Jemanden ans Lesen heranführen

  • Liebe Lesefreunde,


    zuerst einmal oute ich mich als Neue im Forum und hoffe hier demnächst heimisch zu werden. Heute möchte ich Euch aber um einen Rat bitten:


    Ich würde gern meinem Freund das Lesen etwas besser beibringen und würde gern wissen, ob jemand schon damit Erfahrungen hat und welche Bücher Ihr für den Beginn nehmen würdet. Mein Freund hat zwar eine ordentliche Ausbildung und liest Mails, Briefe, schon mal Hobbymagazine und, wenn es sein muss, auch Sachbücher. Er braucht dafür aber so lange, dass ihm jeder Spaß vergeht. Davon abgesehen hat er in seinem Leben kaum ein Buch angefasst :(. Ich denke, er hätte es auch gewollt, für ihn bedeutet aber jeder Satz Arbeit. Ich war dagegen schon als Kind eine Leseratte...


    Würdet Ihr an meiner Stelle mit den Grundsätzen des Lesens anfangen oder kränkt es einen Erwachsenen nur?


    Ich könnte ihm auch erstmal vorzulesen, nur ob das etwas bringt?


    Eine Frage wäre auch, ob man mit leichter Kost anfängt oder direkt etwas Höherwertiges? Habt Ihr Empfehlungen für etwas Packendes (Fantasy, Krimis und Liebesgeschichten sind, denke ich, nicht unser Ding)? Ich selbst habe zuletzt die "Wüstenblüme" von Waris Dirie in einer Nacht verschlungen, befürchte aber, dass ihn schon der Anblick von 300 Seiten abschrecken wird...


    Freue mich auf Eure Gedanken und Ideen! Danke!

  • In dem Heranführen ans Lesen verbirgt sich ja Kritik: dein Lesen ist weniger wertvoll als meins, ich möchte, dass du liest wie ich. Männer und Frauen lesen aber häufig unterschiedlich und unterschiedliche Genres. Empfiehl ihm bitte nicht, was du selbst liest!!! Gegen Sachbücher und Magazine spricht nichts - könnt ihr euch darüber unterhalten? Guckst du auch mal in ein Sachbuch, das deinen Partner interessiert?


    Wenn etwas klarer ist, welches Genre infrage kommt, kann man in dem Bereich dünne Bücher suchen. Mir ist zu Ohren gekommen, dass sehr viele Männer gern Robert Seethaler gelesen haben und nahezu jeder Mann die bisher vier Bände Meyerhoff verschlungen hat. Geht also.

    :study: -- Damasio - Gegenwind

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    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Ich denke, dass es sehr schwierig ist und einen gewissen Eingriff in die Privatsphäre bedeutet. Steht ihr euch sehr nahe?

    Jeder hat seine Interessen, Vorlieben etc. Man kann niemanden zum Lesen "zwingen".

    Das Interesse muss da sein, dann kann man vielleicht empfehlend tätig werden.


    Ich habe einer nichtlesenden Kollegin mal ein Buch geschenkt - nicht, was ich gerne lese, sondern was auf ihre Lebenssituation passte.

    Sie hat es bis heute nicht gelesen. Ich vermute sogar, dass sie es entsorgt hat.

    Irrlicht und Hexe (7. Hexenregel: Unterschätze nie die Kraft des Wortes - es hat eine besondere Kraft, es kann befreien, anstoßen und verändern, aber auch verletzen und zerstören)

  • Ich würde gern meinem Freund das Lesen etwas besser beibringen

    Warum?

    Will er denn selbst? Wenn er nicht will, nutzt kein Rat, kein Buchvorschlag.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Danke Euch soweit. Besonders für den Buchvorschlag weiter oben, schaue ich mir gleich an.


    Ja, er hätte es gern besser gekonnt. Und ja, wir stehen uns sehr nahe. Noch einmal "ja", sein letztes Sachbuch habe ich zum Teil gelesen. Als Kritik wird die Situation nicht wahrgenommen, wir sind sie sogar gewohnt - u. a. habe ich mit über 30 Jahren auf seinen Vorschlag hin und unter seiner Anleitung das Fahrradfahren gelernt.


    Ihn zu fragen, worauf er Lust hat, funktioniert jedoch nicht (haben schon darüber gesprochen) - es hieß, "ich weiß ja nicht, was es gibt". Deswegen auch das Brainstorming.

  • Mein Mann hat mit dem Lesen erst angefangen, als ich meinen zweiten Roman geschrieben habe, weil da plötzlich etwas war, was sein Interesse geweckt hat (kein Wunder, wenn es in den Büchern zur Sache geht :totlach:). Erst danach hat er begonnen, auch in andere Genres zu schauen, aber grundsätzlich liest er lieber leichte Lektüre.

    Er braucht dafür aber so lange, dass ihm jeder Spaß vergeht. ..., für ihn bedeutet aber jeder Satz Arbeit.

    Ich verstehe das so, dass er ein Problem mit der Umsetzung bzw. dem Verständnis des Gelesenen hat.

    Es gibt nun verschiedene Methoden der Herangehensweise, wobei die erste zwar funktioniert, aber da sie arbeitsintensiv ist, wohl eher nur dann benutzt werden sollte, wenn das Verständnis wie beim Begreifen von Sachbüchern unbedingt erforderlich ist.


    Bei der ersten Methode bekommt der »Proband« Texte vorgelegt, in denen er alles unterstreichen soll, was für ihn wichtig ist, um den Text zu verstehen. Das wird bei den ersten Texten noch sehr viel sein, doch mit der Zeit lernt derjenige zu selektieren, das Wichtige vom Unwichtigen zu trennen. So hat mein Bruder das während seines Studiums gelernt, weil er unter dem Zwang stand, das Gelesene verstehen zu müssen und es sich dabei nicht jedes Mal hart erarbeiten zu müssen. Allerdings halte ich die Methode für die Freizeit zur Lustförderung am Lesen eher ungeeignet.


    Deswegen rate ich eher zur zweiten Methode, dem Lesen von leichter Lektüre. Je nachdem, welche Filme er schaut, sollten die Bücher dann auch in diesem Genre zu suchen sein, damit das Interesse überhaupt geweckt werden kann. Thriller sind hier etwas schwieriger, weil ein guter Thriller auch oft nicht so leicht zu verstehen ist, wenn das mit der Umsetzung ein Problem ist. Aber ein lockerer Krimi – wie unten im Beispiel von Ralf Kurz – kann auch durchaus spannend sein. Ich denke, dass es hier sinnvoll ist, deinen Freund einfach mal die Leseprobe lesen zu lassen und dann zu schauen, wie er damit klar kommt.


    Mein Mann hatte früher ein Faible für die lustigen Taschenbücher (sprich: Comics). Darum hatte ihm später, als er anfing, mehr zu lesen, wahrscheinlich auch Skullduggery Pleasant gut gefallen. Eine Zeit lang hatte er sogar lustige Frauenromane gelesen.


    Du siehst also, dass man einen Nichtleser durchaus zum Lesen bringen kann, wenn es die richtige Lektüre ist. Nur sollte er sich nicht unter Druck gesetzt fühlen. Wenn es mit dem Lesen nicht so richtig klappt, gibt es ja schließlich noch Hörbücher 8)

    "deine beschreiebung alleine lässt vermuten, dass es sich um schmöckerroman einzigartiger klasse handelt, nämlich übertriebenem bullshid, der mit der wirklichkeit keinene hinreichenden effekt auf die wirklichkeit erstreckt." (Simon Stiegler)

    Stimmt! Ich schreibe spannende Unterhaltungsliteratur, die den Leser aus der Wirklichkeit entführt, bis zum Ende gelesen wird und bei der der Leser am Ende fragt: Wann erscheint der nächste Band? Schreiben will halt gelernt sein

  • Wie meine Vorredner rate ich auch davon ab, jemanden auf Biegen und Brechen zum Leser machen zu wollen. Aber wenn ihr zwei es doch mal probieren wollt, rate ich dazu, den Lesestoff nach den Interessen Deines Freundes auszusuchen. Altersmäßig schätze ich ihn auf Ü30 oder evtl. sogar auf Ü40 und ich würde kein Genre kategorisch ausschließen.


