Susanne Matthiesen - Ozelot und Friesennerz

  • Susanne Matthiesen - Ozelot und Friesennerz


    Inhaltsangabe (von amazon)

    Der Roman einer ganz normal verrückten Kindheit in den Siebzigern - und die Suche nach einer Heimat, die es so nicht mehr gibt.

    Sonne, Freiheit, Champagner: In den Siebzigerjahren lassen Stars, Politiker und Industriegrößen des Wirtschaftswunderlands, aber auch viele andere Inselurlauber, den Alltag am Strand hinter sich ― und findige Sylter Unternehmer legen den Grundstein zu sagenhaftem Reichtum.

    Für Susanne Matthiessen ist das Sylt ihrer Kindheit ein faszinierender, aber auch gefährlicher Abenteuerspielplatz, bevölkert von außergewöhnlichen Menschen, in vielem typisch für diese Zeit. Von all diesen Begegnungen, aber auch dem schmerzhaften Verlust der Heimat erzählt die Autorin mit großer Leichtigkeit, scharfem Blick und Humor.

    Ein faszinierender Blick hinter die Kulissen von Deutschlands beliebtester Ferieninsel: Sylt.

    Die Bundesrepublik gespiegelt auf einer kleinen Insel.


    MEINE REZENSION


    SYLT AUS DER SICHT EINER EINHEIMISCHEN

    Sylt! Das ist für mich einer meiner Sehnsuchtsorte. Ich war noch nie auch nur in der Nähe. Deshalb wollte ich auch sehr gern dieses Buch lesen.

    Aus dem Blickwinkel von Susanne Matthiessen, die 1963 auf Sylt geboren wurde, bekam ich Einsichten in das Inselleben der 60er und 70er Jahre.

    Die Autorin wächst in einer Westerländer Kürschnerfamilie auf. Das Pelzgeschäft beherrscht das Leben der gesamten Familie. Alles dreht sich um die Rauchwaren, wird dem untergeordnet. Es ist von Entbehrungen die Rede - zu Beginn der 60er Jahre gab es noch kein mondänes Sylt! Der Großvater hatte sein berühmtes Pelzmodeimperium in den Sand gesetzt und starb zudem noch vollkommen unspektakulär an "Gas" (O-ton der Ehefrau).

    S. 42 "Von Prunk zu prekär brauchte es nur wenige Jahre."

    Die nächste Generation musste einen Neubeginn wagen. Sylt befand sich im Aufbruch! Die Zeit der Wirtschaftswunderjahre begann!


    Der Schreibstil von Susanne Matthiesen gefiel mir zu Beginn in der Leseprobe. Sie bezeichnet sich selbst als „Mitglied einer bizarren Schicksalsgemeinschaft" S. 7. Da hatte sie die Charaktere recht gut beschrieben - die Mutter, "Twiggy-Mutter" S. 45 (klein, aber tatkräftig und willensstark), die Großmutter (pragmatisch, wenig emotional). Doch im weiteren Verlauf geriet mir die Erzählung aus der Ich-Perspektive dann doch zu sachlich und unterkühlt. Der Blick hinter die Kulissen zeigt zwar viele Facetten, viel Prominenz wird angeführt. Es gleicht aber mehr einer schlichten Aneinanderreihung von Fakten und Ereignissen, die hin und wieder humorvoll vorgetragen werden, im Fall der „Sache mit der Lederhose" einen hohen Ekelfaktor bereithielten oder bei dem Auffinden der beiden Leichen Unverständnis bei mir erzeugten. Warum mussten die Kinder in dem Hotel, in dem das geschah, unbedingt dabei sein und alles hautnah erleben?

    So erhielt ich Einsichten auf die Bewohner der Insel, auf ihr Leben, auf ihre Privatsphäre, die sich bedingungslos dem Tourismus unterordnete. Selbst die Begegnungen mit berühmten Zeitgenossen hatten gewerbliche Hintergründe. Im Zusammenhang mit Gunter Sachs, der oft auf Sylt zu Gast war, wird auch der Niedergang der Pelzindustrie festgemacht. Seine Exfrau Brigitte Bardot wird vom Vater der Autorin wesentlich dafür verantwortlich gemacht.

    S. 129 „Brigitte Bardot war der Anfang vom Ende. Sie war wesentlich daran beteiligt, dass eine weltweit florierende, jahrtausendalte Traditionsbranche zum Einsturz gebracht wurde.“


    Susanne Matthiesen erzählt im Roman aus ihrer Kindheit wie aus der Gegenwart. Das Buch besteht aus Prolog, Kapiteln und Epilog. Die acht Kapitel tragen die Überschriften „Die Sache mit...“ (und dann der Name eines Pelzes und in einem Fall eine Lederhose).


    Mit Vor- und Nachwort vermittelte mir die Autorin umfassendere Einblicke in die gesellschaftliche Entwicklung von Sylt. Hier spannt sie den Bogen vom Damals zum Jetzt. Das gelingt ihr sehr gut. Hier zeigen sich ihre Sorgen über die Art und Weise der Verdrängung der einheimischen Bevölkerung, die steigenden Immobilienpreise, die touristische Vermarktung durch die Verwirklichung von Luxusbauprojekten, die Ausbeutung der Insel.


