Andreas Wagner - Jahresringe

  • Eine Geschichte um Heimatsuche und Wertevorstellungen.


    Jahresringe, das Erstlingswerk von Andreas Wagner hat mich vom ersten Moment an gefesselt. Ein Buch, das mehr ist als ein Roman über die Suche nach einer Heimat. Andreas Wagner ist es gelungen einen generationsübergreifenden Roman zu schreiben, der die persönlichen Schicksale mit einem stets aktuellem Thema verknüpft: Umweltschutz.


    Die Geschichte:


    Leonore Klimkeit muss ihre Heimat Ostpreußen verlassen. Sie macht sich allein auf den Weg, eine 13jährige, die ankommen möchte, aber das wird ihr nur sehr bedingt gelingen. Sie findet Unterschlupf und später eine Heimat in einem kleinen Dorf, sie findet zwei Freunde, Hannes und Anton, die sie verstehen. Für alle anderen Dorfbewohner bleibt sie auch noch Jahre später 'die Evangelische aus dem Osten'. Der Harbinger Anton ist ebenso ein Aussenseiter wie Leonore und dem Autor ist eine liebevolle Schilderung einer besonderen Persönlichkeit gelungen, ebenso wie bei Hannes, der Leonore unvoreingenommen begegnet.


    Leonore bleibt unabhängig von der Meinung der Anderen, findet sich zurecht, lebt ihr Leben, bringt einen Sohn zur Welt und findet immer wieder Ruhe und Trost bei den Bäumen im umliegenden Wald, dem später so genannten Hambacher Forst.


    Ihr Sohn fühlt sich ebenso wie sie immer wieder zu den Bäumen hingezogen, aber es sind ebendiese Bäume die gerodet werden sollen, die dem einem überdimensionalen Schaufelradbagger zum Opfer fallen sollen. Nach anfänglicher Gegenwehr, zunächst von Leonore, dann von Paul, schließlich von seiner Tochter Sarah, entwickelt sich eine spannende Geschichte die deutlich macht, dass wir alle kleine, aber wichtige Zahnräder in einem grossen Räderwerk sind. Wir sind aufgefordert uns zu entscheiden ob wir uns einfach drehen ohne zu hinterfragen oder uns bewusst entscheiden ob unser Einsatz Gegenwehr bedeutet.


    Das alte deutsche Sprichwort ‚Wer einen Bauern betrügen will, muss einen Bauern mitbringen.‘ bekommt vor dem Hintergrund des Chefoberhändlers eine sinnige Bedeutung. Geld gegen Heimat – die Rechnung scheint bei entsprechenden Beträgen aufzugehen. Die Macht der Braunkohleindustrie ist trotz beschlossenem Kohleausstieg auch heute noch ungebrochen und es ist mehr als überfällig, dass wir erkennen, was diese Form der Energiegewinnung aus Land und Menschen macht.


    Andreas Wagner ist ein lesenswerter Roman gelungen, der eine Familiengeschichte über mehrere Genrationen erzählt und gleichzeitig auf das Thema Hambacher Forst aufmerksam macht. Eine Geschichte um Heimatsuche und Wertevorstellungen.

  • K.-G. Beck-Ewe

    Hat den Titel des Themas von „Jahresringe von Andreas Wagner“ zu „Andreas Wagner - Jahresringe“ geändert.
  • Die Geschehnisse rund um den Hambacher Forst sind spätestens seit den Massenprotesten von Umweltschütrzer_innen und den massiven Gewaltexzessen seitens RWE und der Polizei auch in der größeren Öffentlichkeit angekommen.

    Warum also nicht über diese Gegend ein Buch schreiben und die Entwicklung dieser Region über die letzten Jahrzehnte nachverfolgbar machen.

    Dieser Aufgabe hat sich der Autor Andreas Wagner mit dem Buch "Jahresringe" gestellt und er lässt die Geschichte mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges beginnen. Anhand des ersten Hauptcharakters Leonore wid deutlich, wie sie erst durch den Krieg ihre erste Heimat verlor, dann in der Nähe des Hambacher Forstes eine neue fand, bis sie auch diese zugunsten der mafiösen kriminellen Interessen der Kohleindustrie wieder aufgeben musste.

    Die Geschichte der Protagonist_innen werden vom Autor sehr berührend und stimmig erzählt, so dass mensch sich als Leser_in hier gut einfinden kann.

    Das Buch regt auf jeden Fall auch zum Nachdenken über den Wert von Heimat an und macht deutlich, wie schwer es ist "verpflanzt" zu werden.

  • Ich lebe selbst am Rande des Braunkohle-Tagebaus und bin zwar nicht von der Umsiedlung wie einige unserer Verwandten, aber dennoch von den Auswirkungen betroffen. Als ich den Klappentext dieses Buches gelesen hatte, wusste ich, dass ich dieses Buch lesen musste. Allerdings hatte ich ein wenig Zweifel, denn wie sollte diese umfassende Geschichte in rund 250 Seiten erzählt sein.