    Was macht er denn in seiner Freizeit?

    Wenn er in der Bude hockt und sich vom Fernseher mit Filmen und Serien berieseln lässt, kennst Du ja seine Vorlieben. Ist er eher ein 'Die 12 Geschworenen' oder eher ein 'Vier Fäuste für ein Halleluja' - Typ? Dementsprechend halt die Bücher aussuchen, aber erst mal natürlich keine dicken Wälzer. Du kannst ja auch einen Teil vorlesen und ihn dann eine überschaubare Zeit selbst lesen lassen, dann kommt ihr schneller voran. Und solch gemeinsames Lesen macht viel Spass, weil man oft Situationen oder Themen findet, über die man sich dann unterhalten kann.


    Wenn er Formel 1/Fußball/Tennis/Radsportfan ist, dann bieten sich Bücher mit Sportthemen an (z.B. der Wintertransfer für den Fußballfan, ist ein Krimi, den ich noch nicht gelesen habe) oder Sportbiographien: ich habe mit Begeisterung die Biographie über Jürgen Klopp 'Ich mag, wenns kracht' von Raphael Honigstein als Hörbuch gehört, Hörbücher finde ich übrigens sehr gut als Einstieg ins Lesen geeignet: mein Sohn ist Lesemuffel, aber auf längeren Autofahrten sind Hörbücher willkommen.


    Wenn er Gamer ist, gibt es interessante Bücher, in denen Gaming eine Rolle spielt.

    Wenn er die Filme mit Tramitz mag, bieten sich die Hörbücher über den Eberhofer Franz an.


    Wenn Dein Freund ein Praktiker ist, z.B. immer etwas an Haus und Hof zu reparieren oder verschönern findet oder praktische Hobbies hat , z.B. gärtnern oder Bienenzüchten oder kochen, dann gibt es auch dafür schöne Romane bzw. humorvolle Bücher. Beim Koch denke ich an die Bücher von Tom Hillenbrand oder Carsten Sebastian Henn.


    Wenn Du Dir also klar geworden bist, was Thema des ersten Buches sein soll, kannst Du das hier ja posten, wenn Du magst. Du wirst dann für dieses spezielle Thema mehr als genug Anregungen bekommen.


    Für spezielle Themen gibt es bei uns auch Themenlisten. Die findest Du unter dem Reiter 'Bücher' oben in dem dunklen Streifen. Beispiel für Romane, bei denen kochen/essen eine Rolle spielt:


    https://www.buechertreff.de/bu…/83-lecker-lecker-lecker/

    Die Erfindung des Buchdruckes ist das größte Ereignis der Weltgeschichte (Victor Hugo).

  • Hier gab es vor kurzem eine Diskussion u. a. über -> "Lesen strengt mich an, weil sehr langsam lese".

    Für einige Leser ist es eine Erleichterung, ein Lesezeichen unter die gerade gelesene Zeile zu legen, weil das die Anstrengung erspart, den Blick an den Anfang der Zeile zurückzuführen und in die nächste Zeile zu rutschen.


    Das Problem, nicht zu wissen, welche Bücher es gibt, lässt sich mit einem gemeinsamen Büchereibesuch lösen. Man muss sich ja noch nicht als Leser registrieren. Bücher zu Filmen, Serien und aktuellen Themen werden dort oft mit dem Cover nach vorn herausgestellt, weil sich viele User dafür interessieren und sie sofort wieder ausleihen.

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  • Freue mich auf Eure Gedanken und Ideen!

    Ich kann deinen Wunsch dein Hobby weiter zu geben sehr gut nachvollziehen, aber es ist äußerst schwierig, wenn man nicht weiß, was die Person bevorzugt. Vielleicht wäre es in dem Fall sinnvol interessante Sahbücher zu emfpehlen?

