Zaia Alexander – Erdbebenwetter

  • Kurzmeinung

    towonder
    Vieles bleibt ungeklärt - die tolle Atmosphäre von L.A. klingt bei mir noch nach!
  • Klappentext/Verlagstext
    Kojoten ziehen hungrig durch die Wohnviertel, in den Nachrichten warnen sie vor Schießereien und blinder Verkehrswut. Mit der Hitze kommt eine unheimliche Stille. Erdbebenwetter. Das Leben in L.A. gleicht in diesem Roman nicht dem Hollywood, das uns die großen Studios in ihren Filmen vorgaukeln. Und auch Lous Alltag ist nicht aus dem Stoff der Traumfabrik. Ihr Leben scheint in einer Endlosschleife hängengeblieben zu sein, als sie bei einer Filmpremiere einen alten Freund wiedertrifft, der mittlerweile ein erfolgreicher Regisseur ist. Er nimmt sie mit zu einem Kurs in einem Tanzstudio in Santa Monica und führt sie in die Welt der Hexer ein. Damit gewinnt ihr Leben eine elektrisierende Intensität. Das allzu Bekannte wird außergewöhnlich, der Alltag rückt in ein neues Licht. Lou erkennt, dass es Ausfahrten und Schlupflöcher im vermeintlich festgelegten Koordinatensystem des Lebens gibt. Ein poetischer, kraftvoller, kosmopolitischer Roman, der Grenzen überschreitet, Hierarchien zwischen Tier und Mensch und Kindern und Eltern ins Wanken bringt und L.A. als jenes flirrende Geheimnis in der Wüste zeigt, das die Stadt bis heute ist.
    »Als ich am nächsten Morgen durch den windigen Canyon fuhr, stand vor mir auf der Straße ein Kojote. Ich hatte den starken Impuls, Gas zu geben. Kurz vor ihm bremste ich ab und brachte das Auto zum Stehen. Wir starrten uns durch die Windschutzscheibe an. Reglos und lange, wie es schien. Dann machte er kehrt und rannte ins verdorrte Gebüsch.«


    Die Autorin
    Zaia Alexander lebt in Potsdam und Los Angeles. Sie promovierte in Germanistik an der UCLA, war wissenschaftliche Mitarbeiterin am Getty Research Institute und Programmdirektorin der Villa Aurora in Pacific Palisades/Los Angeles. 2008 erhielt sie die Lannan Residency in Marfa, Texas. Erdbebenwetter ist ihr erster Roman.


    Inhalt
    Rande Nach einigen Umwegen durch verschiedene Länder und Sprachen studiert die 30jährige Lou in Los Angeles Filmwissenschaft, ist soziale Mutter einer pubertierenden Tochter und Versorgerin einer Katze. Als die Katze tot im Garten gefunden wird, rätseln die beiden Frauen über Kojoten, die aus den Canyons in die Stadt kommen – aber vielleicht war alles anders als sie denken. Tochter Lola pflegte die zugelaufene Katze hingebungsvoll, als diese die beiden Frauen damals als Versorgerinnen wählte. Sie spielt mit der Rollenverteilung, verkündet „Ich bin ein 84-jähriger Chinese“ oder wählt Sophie als Mutter, damit Lou und sie Kinder sein können. Auch Lola hat sich ihre „Mommy“ bewusst ausgesucht, die spurte sofort und nahm Lola bei sich auf. Icherzählerin Lou erscheint wie ein unbeschriebenes Blatt, eine genderneutrale Figur, die mir die gesamte Handlung hindurch nicht näherkommt. Lou wirkt auf mich wie eine Hochstaplerin, die jederzeit enttarnt werden könnte, die anderen Menschen jedoch übelnimmt, wenn sie ihr etwas vorspielen. Der Kontakt zu einer zwielichtigen Mentorenfigur in Lous Tanzstudio könnte sie in die Fänge einer Sekte geführt haben, es könnte aber auch ein gewöhnliches Spiel der Filmschickeria mit Namen, Identitäten und Rollen sein. Alexanders Figuren balancieren am Rande des gerade noch Akzeptierten. Der Übergang zwischen normal, exzentrisch, dystopisch und wahnhaft wirkt fließend.


    Fazit

    Am Ende hat Lou aus meiner Sicht ihre Maskierung nicht abgelegt und ist neutrale Projektionsfläche geblieben. Vermisst habe ich eine exaktere zeitliche Orientierung. Wie alt die Figur einer Jugendlichen sein könnte, ist für mich selbst in einer nur vage angedeuteten Handlungskurve nicht unerheblich. Zaia Alexanders Erstling erlebte ich wie einen pastellfarbenen Morgennebel am Meer in einer fließenden Welt, der sich bei aller Geduld nicht lichtet.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Ravik Strubel - Blaue Frau

    :musik: -- Catton - Gestirne; Rehear


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Sie spielt mit der Rollenverteilung, verkündet „Ich bin ein 84-jähriger Chinese“ oder wählt Sophie als Mutter

    Die Katze? Und wer ist Sophie? :-k So ganz kapiere ich die Zusammenhänge nicht.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Manche Kinder spielen, dass sie in Wirklichkeit die ältere Person in der Familie und damit die Bestimmer wären. Sie stellen sich z. B. vor, jeder wird mit 100 Jahren geboren, wird jedes Jahr um ein Lebensjahr jünger und deshalb wären die Eltern in dieser Welt die Kinder. Wenn die Katze Sophie zur Mutter gewählt wird, sinkt Lou damit in der Hierarchie und hätte Lola deshalb nichts mehr zu sagen. Für mich ein völlig logischer Gedankengang ... :wink:

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Ravik Strubel - Blaue Frau

    :musik: -- Catton - Gestirne; Rehear


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow