Laura Lichtblau - Schwarzpulver

  • Wagemutiges Debüt

    Die Autorin versteht ihr Handwerk, auch wenn sie gerade nicht den perfekten Roman abliefert, der alle Leser zufrieden stellt. Aber es nimmt für Laura Lichtblau ein, wie hingebungsvoll sie sich der Gestaltung ihres Debütromans widmet.

    Das beginnt schon mit der Aufstellung der drei Hauptfiguren.

    Da ist einmal Burschi, das Landei, ein bayrisches Urviech, das mit männlich konnotiertem Kosenamen seinen Weg durch die kalte Hauptstadt eines nicht nur temperaturmäßig kalten Deutschland sucht. Ihre abweichende sexuelle Orientierung macht sie in diesem normengläubigen, - ja -hörigen Land von vornherein verdächtig. Diesem Solitär von Protagonistin gegenübergestellt ist das symbiotisch verbandelte Mutter-und-Sohn-Gespann Charlotte und Charlie, deren Namensgleichklang ungutes Zeugnis ablegt von der ungesunden Bindung, die die Mutter um jeden Preis aufrecht zu erhalten sucht, während der Sohn sein Heil in neuen sozialen Bezügen zu finden hofft.

    Zweites Indiz für Lichtblaus Könnerschaft ist ihre Gestaltung des Schauplatzes. Ganz allmählich nur entpuppt sich Berlin als Szenario eines autokratisch geführten Staatsgebildes, rechts und faschistisch, bejaht und unterstützt von Bürgern, die offenkundig ihren Glauben an Freiheit und Demokratie verloren haben. Symptomatisch für dieses System ist die von Lichtblau erdachte Institution der militanten Bürgerwehr, aus deren Fängen sich die Scharfschützin Charlotte nur durch die Flucht in die Paranoia zu befreien vermag.

    Ein drittes Moment für das von der Autorin inszenierte Vexierspiel ist die Wahl der Zeit, in der die Ereignisse des Romans ablaufen. Es sind die Rauhnächte, die Twelfth Night zwischen Weihnachten und Epiphanias, im Volksglauben eine Zeit der Magie, des Ungeheuren, des Bedrohlichen, die aber die Hauptfiguren gleichsam in einen Kokon einspinnt, in dem jede einzelne Figur Gewissheit über sein Außenseitertum in dieser totalitären Gesellschaft erlangt.

    Ihren ganz persönlichen Stempel drückt die Autorin ihrem Werk durch ihre Sprachgestaltung auf. So fallen einmal die ungemein poetischen Formulierungen ins Auge, gelegentlich übermäßig gesucht und überzogen, doch immer eigenständig und originell. Lichtblaus Darstellung erhält so einen unwirklichen, geradezu märchenhaften Ton. Dagegen kontrastiert eine klare knappe Begrifflichkeit, wenn die Mechanismen dieses Staatswesens gekennzeichnet werden. Und zu guter letzt brilliert sie mit einem ungeheuren Witz, einer erfrischenden Schnoddrigkeit, die sie ihren Figuren in den Mund legt.

    Laura Lichtblau legt mit „Schwarzpulver“ ein vielversprechendere, facettenreiches Debüt vor, dessen begrenzter Umfang den Leser nie ermüdet, sondern kaleidoskopartig einen ersten Eindruck von den Talenten dieser Autorin vermittelt.

    Mein Urteil: 4 Sterne

  • K.-G. Beck-Ewe

    Hat den Titel des Themas von „Schwarzpulver von Laura Lichtblau“ zu „Laura Lichtblau - Schwarzpulver“ geändert.
  • Darum gehts:

    Es ist kalt geworden in Berlin, es ist die Zeit der Rauhnächte. Lautstarke Propaganda dominiert längst nicht mehr nur die Straßen der Hauptstadt, sondern die Politik des ganzen Landes. Und mittendrin taumeln drei Verlorengegangene, die plötzlich beginnen, sich Fragen zu stellen.
    Da ist Burschi, die Johanna liebt, gegen alle Widerstände. Und dabei nicht nur den starken Arm eines Staates zu spüren bekommt, der kein Anderssein mehr duldet, sondern auch die Brüchigkeit menschlicher Beziehungen, wenn die Angst im Nacken sitzt. Da ist Charlie, der in anarchischen Musikerkreisen zwischen Joints und lauten Beats erwachsen wird. Und lernt, sich der allgegenwärtigen Überwachung auf seine Weise zu entziehen. Und da ist Charlotte, seine Mutter, Scharfschützin einer Bürgerwehr, die in ihren Loyalitäten schwankt und dabei droht den Verstand zu verlieren. Ist ihre Militanz vielleicht nur ein missglückter Versuch, dem eigenen Leben zu entkommen? Laura Lichtblau entwirft mit ihrem Debütroman «Schwarzpulver» eine urbane Dystopie. In feiner, gleichzeitig wilder - beinahe wildwüchsiger - Sprache, mit Witz und Leichtigkeit, erzählt sie vom unbewussten Verlangen nach Freiheit in einem Staat, dessen Ziel die absolute Unterdrückung ist.
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