Erin Morgenstern - Das sternenlose Meer / The Starless Sea

  • Klappentext


    Eigentlich arbeitet Zachary Ezra Rawlins an seiner Promotion, doch er kommt nicht weiter. Denn immer, wenn er in der Bibliothek ist, sucht er ein Buch auf, das zwischen den Regalen versteckt liegt. Ein Buch, in dem Zachary eines Tages eine Schilderung seiner eigenen Kindheit findet. Aber wie ist das möglich? Auf der Suche nach dem Geheimnis dieses Buches entdeckt Zachary eine unterirdische Welt voller Bücher am Ufer eines sternenlosen Meers, wo er schließlich eine Verschwörung aufdecken und für die Liebe seines Lebens kämpfen muss.


    Meine Meinung


    Ich hatte vor Jahren mal in Der Nachtzirkus von Erin Morgenstern reingelesen, hab aber gemerkt, dass der Zeitpunkt für das Buch und mich nicht der richtige war und hab es seitdem zur Seite gelegt. Mit ihrem neuen Buch wollte ich einen "Neustart" versuchen und was soll ich sagen: ich bin absolut begeistert!!!


    Es ist sehr ungewöhnlich auf allen Ebenen, die man sich vorstellen kann - und man muss mögen, wie die Geschichte aufgebaut ist, aber man kann sich auf jeden Fall gut zurechtfinden.

    Der rote Faden ist Zachary Ezra Rawlins, ein Student für Neue Medien und Buchliebhaber, der in einem alten Buch ein Ereignis aus seiner Vergangenheit aufspürt. Diese unglaubliche Entdeckung führt ihn in eine verborgene Welt voller Mythen, Rätsel und Geheimnisse.

    Diesem roten Faden kann man wunderbar folgen, denn diese Kapitel sind länger als die kurzen Einblicke, die sich mit seiner Erzählung abwechseln.


    Diese kleinen Einblicke zeigen dem Leser mehr über die unterirdische Welt: wie ihr Geheimnis bewahrt wird, welche Märchen sich darum ranken, welche Figuren darin eine wichtige Rolle spielen und wie sich Zacharys Schicksal mit den Entwicklungen dieser "Welt" verbunden hat.

    Das wird alles nach und nach aufgedröselt und man dringt dabei immer tiefer in diese Mysterien ein und ich fand es faszinierend, welche Ideen die Autorin hier mit jedem neuen Abschnitt in einer eigenen kleinen Geschichte eingebracht hat. Die Atmosphäre ist immer besonders, eindrucksvoll und mit einem guten Blick für Details, die alles umso wirklicher und lebendiger wirken lassen. Auf eine ruhige und sehr intensive Art, die mich total gefesselt hat.


    Die Liebe zu Büchern und Geschichten ist ein wichtiger Bestandteil, den Erin Morgenstern auf jedwede Weise zum Ausdruck bringt. Es gibt z. B. viele kleine Anspielungen auf bekannte Klassiker oder auch neuere Leser-Lieblinge, Geschichten versteckt in Bonbons oder anderen Variationen und Bücher in jedweder Form, ob als Kulisse, in einzelnen Seiten oder als Stückwerk ... da sind der Fantasie wirklich keine Grenzen gesetzt worden!

    Außerdem ein Sammelsurium von Metaphern und Symbolen, die wunderschön eingeflochten sind - auch wenn sie momentan teilweise absolut fragwürdig erscheinen, setzt sich das Muster nach und nach passend zusammen.


    Allerdings scheint diese unterirdische Welt etwas zu bedrohen und das bringt auch eine gewisse Unruhe und Spannung in Zacharys "Ermittlungen". Denn während er herauszufinden versucht, was es mit dem Sternenlosen Meer auf sich hat, hat es jemand darauf abgesehen, dieses ... für immer Verschwinden zu lassen.

    Auch die Figuren, auf die er trifft haben eine ganz besondere Magie, einen unentrinnbaren Charme.


    Der Stil ist wirklich extrem eigen und sicher nicht jedermanns Sache: aber ich liebe ihn sehr! Dieses verworrene, das aber neugierig macht, dieses poetische, was eine ganz besondere Atmosphäre schafft, die vielen kleinen Geschichten, die den großen Zusammenhang erklären, und die Liebe zu Büchern, die aus jeder Zeile spricht ... also mich hat die Autorin damit wirklich sehr eingenommen!


    Allerdings hat sie mich mit dem Ende nicht mehr ganz überzeugen können - bzw. nicht mit dem letzten Teil, den fand ich von der Idee her gelungen, aber der Weg im letzten Kapitel bzw. im vorletzten und letzten "Buch" (die Handlung ist in sechs Bücher unterteilt) hat sich etwas verloren. Ich hab nicht mehr so ganz durchblicken können in manchen Momenten und auch wenn ich jetzt weiß, wohin sie wollte, hätte sie das für mich etwas straffen können und grade zum Ende hin klarer machen können.


