester nicht zu haben. Eine Familie mit Ecken und Kanten, unausgesprochenen Gefühlen und Geheimnissen. Auch das Verhältnis zu den Eltern war offenbar nicht einfach.
    Und mitten in diese mit zahlreichen Bürden beladenen Geschwister kommt der stumme Tom und bringt das Gefühlsfass zum Überlaufen.
    Alle drei versuchen auf ihre Art, Tom zu helfen und zeigen durch ihr Scheitern gleichzeitig gnadenlos das eigene Versagen auf. Nicht nur bei Tom, sondern generell im Leben. Ein Alltag, der irgendwie oberflächlich funktionierte, zeigt nun deutliche Risse und bisher kompensierte Unzulänglichkeiten treten deutlich hervor.

    Wiebke von Carolsfeld hat eine von tiefer Trauer bestimmte Familiengeschichte geschrieben und dabei gleichzeitig so liebenswerte Charaktere geschaffen, die den Lesern ganz nahe kommen. Bei aller Dramatik kommen immer wieder Situationen vor, die einem zum Schmunzeln bringen. Vielleicht mag das an der einen oder anderen Stelle schon etwas zu viel sein, ich fand es aber stimmig. Wenn es dicke kommt, dann aber auch zu 100 Prozent.

    Die Geschichte wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt und dadurch werden die unterschiedlichen Stimmungen der Figuren sehr gut vermittelt. Dabei stehen vor allem die erwachsenen Geschwister dem stummen Tom gegenüber, der in den Kapiteln aus seiner Sicht, sehr wohl zu Wort kommt. Die Autorin versteht es, die jeweilige Atmosphäre gut einzufangen. Sei es der ängstliche, einsame Tom in seinem Zimmer oder die kinderlose, zweifelnde Sonya. Besonders gut haben mir Will und Rose gefallen. Will, der chaotische Rumtreiber, der nicht erwachsen werden und keine Verantwortung übernehmen will und Rose, die an einer verstopften Spüle verzweifelt. Als in der Spüle das Dreckwasser endlich wieder abfließt, beginnt auch in der Geschichte langsam eine Art "Reinigung" der Figuren und alle finden ihren Weg.


    Der Schreibstil gefällt mir. Die Geschichte läßt sich sehr gut lesen, verlangt aber Aufmerksamkeit: Es wird recht kompakt (auf knapp 360 Seiten) eine komplexe Familiengeschichte erzählt, in der noch mehr Figuren eine Rolle spielen, als die drei lebenden Geschwister, die tote Schwester und der stumme Tom.

    Das Cover gefällt mir ebenfalls sehr gut. Die Zeichnung bezieht sich auf gemeinsame Familienurlaube am See. Schöne Erinnerungen, in die Tom sich flüchtet, wenn die Trauer zu groß wird. Über allem thront das angedeutete und titelgebende Haus in der Claremont Street. Ein insgesamt stimmiges und ansprechendes Cover.

    Ich habe das Buch sehr gerne gelesen, wobei ich besonders Will und Rose ins Herz geschlossen habe, und vergebe fünf Sterne für diese besondere Familiengeschichte aus Toronto.

  • Autorin: Wiebke von Carolsfeld

    Titel: Das Haus in der Claremont Street

    Seiten: 361

    ISBN: 978-3-462-05475-0

    Verlag: Kiepenheuer & Witsch

    Übersetzerin: Dorothee Merkel


    Autorin:

    Wiebke von Carolsfeld wurde 1966 in Deutschland geboren und lebt als Filmeditorin, Regisseurin und Drehbuchautorin in Montreal. Als Cutterin gewann sie zahlreiche Preise und gibt zahlreiche Kurse über das Drehbuchschreiben, Filmemachen und den kreativen Prozess. 2002 wurde sie für den besten Schnitt für den Genie Award nominiert. Im Verlag Kiepenheuer & Witsch machte sie zuvor eine Ausbildung zur Verlagskauffrau. Dies ist ihr erster Roman.