    Leonore Klimkeit hatte schon einmal ihre Heimat verloren, als sie aus Ostpreußen flüchten musste. In ihrer neuen Heimat in der Nähe von Jülich, der Wald rund um den kleinen Ort wird ihre Zuflucht. Doch sie wird immer als Fremde betrachtet. Aber sie richtet sich ein und glaubt, bleiben zu können. Wieder aber wird sie vertrieben, als die Bagger kommen und das Dorf weggebaggert wird. Zu der Zeit ist ihr Sohn Paul zwölf Jahre. Eine Neubausiedlung soll die neue Heimat werden für sie und ihre Familie. Doch der Tagebau sorgt auch für einen Graben in der eigenen Familie. Während ihr Enkel Jan auf dem Bagger seinen Job macht, ist Enkelin Sarah gegen den Tagebau und wird zur Besetzerin des Hambacher Forstes.


    Das Buch liest sich flüssig und der Schreibstil hat mir gefallen. Dennoch waren auch meine Zweifel berechtigt, denn es ist wirklich viel in diese recht kurze Geschichte hineingepackt worden. Am besten haben mir die eindringlichen und authentischen Schilderungen im ersten Teil gefallen. Dagegen blieben die späteren Jahre recht farblos.


    Die Figuren sind lebendig und authentisch dargestellt. Leonore war mir sympathisch. Sie nimmt das Leben wie es kommt. Auch wenn es schwierig wird, lässt sie sich nicht unterkriegen. Für mich ist sie die Hauptperson in diesem Roman.


    Trotz kleiner Schwächen hat mir diese ruhige Geschichte über Heimat, Verlust und Familie gut gefallen.

  • Leonores Familiengeschichte wird euch beeindrucken

    Heimat ist da wo man Wurzeln schlagen kann, so oder so ähnlich würde es wohl Leonore sagen, denn das musste sie schon viele Male. Neu Wurzelnschlagen. Als Flüchtling aus dem Osten kam sie in einem kleinen Ort, nur mit dem an was sie am Leibe trug. Dabei läuft sie dem hiesigen Bäcker quasi direkt in die Arme und dann hinterher. Intuitiv erkennt sie einen wirklich herzensguten Menschen. Er nimmt sie auf und bringt ihr das Bäckerhandwerk bei. Hannes und seine Mutter nehmen die blutjunge Leonore bei sich auf und über die Jahre wird sie mehr und mehr ein Teil ihrer kleinen Familie. So das Hannes ihr, wie seine Mutter zuvor ihm das Geschäft überschrieb. Doch die Mehrheit im Dorf lässt sie spüren, dass sie eine dahergelaufene ein Flüchtling ist. Als sie dann auch noch Schwanger wird und einen gesunden Jungen Paul zur Welt bringt, ist die Dorfgemeinschaft in heller Aufregung. Und die Frauen beschauen sich den kleinen Paul sehr genau wehe der eigene Ehemann ist der Vater von diesem Balg. Als kurz darauf ihr alter Freund Hannes plötzlich verstirbt steht sie ganz alleine da und muss sich und ihren Sohn mit der Bäckerei über Wasser halten. Das kleine Dorf wächst weiter. Doch Kohleunternehmen sieht nur die Braunkohle unter diesem Dorf und will das Dorf umsiedeln und den Wald dem Erdboden gleich machen. Leonore ist mittlerweile alt geworden und zieht ihren letzten Trumpf. Sie sagt den Vertretern, dass sie ihre Bäckerei ihren Sohn am 18. Geburtstag übergehen wird, der mittlerweile seine Bäckerlehre absolviert hat. Das Dorf wird abgerissen und Paul bleibt nichts weiter übrig als das Angebot anzunehmen. Doch damit ist nicht nur ein Umzug verbunden sondern auch seine Verschuldung und eine Arbeit bei dem Energieunternehmen. Er heiratet, beikommt Kinder, seine Frau lässt sich scheiden. Und eines Tages fängt Paul und seine mittlerweile erwachsenen Kinder nachzudenken, Auslöser war der Suizid der schwerkranken Leonore.



    Der Autor schafft es den Leser in eine andere Zeit zu führen. Man sieht und fühlt ja kann die Vergangenheit förmlich einatmen. Er schafft es, dass sich der Leser fast als gute Freundin der Familie fühlt, da man die Familie über viele Generationen begleitet.



    Der Generationenroman ist in 3 Teile unterteilt. Da währe zum einen der erste Teil indem Leonere im Dorf ankommt und wie sie sie dort einlebt und eben auch das Backhandwerk erlernt. Man sieht wie wohl sie sich bei diesen Bescheidenen Leuten fühlt und wie sie sie in die Familie aufnehmen. Man sieht sie erwachsen werden. Den entgegen ihrer Behauptung ist sie bei ihren Eintreffen im Dorf noch längst nicht volljährig. Im zweiten Teil wird die Geschichte dann aus der Sicht ihres Sohnes Paul erzählt, wie seine Kindheit war und welche Entscheidung er treffen musste und welchen Weg er einschlagen musste. Im dritten Teil wird die Geschichte dann aus der Sicht der Enkel von Leonore erzählt. Leider nimmt hier der Hambacher Forst eine zu dominante Rolle ein. Hier hätte ich mir doch gewünscht, dass der Autor sich ebenso viel Mühe gegeben hätte wie im ersten Teil bei Leonore.