    Wie Bridgeelke es schon treffend zusammengefasst hat, man sollte wissen, was die Person annähernd mag. Es gibt so vieles, was man empfehlen könnte...

    Wie wäre es, wenn er mit leichten Krimis anfangen würde, da würde ich auch gleich einen Klassiker empfehlen von Agatha Christie


    Wenn du aber seine Vorlieben präzisieren möchtest, wirst du ganz sicher auch viele Tipps hier bekommen. :winken:

    2024: Bücher: 90/Seiten: 39 866

    2023: Bücher: 189/Seiten: 73 404

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    Mein Blog: Zauberwelt des Lesens
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    "Das Nicht-Wahrnehmen von Etwas beweist nicht dessen Nicht-Existenz "

    Dalai Lama

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    Lese gerade:

    Scalzi, John - Die Gesellschaft zur Erhaltung der Kaiju-Monster

  • Wenn wirklich das Textverständnis ein/das Problem ist, würde ich mich eventuell mal bei den Graphic Novels, Mangas und Comics umsehen.


    Wenn die Lesegeschwindigkeit das Problem ist, dann gibt es dafür eigene Bücher, die hier Tipps anbieten.


    Ansonsten finde ich den Tipp, zu leichter Lektüre zu greifen, gut.

    Lesen ist ein großes Wunder. Marie Freifrau von Ebner-Eschenbach


    :study: Das lese ich gerade: *klick*

  • Danke Euch - ich denke, wir sind schon nah dran :)


    Erstmal: Bitte keine Sorge, dass ich jemandem mein Hobby aufzwingen will. Wir haben als Paar sowohl viele Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede und akzeptieren und respektieren sie längst. Es geht darum, jemandem noch eine Chance zu geben, das Handwerk des entspannten Lesens zu lernen.


    Filme:

    Spielfilme interessieren ihn gar nicht, genauso wenig sonstiges Fernsehprogramm oder gar Gaming. Ein prägendes Erlebnis für mich war es, als er mal eine 90minütige Radsport-Doping-Doku zu Ende geschaut hatte. Auch gute, nicht zu lange Natur- oder Reisedokus gehen schon mal.


    Charakter:

    Eher Praktiker (Bridgeelke, gut beschrieben!), aber auch weltoffen und viel gereist. Mäßig sportbegeistert, Fußball, Rad- und Bergsport.


    Ideen:

    Mein Mann hatte früher ein Faible für die lustigen Taschenbücher (sprich: Comics). Darum hatte ihm später, als er anfing, mehr zu lesen, wahrscheinlich auch Skullduggery Pleasant gut gefallen. Eine Zeit lang hatte er sogar lustige Frauenromane gelesen.

    Ich denke, das geht in die richtige Richtung, sogar die lustigen Frauenromane. Auch "Skullduggery pleasant" nehme ich mal auf meine Liste auf, dürfte sich zum "Zeilenschrubben" gut eignen.


    Für den Beginn fällt mir gerade die Biographie von Jan Ullrich ein, die haben wir eh hier liegen. Und währenddessen könnte ich die Biographie von Jürgen Klopp besorgen. Ein humorvolles Buch zu einem Kochthema würde, denke ich, auch gut gehen, die genannten Autoren schreiben auf den ersten Blick aber eher Krimis - "komische Idee, Bücher darüber zu schreiben" laut meinem Freund.


    P.S. "Born to run" Christopher McDougall - das wäre mit Sicherheit auch gut, schade, dass mir das Buch geklaut worden ist, muss es mal neu holen.

  • Natur- und Reisedokus, ja? Wie wäre es dann mit diesem hier. Die Schrift ist nicht zu klein und der witzige Schreibstil ist eingängig. Ich weiß, dass das wieder kein Roman ist, aber um sein Textverständnis zu verbessern, sollte es reichen.

    "Until something better than this world arrives, we'll lead rich fantasy lives" (Aus dem Lied "Rich Fantasy Lives" von Rob Balder)


    "A book is a device to ignite imagination" (Aus der Satire "The Uncommon Reader" von Alan Bennett)