    Inhalt:

    Wie überlebt man das Undenkbare? Tom weigert sich zu sprechen, nachdem seine Eltern auf brutale Weise sterben. Seine unfreiwillig kinderlose Tante Sonya nimmt ihn auf, kommt aber nicht an den traumatisierten Jungen heran. Bald ist Tom gezwungen, erneut umzuziehen, diesmal in die Claremont Street in der Innenstadt von Toronto, in der ihm seine liebenswert-chaotische Tante Rose und sein Weltenbummler-Onkel Will ein Zuhause geben. Mit der Zeit wird Toms Schweigen zu einer mächtigen Präsenz, die es dieser zerrütteten Familie ermöglichst, einander zum ersten Mal wirklich zu hören. Ein Roman darüber, wie mit viel Humor und Liebe selbst aus den schlimmstmöglichen Umständen etwas Positives erwachsen kann. (Inhaltsangabe Verlag)


    Rezension:

    "Wir sterben." Mit letzter Kraft sind es diese Worte, die dem kleinen Hauptprotagonisten über die Lippen kommen. Dann lange nichts. Tatsächlich ist dieses Debüt, welches mit einem lauten Knall beginnt, ein zutiefst mitfühlendes, auch verstörendes Porträt, eine ansonsten ruhige, dafür um so düstere Erzählung, die nun aus der Feder Wiebke von Carolsfelds vorgelegt wird.


    Hauptprotagonist und Mittelpunkt der Geschichte ist ein kleiner Junge, der unschuldiger nicht sein könnte und auf dessen kleinen Schultern nun die Last liegt, eines der schlimmsten Vorkommnisse innerhalb von Familien erlebt zu haben. Zuerst ist der Schmerz da. Sehr viel später wird die Trauer folgen, doch Tom schweigt zunächst, lässt niemanden an sich heran. Warum denn auch? Ist doch eh alles vorbei.


    Zitat

    Tom packte sich eine Tonscherbe, die von der Wand abgeprallt und direkt neben seinem Fuß gelandet war. Mama hatte diese Tasse geformt, hatte seinen Namen in den feuchten Ton geschrieben. Aber Tom konnte sich nicht mehr an die Konturen ihrer Hände erinnern. Angewidert schloss Tom seine Finger zur Faust und genoss den Schmerz, den der scharfe Splitter ihn bereitete. Je fester er drückte, je tiefer der Schnitt, desto besser.


    Herzzerreisend lesen sich die Zeilen, in klarer einnehmender Sprache geschrieben, um diese chaotische Familie, deren Zuhause in glücklichen Tagen ein liebevolles wäre, doch nun versucht jeder Protagonisten das Unbegreifbare zu fassen. Nichts ist schwarz oder weiß in diesem Roman, mit jeder Zeile gleitet man tiefer in die Seelenleben der handelnden Personen, die wechselhaft sympathisch agieren, doch innerhalb des erzählten Schicksallschlags völlig logisch, manchmal kopflos.


    Wechselhaft ist die Perspektive, über ein Jahr begleiten wir Tom und das, was von der Familie übrig geblieben ist. Wie trauern wir? Wie gehen wir mit der Trauer anderer Menschen um? Wie können wir einander beistehen, nahe sein, wo wir doch vielleicht selbst Halt brauchen? Ist es möglich, einander zu verstehen? Zu begreifen? Heilt die Zeit alle Wunden?


    Zitat

    Tom streckte seine Hand aus, um näher an die rot glühenden Kohlen zu kommen. Er würde die Hand nicht zurückziehen, er würde es schaffen, den Kurs zu halten und diese Sache hier zu Ende zu bringen, die er angefangen hatte.


    Fragen werden aufgeworfen, in diesem relativ kompakten Roman, die nicht einfach zu beantworten sind. Sofern dies überhaupt möglich ist. daran entlang hangelt sich die Autorin und lässt ihre Protagonisten einen langen steinigen Weg gehen, der für jeden von ihnen unterschiedliche Fallstricke bereithält. Mehr oder weniger geschickt, meistern diese das Bevorstehende, um das Zurückliegende zu begreifen. Der Lesende wird in die Handlung hineingezogen. Klare Sprache, in einem ruhigen und der Thematik angemessenen düsteren Handlungsrahmen.


    Kleine Momente des Glücks blitzen auf. Mit Witz treten sie an der Oberfläche, um zunächst so schnell zu verschwinden, wie sie gekommen sind. Die Zeit bringt es mit sich, dass sie zahlreicher werden. Wird es ihnen am Ende gelingen, eine Art Abschluss zu schaffen?


    Eine Erzählung über Trauer, Auseinandergehen und Zusammenhalt, Hilfe und Verarbeitung, darüber, was Familie wirklich bedeuten kann. Schon alleine deshalb ist Wiebke von Carolsfelds Roman einer der ganz großen, die es verdient haben, bekannter zu werden. Kinder sind am Anfang eines solchen Weges die Schwächsten, können jedoch, wenn alle Umstände günstig liegen, am stärksten aus einem solchen Schlag hervorgehen. Die Autorin zeigt das mit sehr viel Einfühlungsvermögen, so dass ich einen allzu kitschigen Absatz gegen Ende gern überlesen habe. Unbedingt lesenswert.

  • Das Buch "Das Haus auf Claremont Street" erzählt über ein Familiendrama. Eine Kette von Ereignissen führt zur Tragödie. Eine Frau lebt mit ihrem gewalttätigen und egoistischen Mann zusammen. Ihr Sohn Tom wird nicht nur Zeuge mancher unschöner Situationen zu Hause, sondern auch des Mordes seiner Mutter. Der Vater bringt sich anschließend auch um. Nach diesem Schockerlebnis weigert er sich zu sprechen. Er gibt sich selbst die Schuld. Tom kommt zu seiner Tante, die einen Draht zu ihm findet. Daraufhin zu seiner zweiten Tante, die zwar ein chaotisches Leben hat, aber sich ihre Aufgabe sehr zur Herzen nimmt. Bei seiner Tante Rose taut Tom allmählich auf. Einem großen Beitrag dazu macht sein streunenden Onkel Will, der plötzlich bei Rose vor der Tür steht und dann mit im Haushalt lebt. Er macht alles Mögliche, um den Neffen aufzurütteln. Und das Wunder geschieht, Tom spricht. Der Junge erholt sich langsam von seiner Trauma und seine Tanten und Onkel lernen mit ihrem Trauer zu leben und fassen neune Mut.

    Die Geschichte ist traurig, sowie berührend. Sie spiegelt verlogene Familienverhältnisse wider und gleichzeitig zeigt, wie wichtig der Zusammenhalt einer Familie in einer schwierigen Situation ist.

    Ich habe das Lesen dieses Buches genossen und kann das nur weiter empfehlen.

  • Der Vater des kleinen Tom ermordet dessen Mutter und bringt sich anschließend selbst um. Das traumatisierte Kind wird daraufhin in die Obhut seiner Tante Sonya gegeben, diese ist jedoch mit der Situation überfordert. Tom zieht sich in seine eigene Welt zurück, spricht nicht und will sich selbst verletzen. Schließlich reicht sie Tom weiter an ihre Schwester Rose, die in einem chaotischen Haushalt mit ihrem Teenager-Sohn und ihrem Bruder Will wohnt. Anders als bei der strukturierten Sonya läuft hier der Haushalt sehr chaotisch ab, jedoch erhält hier Tom genau die Liebe und Zuwendung, die er braucht.



    Zunächst war ich skeptisch da die Charaktere auf den ersten Blick doch sehr skurril und überzeichnet wirken, es dauerte jedoch nicht lange bis ich vollkommen gefesselt von dem Roman war. Die Autorin schildert das Schicksal des kleinen Tom so eindrucksvoll und lebendig, das man das Gefühl hat, diese Lebensgeschichte aus nächster Nähe mitzuerleben. Selten hat mich ein Buch in der letzten Zeit so gefesselt und mitgenommen wie "Das Haus in der Claremont Street"

  • Der neunjährige Tom ist schwer traumatisiert. Nachdem sein Vater die Toms Mutter erschlagen hat, tötete er sich selbst. Der Junge ruft selbst noch den Notruf an. Doch dann zieht sich Tom in sich selbst zurück und spricht nicht mehr. Zunächst kommt er zu seiner kinderlosen Tante Sonya, die aber nicht zu ihm durchdringt. So muss Tom wieder umziehen - zu seiner anderen Tante Rose und ihrem Sohn Nick in der Claremont Street. Dort fühlt er sich wohler, zumal auch noch sein Onkel Will dort wohnt.


    Es ist die Geschichte einer zerrütteten Familie, die trauert und nicht begreifen kann, wie das alles geschehen konnte. Eigentlich hat jeder von ihnen eigene Problem, doch nun ist da der kleine Junge, der traumatisiert ist und Zuwendung braucht.


    In Toms Familie gab es schon immer Gewalt, bis es dann so böse endete. Sonyas Ehe läuft auch nicht zum Besten und sie möchte schon lange ein Kind. Nun versucht sie krampfhaft Tom zu ihrem Kind zu machen, was unter den Umständen misslingen muss. Rose ist alleinerziehend und hat Probleme mit ihrem pubertierenden Sohn. Die beiden Schwestern kommen nicht miteinander klar. Der Weltenbummler Will sucht noch seinen Platz im Leben. Dazwischen ist Tom, dem alle helfen wollen und alle wollen, dass er wieder spricht. Daher müssen sie aufeinander eingehen und miteinander reden, statt zu streiten.


    Alle Personen sind sehr menschlich dargestellt, also wie im wirklichen Leben.


    Diese emotionale Geschichte hat mich gleich gefangen genommen, denn sie ist berührend, tiefgründig und dabei traurig und humorvoll zugleich.