Morten Traavik - Liebesgrüße aus Nordkorea / Forræderens guide til Nord-Korea

  • Autor: Morten Traavik

    Titel: Liebesgrüße aus Nordkorea - Ein Extremdiplomat berichtet

    Seiten: 293
    ISBN: 978-3-518-47053-4
    Verlag: Suhrkamp

    Übersetzer: Stefan Pluschkat


    Autor:

    Morten Traavik wurde 1971 geboren und ist ein norwegischer Reggisseur und Künstler. Er arbeitete in Russland und Schweden an kulturellen projekten und stellte in Zusammenarbeit mit dem nordkoreanischen Regime mehrere Projekte auf die Beine, die kurz vor der vollendung gestoppt wurden. Er engagiert sich gegen Landminen in Angola und Kambodscha und arbeitet über kunst- und Genregrenzen hinweg.


    Inhalt:

    In den letzten zehn Jahren ist Morten Traavik mehr als zwanzig Mal nach Nordkorea gereist, dem abgeschottesten Land der Welt, als offizieller Kulturattache Norwegens. In Zusammenarbeit mit den notorisch verschlossenen Behörden gelangen ihm bahnbrechende Projekte - wie das erste Rockkonzert auf nordkoreanischen Boden - bis zum Herbst 2017, als er alle Beziehungen zum Land kappen musste. Jetzt erzählt er, was er erlebt hat: Durch die unerwartete Freundschaft mit einem nordkoreanischen Staatsdiener dringt Traavik immer tiefer in die Irrungen und wirrungen dieses Landes ein, bis der regierung seine kontroversen und subversiven Ideen zu weit gehen... (Klappentext)


    Rezension:

    Man kann sich wahrlich leichtere Herausforderungen suchen, als in einem der undurchsichtigsten Ländern der Welt kulturelle Projekte anstoßen zu wollen, und doch hat der Norweger morten Traavik genau das getan. Damit gewann er einen Einblick in das Funktionieren dieses Staates, wie es wohl kaum jemanden bisher gelungen ist. Nun ist sein erstes Buch, ausgerechnet dazu, in deutscher Übersetzung erschienen. Doch, wer ist Morten Traavik eigentlich genau? Künstler, Musiker, Regisseur, Kommentator, irgendwie treffen all diese und noch mehr Bezeichnungen auf den Skandinavier zu, der sich in jedem Fall den Verdienst gemacht hat, das abgeschottete Land, sein Regime und die Menschen, die dort leben, verstehen zu wollen. Das ist ihm in gewisser Weise gelungen.


    Er erzählt von seiner Arbeit und der Tuchfühlung mit einem unberechenbaren Gegenüber, verliert dabei nicht den Blick für das Wesentliche. Wie setzt man, behutsam, Ideen um, wenn der Partner willkürlich und wechselhaft handelt, wenn dein Kontakt genau so oder noch mehr Angst hat vor den Konsequenzen, und seien diese auch nur rein hypothetisch? So kann es schon einmal in teils slapstickhaften Situationen ausarten, sich mit einer Disco-Kugel bei einem Propagandaevent fotografieren zu lassen oder einem Ausflug in den Versuch eines Spagat Nordkoreas auf Tauchfühlung mit den sonst verhassten Kapitalismus. Mit detaillierten Kenntnissen stellt Traavik die Geschichte Koreas dar, die letztendlich in der teilung der halbinsel mündete, zeigt die Bedeutung der Kim-Dynastie auf, und das, was das Regime bis heute daraus macht. Sachlich erklärt er das Funktionieren des Unverständlichen.


    Auflockert wird die Aneinanderreihung von teils unverdaulichen Eindrücken durch genau so ungewöhnliche Rezepte. Würde man mit einem Hund nach Nordkorea einreisen, wäre dies an sich eine Einführung von Lebensmitteln? Davon abgesehen bezieht er Stellung zum Fall Otto Warmbier, versucht Lügen, Propaganda und tatsächliches Geschehen so gut, wie möglich auseinander zu halten, erklärt, warum diese Episode der Geschichte so abgelaufen ist, warum dies aus Sicht Nordkoreas kaum anders hätte funktionieren können, zumal mit Blick auf den eigenen Machterhalt. Nicht dabei, aber an einigen anderen Stellen geht er etwas zu freundlich mit dem totalitären Staat um, worüber zu diskutieren wäre. Dazu müsste man sich jedoch selbst ein ebenso detailliertes Bild machen, wie dies der Autor getan hat.


    Zitat

    Komödie ist Tragödie plus Zeit.