    Fazit:

    Unterhaltungsliteratur mit gesellschaftspolitischem Hintergrund, der zumindest zum Nachdenken anregen sollte. :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Sylt – wie die Insel wurde wie sie ist


    Ein Romantitel, der kurz und bündig die Kindheit und Jugend der Autorin zusammenfasst und neugierig macht auf das, was sie, Susanne Matthiessen, geboren und aufgewachsen in den 1960/70er Jahren auf der Insel Sylt erlebt hat und wie ihr diese Insel in Erinnerung geblieben ist.


    Sie beschreibt auf kurzweilige und amüsante Art nicht nur persönliche Erfahrungen und Erlebnisse, sondern lässt ebenso teilhaben an dem Aufschwung, den diese Insel durch ihre Entdeckung als Urlaubsinsel der Reichen und Schönen erlebte. Dabei werden aber auch die negativen Auswirkungen aufgezeigt, die sich vor allem in steigenden Grundstückspreisen und Mieten zeigen, die von Einheimischen nur schwer oder überhaupt nicht aufgebracht werden können. Auch das ursprünglich dörfliche Inselleben weicht mehr und mehr dem aufkommenden und anspruchsvollen Tourismus und lässt die Autorin mit ein wenig Wehmut auf vergangene Zeiten zurückblicken.


    Ein interessanter Rückblick, vor allem wenn man ebenfalls in diesen Zeiten aufgewachsen ist, unabhängig vom Ort und Umgebung. Da findet sich vieles Vertrautes wieder und so manches mal tauchen beim Lesen dann eigene ähnliche Erinnerungen auf.

  • "Ozelot und Friesennerz" ist ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie sich die verschiedenen Klassen auf engstem Raum befinden und keiner merkt etwas.
    Was ich damit sagen will ist, dass dieses Buch eine Spiegelung dessen ist, was diesen Touristenmagneten ausmacht. Es zeigt anschaulich und stellenweise erschreckende und beklemmende Einblicke in das Leben derer, die dafür hart arbeiten müssen, damit die "Schönen und Reichen" Urlaub genießen können. Hier schlafen dann auch mal die Hausherren auf der Couch und überlassen den Gästen das Hauptschlafzimmer. Die Kleinsten werden damit aufgezogen, dass für den Tourismus gelebt wird, das alles getan werden muss, um die Touristen zum bleiben und wiederkommen zu animieren.
    Leider ist nicht alles Gold was glänzt, und so wird Schritt für Schritt die bröckelige Fassade vom schillernden Sylt enthüllt, wo es an manchen Ecken und Kanten schon kein Verbesserungspotential gibt. Aus der Sicht einer Heranwachsenden erzählt, werden wir mitten im Wirtschaftswunder darauf aufmerksam gemacht, dass es zu dieser Zeit eben doch auch Verlierer gegeben hat.
    Der Schreibstil ist nicht sonderlich hochtrabend, sondern sorgt für einen angenehmen Lesefluss, ich fühlt mich zum Großteil unterhalten, gestehe dem Buch ab an manchen Stellen Langatmigkeit zu. Hier werden einige Erinnerungen verarbeitet, an manchen Stellen hat man das Gefühl, eine Biographie zu lesen.

    Alles in allem war es gut und ich gebe drei Sterne :)

    Gelesen April: 9 Bücher, 2 Comicreihen, 4157 Seiten
    Gelesen Mai: 13 Bücher, 2 Zeitschriften (Stern Crime Serie), 1 Comicreihe, 5065 Seiten
    Juni aktuell: 9 Bücher, 4 Comicreihen, 1 Zeitschrift (Stern Crime )

  • Vom Ozelot, der sein Leben für einen Bikini lassen musste


    Als ich das Buch entdeckte, dachte ich, endlich einmal ein Sylt-Buch ohne Sommer-Sonne-Strandkorb-Liebe. Auch die Leseprobe hat mich angesprochen, wenngleich ich die Aussage, dass man „als echte Sylterin qua Geburt automatisch etwas Besonderes“ und „automatisch einem Adelsgeschlecht angehört“ doch etwas fragwürdig finde.


    In ihrem Buch (das übrigens für mein Empfinden kein Roman, sondern eine Sammlung von Anekdoten und Ereignissen ist) beschreibt Sabine Matthiessen ihre Kindheit und Jugend auf Sylt, einem Sylt, das man – Gottseidank – so heute nicht mehr vorfindet. Der Mief der Sechziger und Siebzigerjahre kroch einem während der Lektüre praktisch in die Knochen.


    Die Familien vermieteten die eigenen Schlafzimmer und campierten während der Saison zusammengepfercht im Wohnzimmer. Für die Kinder war keine Zeit, die mussten sich selbst beschäftigen und gut benehmen. Abends gingen die Eltern dann auch gerne noch aus und gaben den Kindern Schlaftabletten, damit sie nicht aufwachten, während die Eltern außer Haus waren. Äußerst befremdlich fand ich, dass die Autorin als Baby im Schlafzimmer mit im Ehebett der Feriengäste schlief und nach deren Syltaufenthalt sogar mit ihnen „in Urlaub“ fuhr.