    Trotzdem ein absolut besonderes Buch, das mich tief berührt hat! Ich fand es super schade, dass ich gegen Ende den Faden etwas verloren habe - aber vielleicht, wenn ich es irgendwann nochmal lese.


    Mein Fazit: knappe 5 Sterne


    Weltenwanderer

  • Aleshanee

    Hat den Titel des Themas von „Erin Morgenstern - Das sternenlose Meer“ zu „Erin Morgenstern - Das sternenlose Meer / The Starless Sea“ geändert.
  • Der Student Zachary entdeckt in einem geheimnisvollen Bibliotheksbuch eine Episode aus seinem eigenen Leben und wird unversehens in ein undurchsichtiges Abenteuer in der Welt der Geschichten hineingezogen - wobei er recht bald feststellen muss, dass er sich offenbar unwissentlich ziemlich mächtige Feinde gemacht hat und irgendwann gar nicht mehr weiß, was nun real und was Phantasie ist.


    Wie in einem riesigen Labyrinth irrt er in riesigen Sälen und düsteren Gängen tief unter der Erde, aber weit über dem rätselhaften "sternenlosen Meer" herum, trifft dabei auf Menschen, die viel älter zu sein scheinen, als sie auf den ersten Blick wirken, muss geheimnisvolle Aufgaben erfüllen und Rätsel lösen ... und dabei höllisch aufpassen, sich nicht in Gefahr zu bringen. Auch seine sympathischsten Begleiter bleiben immer ein wenig geheimnisumwittert und undurchschaubar und er weiß nie, wem er wirklich trauen kan.


    Erin Morgenstern hat es ausgezeichnet verstanden, mich ruckzuck in dieses Buch hineinzuziehen. Nach ein paar scheinbar zusammenhanglosen Vorgeschichten, die neugierig machen, kommt Zachary ins Spiel, einer der liebenswertesten Protagonisten, denen ich in letzter Zeit begegnet bin - ein introvertierter Bücher- und Games-Nerd, der eine gescheiterte Beziehung hinter sich hat und sich am wohlsten fühlt, wenn er sich mit einem schönen Schmöker und einer Tasse Kakao in seiner Studentenbude einbuddeln kann. Ein grundsympathischer Kerl mit viel Identifikationspotential.


    Auch sonst gibt es hier viel von allem, was ich mag: Eulen, Bücher, Katzen, nerdige Leute und charmant-geheimnisvolle Örtlichkeiten, ebenfalls voller Bücher und Geschichten, und so entzückende Kleinigkeiten wie Bonbons, die keine gewöhnlichen Süßigkeiten sind, sondern kleine Geschichten enthalten. Dazu noch Sätze wie "Reading a book four times in a day is perfectly normal behaviour" und mehrere "Bücher im Buch", Einschübe,

    die die Geschichten erzählen, die Zachary selbst liest, mal grausam, mal mysteriös.


    Kurz, Erin Morgenstern versteht es hier ganz wundervoll, das Lesen, die Freude am Geschichtenerzählen und -hören und die Macht der Phantasie zu feiern. Ob die Anklänge an die "Unendliche Geschichte" Absicht oder Zufall sind, vermag ich nicht zu sagen, aber ich mochte das sehr.


    Im Gegensatz zu Michael Ende bringt die Autorin das Buch allerdings nicht zu einem wirklich runden Abschluss. Es tut mir richtig leid, das sagen zu müssen, aber vom letzten Viertel war ich dann leider ziemlich enttäuscht. Die Handlung zerfasert, die Entwicklungen wirken nicht immer logisch, und es wird gar nicht so richtig greifbar, worauf das Ganze eigentlich hinauswill. Gerade die Frage, was es mit dem sternenlosen Meer auf sich hat, wurde für mich nicht wirklich beantwortet, es gibt zwar phantasievolle Beschreibungen, aber keine richtige Erklärung. Ich hatte den Eindruck, dass irgendwann nur noch Ideen willkürlich aneinandergereiht wurden, um sie noch im Buch unterzubringen, und der rote Faden verlorengeht, so dass ich mich durch manche Kapitel fast etwas quälen musste.


    Der Schluss vermochte mich dann immerhin doch wieder sehr zu berühren. Aber trotzdem schade, dass das Niveau nicht durchgängig gehalten werden konnte. Zu Beginn hätte ich ohne weiteres die volle Punktzahl gegeben für die wunderschöne Sprache, die tollen Einfälle und die liebevolle Hommage an die Lesefreude.