    Leonore der bescheidene Star dieses Generationenromans wächst einen unglaublich ans Herz. Vor allem erinnert mich Leonores Geschichte ein wenig an die meiner eigenen Oma und ihren schweren Start als Flüchtling in einem Dorf. Am meisten hat mich wirklich ihre Entwicklung beeindruckt. Eine Heranwachsende, die die Gräuel des Krieges miterlebte und niemals aufgegeben hat. Sie hat versucht aus dem was man ihr reichte das Beste zu machen. Sie ist eine liebenswerte alte Dame geworden, die es geschafft hat ihre kleine Familie über Wasser zu halten und beieinander zu halten.



    Fazit: Ein wirklich gelungener Generationenroman, der einen berührt und eine andere Zeit auferstehen lässt und doch die Probleme der heutigen Zeit nicht aus den Augen lässt. Besonderen Eindruck hat auf mich Leonore gemacht. Auch wenn der Hambacher Forst gegen Ende des Romans eine etwas zu dominante Rolle eingenommen hat gebe ich für diesen tollen Roman eine klare Leseempfehlung.

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  • Klappentext

    Heimat, das ist für Leonore Klimkeit vor allem der Wald nahe des kleinen Dorfes, in dem die aus Ostpreußen Vertriebene Zuflucht gefunden hat. Zwischen den hohen Bäumen findet sie Trost und neuen Lebensmut.

    Doch als Leonores Sohn Paul zwölf Jahre alt ist, muss der Wald dem Braunkohle-Tagebau weichen, das Dorf wird umgesiedelt. In einer Neubausiedlung am Rand der Kreisstadt versucht Leonore, für Paul und später die Enkel Jan und Sarah eine neue Heimat zu schaffen. Die immer weiter fortschreitende Rodung des Waldes treibt jedoch einen tiefen Keil in die Familie – bis sich die Geschwister schließlich als Gegner gegenüberstehen: Denn während Jan einen der gigantischen Schaufelradbagger des Braunkohle-Konzerns steuert, schließt sich seine Schwester Sarah den Wald-Besetzern im Hambacher Forst an.

    Meinung

    Der Wald spielt für drei Generationen eine große Rolle.

    Für die Großmutter ist er Heimat.

    Für den Sohn der Ort in dem Abenteuer und Freundschaft erlebt.

    Für die Enkel ist er Arbeitsplatz und Rebellion.

    Fast leise ohne große Dramaturgie wird das Drama unserer Umwelt erzählt.

    Krieg, Vertreibung und Abholzung, sehr unterschiedliche Themen, aber immer hat es unmittelbar Folgen für die Menschen.

    Die Verstromung der Kohle im Tagebau war eine Zeitlang ungeheuer wichtig, nur wenige haben die Folgen für die Umwelt und das Klima erkannt und sind dagegen angegangen. Heute wissen wir es besser, vielleicht zu spät.

    In einem Mikrokosmos mit wenigen Menschen erzählt der Autor, wie es im Großen aussieht. Die Charaktere sind sehr fein gezeichnet, ihre Handlungen stehen mehr zwischen den Zeilen, außer die harte Arbeit, die ist all gegenwärtig. Ein Schulterzucken, eine Grimasse, eine Handbewegung erzählen mehr wie tausend Worte. Ein Kuss, ein Streicheln zeigen die ganze Liebe. Eine Erinnerung erzählt die gesamte Vergangenheit.

    Ein nachhaltiges Buch.

  • Fesselnder Roman


    Zum Hambacher Forst hatte ich überhaupt keinen Bezug, sondern wusste nur das, was durch die Medien über den Konflikt bekannt wurde. Was würde das also für ein Roman sein? Ein „Umwelt-Roman“, der belehren will?


    Ich ließ mich trotzdem darauf ein und gleich auf den ersten Seiten hatte mich der Autor mit der Geschichte gefesselt. Das Buch ist ein Drei-Generationen-Roman. Jede Generation hat ihren eigenen Teil: Leonore direkt nach dem Krieg bis in die sechziger Jahre, ihr Sohn Paul in den siebziger und achtziger Jahren und dessen Kinder Sarah und Jan in der Gegenwart.


    Der Wald spielt dabei eine wichtige Rolle, im ersten Teil eine ziemlich unreale, so dass ich dachte: Oje, wird das jetzt eine totale Spinnerei? Aber nein, es blieb in einem passenden Umfang: Ein gewisser Zauber, der das Ganze meines Erachtens nach bereichert.


    Meine anfängliche Skepsis wurde glücklicherweise nicht bestätigt. Ich fand einen tollen Romanstoff meisterhaft dargeboten. Ich kann es kaum glauben, dass dies der erste Roman von Andreas Wagner ist und hoffe auf weitere. Es ist mir auch egal, worüber, wenn sie genauso gut erzählt werden wie dieser.


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