    Die Autorin entstammt einer bekannten Kürschnerfamilie, damals gehörte es wohl dazu, dass die reichen Urlauber mit einem Pelz nach Hause fuhren. Es war eine andere Zeit, Pelz zu tragen war noch nicht verpönt. Trotzdem finde ich es sehr bedenklich, wie unreflektiert Frau Matthiessen gewissen Anekdoten erzählt. Zum Beispiel die Geschichte, in der ein namentlich genannter Bankier für seine junge Gespielin einen Bikini aus Ozelot anfertigen lässt und die Autorin das Fell dieses vom Aussterben bedrohten Tieres als „Wildware“ bezeichnet. Sicher ist dies der Fachbegriff, aber ich empfinde ihn in der heutigen Zeit doch als ausgesprochen zynisch.


    Überhaupt erzählt Susanne Matthiessen gerne Klatschgeschichten über bekannte Personen. Will ich wirklich wissen, wie Willy Brandt betrunken vom Balkon fiel oder ein bekannter Verleger ungepflegt mit fettigem Haar im Laden saß? Nein! Wenn ich solche Geschichten lesen will, kaufe ich mir die Zeitung mit den großen Buchstaben.


    Es gab Passagen, die ich interessant fand, aber im Großen und Ganzen hat mich das Buch eher gelangweilt. Mir fällt nicht eine Person im gesamten Buch ein, die mir sympathisch war, und der Schreibstil kommt sehr abgehackt und holprig daher. Für mich war es eine ziemlich enttäuschende Lektüre. :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Eine Sammlung außergewöhnlicher Geschichten


    In „Ozelot und Friesennerz“ erzählt Susanne Matthiessen Geschichten aus dem Sylt der 70er Jahre. Das macht sie ziemlich gekonnt. Sie selbst ist auf Sylt geboren und hat in genau der Zeit dort ihre Kindheit verlebt. Ihre Geschichten sind witzig und schockierend zugleich. Sie erzählt sowohl aus der Sicht eines Kindes als auch mit dem augenzwinkernden Verstand eines Erwachsenen. Sie charakterisiert oft mit nur wenigen Worten sehr treffend, z. B. „Schenkelschande und Bauchblamage“.


    Ich selbst habe keinerlei Beziehung zu Sylt. Deshalb war ich zunächst skeptisch, ob mich dieses Buch wirklich unterhalten oder berühren könnte. Ich lese jedoch gern spannende und kuriose Geschichten aus anderen Zeiten, und genau die habe ich hier gefunden und ganz nebenbei eine Menge über Sylt erfahren.


    Als zentraler Ort – oder besser gesagt als zentrale Institution – fungiert dabei das elterliche Pelzgeschäft in Westerland, in dem alles einkauft, was Rang und Namen hat. Alle Kapitel tragen die Überschrift „Die Sache mit dem/der …“, wobei jeweils eine bestimmte Pelzsorte genannt wird, z. B. „Die Sache mit dem Seelöwenpelz“, „Die Sache mit der Luchskatze“ und so weiter. Diese spielt dann zwar meistens im Verlauf der Geschichte eine wichtige Rolle, lässt jedoch genügend Raum für viel mehr. Die Pelze bilden also einfach den roten Faden für das Buch.


    Die Geschichten basieren auf wahren Begebenheiten und nebenbei schweift die Autorin immer wieder in historische Fakten ab – nach meinem Geschmack in passender Dosierung. Sie nimmt jeweils rechtzeitig die Kurve zurück zur Story. Schon das erste Kapitel „Die Sache mit dem Seelöwenpelz“ – fast ein Krimi – ist ein gutes Beispiel dafür.


    Allerdings würde ich dieses Buch nicht wirklich als Roman bezeichnen, wie der Untertitel „Roman einer Sylter Kindheit“ ausweist. Die Kapitel sind in meinen Augen eher einzelne Geschichten. Und so ausgesprochen gut mir die auch gefallen, so schwach finde ich Prolog und Epilog. Diese hat die Autorin offensichtlich als Klammer gedacht, um alles zusammenzuhalten.


    Sie beschreibt im Prolog, wie sie heute Sylt besucht, dort an einer typischen Feierlichkeit teilnimmt und alte Freunde und Bekannte wiedertrifft. Nach acht Kapiteln mit den eigentlichen Storys aus ihrer Kindheit kommt sie im Epilog wieder auf die Gegenwart zurück und beschwert sich seitenweise über die heutige Sylter Lokalpolitik. Ich kann verstehen, dass ihr das alles sehr am Herzen liegt und dass da die Journalistin „durchbricht“. Aber meiner Meinung nach schmälert es die Wirkung der tollen Storys.


    Fazit: Dieses Buch ist eine Sammlung außergewöhnlicher Geschichten, die den Leser auf eine kurzweilige Reise ins Sylt der 70er Jahre mitnehmen. Wer gern unterhaltsame Geschichten liest, wird es lieben. Den Prolog und den Epilog kann man getrost weglassen.


    Bewertung: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: