Klappentext
Wohin gehen wir, wenn wir nirgendwo mehr hinkönnen?
Kerrybrook ist Janas Lieblingswelt: Ein idyllisches Fischerdorf mit viel Grün und geduckten Häuschen. Es gibt Schafe, gemütliche Pubs und vom Meer her weht ein kühler Wind. Manchmal lässt Jana es regnen. Meistens dann, wenn es an ihrem Arbeitsplatz mal wieder so heiß ist, dass man kaum mehr atmen kann.
Jana ist Weltendesignerin. An ihrer Designstation entstehen alternative Realitäten, die sich so echt anfühlen wie das reale Leben: Fantasyländer, Urzeitkontinente, längst zerstörte Städte. Aber dann passiert ausgerechnet in Kerrybrook, der friedlichsten Welt von allen, ein spektakuläres Verbrechen. Und Jana ist gezwungen zu handeln …
Meine Meinung
Die Idee dahinter ist nicht neu: virtuelle Welten in der Zukunft, in die man sich mittels einem Ganzkörperanzugs und Helm einloggt und tatsächlich darin "lebt", ein Traum für so manchen Nerd und leider die Zukunft für die Menschen in Ursula Poznanskis neuem Thriller.
Da die Natur auf der Erde sich aufgrund Klimaveränderungen stark verändert hat, ist ein Leben in vielen Gebieten kaum möglich. Die Lösung: viele Menschen bzw. deren Körpern lagern sozusagen in Wohndepots, versorgt durch Nährlösungen, und verbringen ihre Zeit in diesen virtuellen Welten. Hier könne sie ihr Aussehen verändern, ihren Status, Zugänge zu anderen Welten erspielen und die unterschiedlichsten Leben ausprobieren. Nach dem Schlafen wachen sie allerdings in ihren Kammern auf und müssen immerhin 40 Minuten in der Realität verbringen. Ein grausames "Erwachen" für viele, da die Illusion um vielfaches angenehmer ist.
ZitatAuch das ist ein Grund, warum die Menschen keine Lust mehr auf die Realität haben. Hier sind sie ungelenker, behäbiger und - nennen wir es ruhig beim Namen - hässlicher.
Zitat Seite 24
Die 17jährige Jana gehört zu den wenigen, die noch hauptsächlich in der Realität leben. Sie arbeitet als "Weltenschöpferin" und konstruiert an Computern Schauplätze, in die die Menschen sich einloggen können.
Einerseits eine sehr faszinierende Vorstellung, je nach Lust und Laune zwischen Welten zu wechseln, ob idyllisches Landleben, historisches Setting wie bei Jane Austen oder aufregende Begegnungen mit Dinosauriern in der Kreidezeit ... für jeden Geschmack ist etwas dabei! Aber auch Kriegs- und Zombieszenarien stehen zur Auswahl, doch nicht jeder wird zu jeder Welt zugelassen. Es gibt Persönlichkeitsprofile, die den Zutritt nur jenen gewähren, die vom Charakter in diese Welten passen.
Durch diese Profile wird aber alles beeinflusst, was das persönliche Schicksal betrifft, denn Menschen, die gefallen daran finden, mit Waffen durch die Gegend zu ballern, bekommen natürlich keinen Pass in eine friedfertige Welt, haben kaum eine Chance, den Wohndepots zu entkommen und erhalten mit Sicherheit kein Fortpflanzungszertifikat.
Eigentlich eine gute Sache: so sind die gefährlichen Leute gut "weggeräumt", oder?
Dieses Flüchten in fremde Welten ist ja jetzt schon bei vielen beliebt und auch ich hab jahrelang mmorpgs gespielt, war also virtuell mit anderen unterwegs, als Elfe oder Zauberer, hab Missionen erfüllt und Schlachten geschlagen - was macht den Reiz daran aus? Und warum finden wir nicht das, was wir dort suchen, hier, in der Realität?
Zitat... dass nur rumhängen den Menschen nicht genügt, so schön kann die Umgebung gar nicht sein. Sie wollen herausgefordert werden, sich mit anderen messen. Probleme bewältigen und einen Lebenssinn finden, [...]
Zitat Seite 13
Das schnöde vor sich hinleben ist eben doch auch mal ausgereizt - oder woran liegt es, dass vielen langweilig wird wenn alles gut läuft?
Eine Frage, die ich mal so stehen lasse, da ich sonst zu ausschweifend werde ;)
Die Autorin hält sich ja meist nicht mit langen Vorerklärungen auf, und so ist es auch hier. Am Anfang taucht man jedenfalls direkt ins Geschehen ein, als Jana seltsame Unstimmigkeiten in einer ihrer Welten entdeckt. Sie will dem Problem selbst auf die Spur kommen - schließlich ist sie für diese Welt verantwortlich. Doch welche Hintergründe sich hier verbergen hat größere Dimensionen als sie ahnt.
Die Erklärungen kommen nach und nach hinzu, ohne dass man viel rätseln muss; es ist alles sehr gut verständlich, so dass man auch ohne Vorkenntnisse sehr gut mitkommt.
Manchmal wiederholt sich die Autorin mit den Gedanken von Jana, was man ruhig hätte streichen können, dafür fand ich die Erlebnisse in den Welten absolut gelungen! Ich hatte dabei immer wieder "Erebos 1" im Hinterkopf - bei dem Buch fand ich die Beschreibungen immer sehr fad und farblos, das hat sich hier gewandelt und gibt ein tolles Bild.
Etwas viel wurde es mir dann irgendwann doch mit den virtuellen Reisen, aber dann gabs genau zum richtigen Zeitpunkt einen Wechsel. Leider war eine Überraschung mir schon zu offensichtlich, dafür hat sich wieder etwas anderes neu ergeben, was die Spannung grade im letzten Drittel perfekt erhöht hat.
Die Charaktere fand ich teilweise richtig gelungen, weil sie nicht so das typische Bild haben, was man grad in der Jugendliteratur oft antrifft.
Ein wirklich guter Cyberspace Thriller mit aktuellen Themen: nämlich die Überlebensstrategien mit all ihren Konsequenzen durch die Ressourcenknappheit, bedingt durch Klimaveränderung und Überbevölkerung.
Mein Fazit: 4 Sterne