Frank Goldammer – Zwei fremde Leben

  • Kurzbeschreibung (Quelle: Verlagsseite)
    Ein verschwundenes Kind und die lebenslange Suche nach der Wahrheit
    Ricarda Raspe und ihr Verlobter freuen sich auf ihr erstes Kind. Doch dann geht bei der Geburt in der Dresdner Klinik etwas schief − und es heißt, Ricardas Baby sei tot. Laut Vorschrift darf sie es nicht einmal mehr sehen. DDR-Alltag im Jahr 1973. Aber Ricarda glaubt nicht an den Tod ihres Kindes. Sie glaubt vielmehr an eine staatlich angeordnete Kindesentführung. Auch der Polizist Thomas Rust, der zufällig Zeuge des dramatischen Vorfalls wurde, hegt diesen Verdacht und stellt Recherchen an, die ihn in höchste Gefahr bringen. Erst 17 Jahre später laufen die Fäden zusammen, als die junge Claudia Behling jene Frau sucht, die sie nach ihrer Geburt weggegeben haben soll – ihre Mutter.


    Autor (Quelle: Verlagsseite)
    Frank Goldammer wurde 1975 in Dresden geboren und ist gelernter Maler- und Lackierermeister. Neben seinem Beruf begann er mit Anfang zwanzig zu schreiben, verlegte seine ersten Romane im Eigenverlag. Mit ›Der Angstmann‹, Band 1 der Krimiserie mit Max Heller, gelangte er sofort auf die Bestsellerlisten. Er ist alleinerziehender Vater von Zwillingen und lebt mit seiner Familie in seiner Heimatstadt.


    Allgemeines
    Erschienen am 24.07. 2020 bei dtv als broschiertes TB mit 400 Seiten
    Gliederung: Roman in 38 Kapiteln, jeweils mit Orts- und Zeitangaben überschrieben
    Erzählung in der dritten Person aus wechselnden Perspektiven
    Handlungsorte und -zeit: Dresden, Berlin und Gera, 1973, 1993-1994, 2018


    Inhalt
    1973: Die junge Ricarda Raspe und ihr Verlobter Steffen Weber bekommen ein Kind, das bei der Geburt aufgrund schwerer Komplikationen stirbt – so wird es zumindest der von Medikamenten benebelten Frau gesagt. Sie darf das tote Baby nicht sehen und hegt den Verdacht, dass ihr Vater, der Entbindungsarzt Dr. Raspe, das Kind zur „inoffiziellen“ Adoption fortgegeben hat. Der Polizist Thomas Rust, der seine schwangere Ehefrau in der Klinik besucht, erfährt durch Steffen Weber von den mysteriösen Umständen bei der Entbindung und beginnt selbst zu recherchieren. Damit tritt er hochgestellten Persönlichkeiten bei der Stasi auf die Füße und begibt sich in Lebensgefahr.
    1993/1994: Ricarda hat 1975 eine Tochter bekommen, dennoch kann sie ihr totgesagtes erstes Kind nicht vergessen. Nach der Wende versucht sie Einsicht in alte Stasi-Akten zu nehmen, wobei man ihr wenig hilfreich entgegenkommt. Stattdessen fühlt sie sich verfolgt und bedroht, auch ihre Tochter Ines wird am Studienort verfolgt und von einem Unbekannten fotografiert. Erst ein schwerer Unfall setzt ihren Nachforschungen abrupt ein Ende.
    2018: Die 45-jährige Claudia Behling, die als Jugendliche erfuhr, dass sie ein Adoptivkind ist, sucht nach jahrelangen Nachforschungen Ricarda Raspe auf, weil sie es für möglich hält, dass sie deren Tochter ist.


    Beurteilung
    „Zwei fremde Leben“ ist eine Mischung aus (Polit)krimi und historischem Roman zur jüngeren Geschichte, auch hier beschäftigt sich Frank Goldammer – wie in seiner Krimireihe um Max Heller - wieder mit der Geschichte der DDR.
    Die Handlung wechselt zwischen den Jahren 1973 (Privatermittlungen des Polizisten Thomas Rust), 1993/1994 (Nachforschungen Ricardas) und 2018 (gemeinsame Recherchen Ricardas und Claudias).
    Der Handlungsstrang von 1973 gibt einen vor allem für Westdeutsche geradezu schockierenden Einblick in das Leben der DDR-Bürger und die Praktiken des Regimes. Während über das von Mangel an Lebensmitteln und Luxusgütern sowie durch Bespitzelung, willkürliche Verhaftungen und das Fehlen jeglicher Meinungsfreiheit geprägte Leben der DDR-Bürger die meisten Menschen informiert sind, entfalten sich hier weitere Ungeheuerlichkeiten, als der Autor glaubwürdig und schonungslos staatlich organisierten Kindesentzug und Zwangsadoptionen thematisiert.
    Diese Schilderungen sind überaus berührend und in ihrem sehr anschaulichen Erzählstil hochspannend. Der Leser fürchtet zunehmend um das Wohl des Polizisten Thomas Rust, der sich nicht einschüchtern lassen will – und er fühlt mit Ricarda, die über den schmerzlichen Verlust ihres Kindes nicht hinwegkommt und obendrein wegen ihrer hartnäckigen Nachforschungen überall aneckt.
    Der Roman besticht durch überraschende Wendungen und Enthüllungen, das Ende bietet noch einmal eine unerwartete Überraschung.