    Nach diesem Motto berichtet, durchsetzt mit einem Fototeil, von einem Land, welches zwar nicht zu unterschätzen ist, aber in teilen gnadenlos überschätzt wird. Interessant, sein Einblick in die Zusammenarbeit mit den nordkoreanischen Behörden, aber auch den örtlichen Gegebenheiten , zugleich die Linkliste als ergänzende Quellen. So gehört "Liebesgrüße aus Nordkorea" zu der wenig vorhandenen kritisch hoffnungsvollen Literatur, die es in diesem Bereich zu finden gibt, kann man lesen, sollte sich jedoch auch ergänzend mit weiterführenden Berichten, etwa Geflohener und anderer Kenner des Landes beschäftigen, um ein abgerundetes Bild zu bekommen. Alleine dieses Sachbuch mit den kurzweiligen episodenhaften und flüssig zu lesenden Abschnitten, tut dies nicht.

  • Squirrel

    Hat den Titel des Themas von „Morten Traavik - Liebesgrüße aus Nordkorea“ zu „Morten Traavik - Liebesgrüße aus Nordkorea / Forræderens guide til Nord-Korea“ geändert.
  • Das Werk heißt ja im Original ungefähr "Nordkorea-Reiseführer eines Verräters" - inszeniert sich der Autor entsprechend dramatisch? Ist dann auch damit zu rechnen, dass die Veröffentlichung dieses Buches das Ende seiner Tätigkeiten in Nordkorea bedeutet? :-k

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  • Das Werk heißt ja im Original ungefähr "Nordkorea-Reiseführer eines Verräters" - inszeniert sich der Autor entsprechend dramatisch? Ist dann auch damit zu rechnen, dass die Veröffentlichung dieses Buches das Ende seiner Tätigkeiten in Nordkorea bedeutet? :-k

    So einfach ist das nicht. In seiner Jugend war der Autor Mitglied einer Gruppe von Leuten, die den Austausch mit Nordkorea wollten und wohl auch die Ideologie nicht ganz schlecht fanden, um das einmal so zu formulieren. So ist der Gedanke für die weitere Arbeit des späteren Künstlers entstanden. Nordkorea galt vor den Hungersnöten zum Teil in Skandinavien als durchaus solventer Staat. Die Projekte später waren aber 2017 schon dem Regime zu heikel, im Blick auf die vewobenenen und sich überschneidenden Kompetenzen der einzelnen Behörden und die politische Tonlage wurde schärfer, so dass man da schon die Arbeit beendete. Wohlgemerkt, Nordkorea mit ihm. Das Buch entstand später. Wenn du mich fragst, ist dass aber das Ende seiner regelmäßigen Besuche dort, da dies auch über spezielle Kontakte stattfand.


    Zudem, dass er sich zu Warmbier in diesem Werk ausführlich äußert und durchaus die Inszenierungen des Schauprozesses zu deuten weiß, das erzwungene falsche Geständnis, aber auch, welche Fehler der Amerikaner wohl gemacht haben könnte, dürfte den nordkoreanischen Behörden ebenso sauer aufstoßen. Traavik trennt hier ganz gut das Geschehen auf.


    Wo ich Zweifel habe, ist, dass er einen doch in manchen Teilen etwas zu sehr optimistischen Blick auf die Sicht der Dinge hat.


    Das müsstet ihr aber wirklich selbst lesen.

  • Also wahrscheinlich doch das Ende... Danke für die Ausführungen. Das ist interessant, aber für mich, die ich mich in der Thematik nicht gut auskenne, auch ziemlich bizarr. :-k Vor allem der von dir hervorgehobene optimistische Blick. Ich kenne nur Geschichten von Flüchtlingen aus Nordkorea und die klingen alles andere als optimistisch, sondern einfach nur grauenvoll. Nordkorea mag in seiner Macht überschätzt sein, aber das werden die Leute dort, die unter dem Regime leiden und irgendwie nicht schaffen, es von innen heraus zum Zusammenbruch zu bringen (oder auch nur den Gedanken an einen entsprechenden Versuch zu wagen?), sicher anders wahrnehmen. :|

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  • Und die umliegenden Mächte werden kein Interesse an ein wiedervereinigtes Korea haben, obwohl beide Teile die Trenung als Tragödie ansehen, wenn auch unter anderen Vorzeichen. Südkorea hat die Technik, das Know-How, Nordkorea hat Rohstoffe wie Erze. Zusammen gäbe das eine Macht, mit der man rechnen müsste. Doch gerade China und Russland brauchen einen Pufferstaat zwischen sich und z.B. den Stützpunkten dort der USA und Japan.


    Ich würde zuerst empfehlen:

    Rüdiger Frank: Nordkorea - Innenansichten eines totalen Staates

    Rüdiger Frank: Unterwegs in Nordkorea - eine Gratwanderung

    Fluchtgeschichten (die ich hier, aber noch nicht gelesen habe):

    Hyeonseo Lee: Schwarze Magnolie

    Blaine Harden: Flucht aus Lager 14


    Die Wahrheit wird wohl irgendwo dazwischen liegen.

  • Über Shin Dong-Hyuk ("Flucht aus Lager 14") gibt es auch eine Filmdokumentation. Was der Mann erlebt hat und wie es ihn kaputtgemacht hat, ist sowas von brutal und verstörend. Und das ist "nur" ein Schicksal von vielen. :|

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