    Fazit
    Ein überaus beklemmender Roman, der lange im Gedächtnis haftet – sehr lesenswert!

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    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Schicksal in der DDR - spannend wie ein Krimi


    Frank Goldammer hat bisher erfolgreich mehrere historische Krimis veröffentlicht, das merkt man diesem Buch durchaus an.


    Die junge Ricarda entbindet 1973 in Dresden ein totes Baby und will sich ihr Leben lang nicht damit abfinden. Dadurch reißt sie nicht nur sich, sondern zahlreiche Menschen in ihrem Umfeld in eine Spirale aus Misstrauen und Angst. Was ist damals wirklich geschehen? Wurde Ricarda das Kind entzogen und an eine andere Familie vermittelt? Was weiß ihr Mann? Steckt ihr eigener Vater dahinter? Oder ist alles doch nur Einbildung, weil eine Mutter sich nicht mit dem Tod ihres Babys abfinden kann? Doch auch Thomas Rust, einen junger Polizisten, läßt die Nacht, in der Ricarda ihr Kind verlor nicht mehr los. 1989 erfährt die junge Claudia, dass sie adoptiert wurde und geht nach dem Mauerfall über die Grenze. Wird sie je erfahren, wer ihre Eltern waren.


    Was zunächst nach einem reinen DDR-Schicksal vor dem Hintergrund der Unrechtsstaatlichkeit aussieht, entpuppt sich ganz schnell als wirklich spannende Geschichte, die durchaus Krimiqualität hat.

    Der Autor springt immer wieder zwischen 1973 und dem Mauerfalljahr 1989 und den Jahren kurz danach hin und her, um schließlich 2018 die Handlungsfäden zusammenlaufen zu lassen. Die Geschichte entwickelt sich daher auf zwei Ebenen, wobei der Beginn der Geschichte 1973 langsamer erzählt wird. Thomas Rust agiert 1973 und treibt die Handlung weiter voran, wo Ricarda nichts ausrichten kann und gar nichts von seinen Bemühungen erfährt.

    Die Kapitel sind angenehm kurz und der Schreibstil von Goldammer läßt sich hervorragend lesen. Er versteht es, die Stimmungen einzufangen und auf das Papier zu bringen. Die Kälte, die Angst, die Verzweiflung - das läßt sich alles nachempfinden. Als Leser fiebert man mit und ist sofort von der Geschichte gefangen.

    Lange weiß man nicht, wie sich die Handlung entwickeln wird, alles scheint möglich.


    Mir hat das Buch sehr gut gefallen. Es war hoch interessant und führt noch mal Teile des Staatssystems der DDR vor Augen, das seine Bürger bis ins kleinste überwacht und ausspioniert hat. Goldammer hat diese bedrohliche Atmosphäre sehr gut eingefangen, vergißt aber auch nicht, Alltägliches einfließen zu lassen. Die Krimielemente haben zusätzlich Spannung aufgebaut.

    Lediglich zum Ende fiel zu oft die Erklärung, dass bestimmte Spuren nicht früher weiterverfolgt werden konnten, da man jemanden aus den Augen verloren hatte oder nicht finden konnte. Das war für mich leider etwas unglaubwürdig.


    Claudia spielt eine eher kleine Rolle in diesem Roman, der Hauptcharakter ist Ricarda. Dennoch ist der Titel „Zwei fremde Leben“ passend, da die Situation aus den unterschiedlichen Perspektiven betrachtet wird. Gelitten haben beide Seiten, Eltern und Kinder. Das Coverfoto gefällt mir sehr, wird aber leider durch den markanten, großgedruckten Titel erdrückt.


    Insgesamt kann ich das Buch wirklich empfehlen und vergebe vier Sterne.

  • grandiose Geschichte

    Als der junge Polizist Rust vor einer Klinik wartet, in der seine hochschwangere Frau liegt wird er unfreiwillig Zeuge, wie ein Auto mit Berliner Kennzeichen, das Klinikgelände verlässt. Nahezu gleichzeitig bekommt er mit, wie es bei der Geburt einer anderen Frau zu Komplikationen gekommen ist, infolgedessen das Baby verstorben sein soll. Der junge Rust beginnt auf eigene Faust zu ermittelt und gerät so schnell in das Visier der Stasi. Um herauszubekommen komm das Kind wirklich starb oder aber gestohlen wurde, biedert er sich als Stasi Mitarbeiter an. Durch seine Nachforschungen gerät er aber selbst bald in Gefahr und auch seine Frau samt ungeborenem Kind. Gleichzeitig durchlebt die junge unverheiratete Renate den schlimmsten Alptraum, der sie den Rest ihres Lebens verfolgen wird. Ihr Kind soll unter der Geburt verstorben sein, doch das will sie nicht wahrhaben. Durch ihr Leugnen und Nachforschen, macht sie sich den DDR Staat samt Stasi zum Feind. Nicht nur das sie von IM´s quasi umzingelt ist, nein irgendwann traut sie keinen mehr und verdächtig jeden. Mit der Wende bekommt sie die Chance ihre Stasiakten einzusehen und bekommt dennoch keine Antworten, dafür tauchen plötzlich verschiedene Personen, die sie verfolgen und sie nicht mehr zur Ruhe kommen lassen. Dann wird auch noch ihr zweite Tochter plötzlich von einem fremden verfolgt. Daraufhin setzt sie sich ins Auto und will dieser Helfen, doch dann kommt es zu einen folgenschweren Unfall, nachdem sie monatelang im Koma liegt. Durch ihr Koma bekommt sie dann nicht die komplette Wucht mit die der Zeitungsartikel in einer der größten Boulevardzeitungen auslöst. Erst als fast 10 Jahre später plötzlich eine junge Frau vor ihr steht, die glaubt ihre Tochter zu sein, beginnt sie erneut mit der Aufarbeitung. An deren Ende steht ein Ergebnis mit dem sie so nicht gerechnet hat.



    Der Autor schafft es auf eine grandiose Art und Weise den Leser in die damalige Zeit zu entführen. Man spürt und fühlt mit jeder Seite die man ließt, wie intensiv sich der Autor mit jener Zeit auseinander gesetzt hat. Zudem flackern beim Leser selbst Erinnerung aus der DDR Zeit auf und man fühlt sich regelrecht zurückversetzt in der Zeit. Ich bin buchstäblich begeistert, wie der Autor sich mit dem Thema Zwangsadoption und Stasi auseinandersetzt. Mir war bei der Geschichte kein einziges mal langweilig.



    Diese Geschichte ist so spannend aufgezogen, und rasant geschrieben, dass ich förmlich durch dieses Buch geflogen bin. Auch wenn es ein Roman ist, Leute dieses Buch ist spannender, wie manch ein Krimi, den ich in letzter Zeit gelesen habe. Der Autor erzählt in verschiedenen Handlungssträngen, die mittels Rückblenden und Gegenwart miteinander verbunden sind. So ganz nebenbei lernt man noch etwas dazu und will natürlich auch wissen ob das Kind nun lebt oder nicht und wird am Ende dann doch noch mal überrascht. Ich will auch gar nicht zuviel vorwegnehmen. Ihr müsst es selber lesen. Zumal hier die Sensibilisierung zu Zwangsadoption richtig gut gelungen ist.



    Die Figuren wachsen einen unglaublich ans Herz insbesondere die der Renata und Claudia. Bei dem Polizisten Rust war ich mir lange Zeit unschlüssig ob er nun gut oder böse und vor allem ob er die Kurve noch rechtzeitig kriegt. Aber was Renata alles durchleiden musste das geht einen wirklich ans Herz. Vor allem welchen Einfluss die Stasi auf ihr und das Leben ihrer Familie nahm, da muss man nicht nur schlucken sondern auch kräftig durchatmen. Und dann Claudia, die verzweifelt nach ihren Wurzeln sucht und anfangs nur gegen Mauern läuft, das sie scheinbar gar keine Vergangenheit hat.



    Fazit: Ich bin absolut begeistert von diesem durch und durch spannendes Buch, dass sich als hoch spannender Krimi entpuppt. Der Autor hat nicht nur einen unglaublichen Blick fürs Detail sondern hat sich intensiv mit der Materie auseinander gesetzt. Und das merkt man dem Buch deutlich an. Mir persönlich ging es so ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen. Es entwickelte so einen Sog. Einfach unglaublich. Ich bin wirklich begeistert und gebe eine klare Leseempfehlung. Dieses Buch ist wirklich richtig gut geradezu grandios. Ihr werdet durch die Seiten fliegen beim Lesen.

    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Deutsche Schicksale

    Kurzmeinung: Der Autor bleibt vom Anfang bis zum Ende authentisch. Das empfand ich besonders für die DDR-Jahre als sehr angenehm.


    Wie bei allen Büchern von Frank Goldammer, die ich bisher las, beinhaltet „Zwei fremde Leben“ eine hervorragend aufgebaute Geschichte.

    Inhaltsangabe (übernommen von Lovelybooks)


    "Ein verschwundenes Kind und die lebenslange Suche nach der Wahrheit"

    Ricarda Raspe und ihr Verlobter freuen sich auf ihr erstes Kind. Doch dann geht bei der Geburt in der Dresdner Klinik etwas schief − und es heißt, Ricardas Baby sei tot. Laut Vorschrift darf sie es nicht einmal mehr sehen. DDR-Alltag im Jahr 1973. Aber Ricarda glaubt nicht an den Tod ihres Kindes. Sie glaubt vielmehr an eine staatlich angeordnete Kindesentführung. Auch der Polizist Thomas Rust, der zufällig Zeuge des dramatischen Vorfalls wurde, hegt diesen Verdacht und stellt Recherchen an, die ihn in höchste Gefahr bringen. Erst 17 Jahre später laufen die Fäden zusammen, als die junge Claudia Behling jene Frau sucht, die sie nach ihrer Geburt weggegeben haben soll – ihre Mutter.


    Zu Beginn des Romans, der wie ein Krimi daherkommt, befindet sich der Leser in Dresden vor dem Frauenklinikum der Medizinischen Akademie, im März 1973.

    Ein junger Polizist bei der Kripo, der werdende Vater Thomas Rust, zeigt außergewöhnlichen Einsatz als er von einem verschwundenden Baby erfährt. Das Interesse an der Sache verliert er über die gesamte Handlung nicht, obwohl er auch ganz schön was wegstecken muss.

    Ausgehend von 1973 wird die Geschichte weitergeführt in den 80er/90er Jahren bis in die jüngste Gegenwart (2018).

    Das mitreißende Buch, das mich sprichwörtlich an den Seiten kleben ließ, las ich an einem Tag. Es ist eine äußerst spannend entwickelte Geschichte, die das Leben mehrerer Personen in der DDR miteinander verbindet und über eine große Zeitspanne begleitet. Schicksale werden gezeichnet, die realistisch sind. Eine starke Persönlichkeit ist Ricarda Raspe, die über Jahrzehnte nicht an eine Totgeburt glaubt und damit ihre Ehe aufs Spiel setzt und das Verhältnis zu ihren eigenen Eltern schweren Schaden nimmt.

    Das Besondere, was mir an dem Erzählten in der Figurenentwicklung im sozialistischen Alltag auffällt, dass Frank Goldammer immer authentisch bleibt. Er beschönigt nichts an der Realität, aber er kommt auch nicht mit erhobenem Zeigefinger daher. Das empfinde ich als sehr angenehm und fair gegenüber den Menschen. Ich kann das als Zeitzeugin (Jahrgang 1953 aus Chemnitz) sehr gut beurteilen. Den Autoren bewundere ich sehr, wie er das Flair der betreffenden DDR-Jahre eingefangen hat und wie er die Charaktere nach der Wende zeichnet. Er war ja zum Beginn der Handlung noch gar nicht geboren bzw. ein junges Kind (Jahrgang 75). Da liegt eine gründliche Recherche und viel Einfühlungsvermögen dahinter, um in diese Zeit so einzutauchen. Chapeau, Herr Goldammer!


    Für mich ist „Zwei fremde Leben" eins der besten Bücher zu dem Thema, die ich bisher gelesen habe. Es ist mein Lesehighlight 2020.

    Ich vergebe meine tiefüberzeugte Lese- und Kaufempfehlung. Fünf von fünf Sternen! :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Ein Mutterherz gibt niemals auf

    1973 freut sich Ricarda Raspe mit ihrem Verlobten in Dresden auf die Geburt ihres ersten Kindes, doch dann erlebt Ricarda einen Alptraum, denn nach einer angeblichen Totgeburt wird ihr aufgrund von DDR-Vorschriften der Abschied von ihrem Kind nicht gewährt. Ricarda ist völlig verzweifelt, glaubt sie doch nicht daran, dass ihr Kind nicht mehr lebt, sondern verdächtigt ihren eigenen Vater, ihr Kind von ihr fern zu halten, indem er es zur Adoption freigegeben hat. Polizist Thomas Rust, dessen Frau ebenfalls kurz vor der Entbindung steht, bekommt Wind von der Sache und folgt seiner Spürnase, doch wird es für ihn bald sehr gefährlich, stochert er doch in Dingen herum, die die Stasi unbedingt bedeckt halten will. 17 Jahre später im Jahr 1989 sucht die junge Claudia Behling ihre leibliche Mutter. Kommt am Ende doch zusammen, was von Beginn an zusammengehörte?


    Frank Goldammer hat mit „Zwei fremde Leben“ nicht nur den optimalen Titel für seinen Roman gefunden, sondern spiegelt mit einer mitreißenden Handlung die Zustände in der damaligen DDR wieder, deren Bürger immer wieder von der Stasi manipuliert und malträtiert wurden. Der flüssige, bildhafte und fesselnde Schreibstil bugsiert den Leser mit wenigen Worten auf eine Zeitreise in die jüngste Vergangenheit. Der Autor spielt im Verlauf seiner Handlung mit wechselnden Zeitebenen, so dass der Leser sowohl Ricarda und ihr Leben kennenlernt als auch das Leben der jungen Claudia. Die Verzweiflung Ricardas, ihre unablässige Suche nach ihrem Kind sowie ihre dadurch zerbrechende Ehe und ihre Einsamkeit sind sehr anschaulich beschrieben. Bewundernswert dabei ist, wie sehr sie an ihrer Überzeugung festhält, obwohl sie nie wirklich beweisen kann, dass ihre Vermutungen stimmen. Auch die Sicht auf Claudia lässt den Leser nicht kalt. Das junge Mädchen steht innerhalb ihrer Familie ständig unter Druck, das Verhältnis zur Mutter ist besonders schwierig. Ihr Ausbruch aus dieser Zwangsjacke ist nachvollziehbar, ihre Abwanderung in den Westen nach dem Mauerfall praktisch vorhersehbar. Obwohl die Geschichte die damaligen Verflechtungen der Stasi sehr gut wiedergibt und die Handlung einiges an Spannung verspricht, kommt diese leider nicht wirklich zum Tragen. Zu sehr liegt das Hauptaugenmerk auf den politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen der DDR. Dabei beinhalten die Themen Kindesentzug und Zwangsadoption einiges an Sprengstoff, der hier leider nicht richtig zur Zündung kommt.


    Die Charaktere sind mit ihren menschlichen Ecken und Kanten recht lebendig und glaubwürdig in Szene gesetzt, jedoch bleibt der Leser immer am Rand und baut keine große Nähe zu ihnen auf, was dem Lesevergnügen aber nicht schadet. Ricarda ist eine liebende und verzweifelte Mutter, deren Leid gut zu spüren ist. Ihre ausdauernde Suche nach ihrem Kind fordert nicht nur viele Opfer von ihr, sondern auch all ihre Kraft, um nicht in völlige Mutlosigkeit zu versinken. Da wünscht man sich als Leser geradezu, dass ihre Bemühungen von Erfolg gekrönt werden, damit sie endlich zur Ruhe kommt und ihrem eigenen Kind in die Augen blicken kann. Thomas Rust ist ein intelligenter, ehrlicher Mann mit einem Pokerface, zudem mit einer besonderen Spürnase und der nötigen Neugier ausgestattet, die sich auch nicht ausschalten lässt, als sich die Gefahr über ihm zusammenbraut. Claudia ist auf der Suche nach ihren Wurzeln. Das Verhältnis zu ihren Adoptiveltern ist schwierig, so richtig zuhause fühlt sie sich nicht. Die Suche nach ihrer leiblichen Mutter zwingt sie dazu, schnell erwachsen zu werden und für sich selbst Verantwortung zu übernehmen.


    „Zwei fremde Leben“ ist eine beeindruckende Geschichte, die sich so bestimmt auf die eine oder andere Weise so zugetragen hat. Noch heute gibt es viele Frauen, die nach ihren verschwundenen Kindern suchen. Ein unterhaltsamer und nachdenklich stimmender Roman, dem leider die Spannung etwas verloren geht. Verdiente Empfehlung


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    Bücher sind Träume, die in Gedanken wahr werden. (von mir)


    "Wissen ist begrenzt, Fantasie aber umfasst die ganze Welt."
    Albert Einstein


    "Bleibe Du selbst, die anderen sind schon vergeben!"
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    gelesene Bücher 2020: 432 / 169960 Seiten