Rose Macaulay – Ein unerhörtes Alter / Dangerous Ages

  • Klappentext/Verlagstext
    Neville Hilary feiert auf dem Landsitz im Kreise der Familie ihren 43. Geburtstag. In der Mitte ihres Lebens realisiert sie, dass sie als Mutter von ihren Kindern Gerda und Kay nicht mehr gebraucht wird und dass sie anders als ihr Mann Rodney keine erfüllende Karriere vorzuweisen hat. Das Medizinstudium hatte Neville mit Anfang zwanzig für Ehe und Kinder abgebrochen, doch nun beschließt sie, dass es höchste Zeit ist, einen gesunden Egoismus zu pflegen und vergangenen Ambitionen nachzustreben: Sie wird an die Universität zurückkehren und das Examen absolvieren.
    Ihre 63-jährige Mutter, Mrs Hilary, fühlt sich unterdessen in ihrem Witwendasein derart unbeachtet, dass sie sich sogar der (von ihr zunächst argwöhnisch abgelehnten) Psychoanalyse zuwendet – mit dem Ziel, wenigstens beim Therapeuten endlich mal nur über sich selbst sprechen zu können. Und auch die anderen Frauen der Familie Hilary schlagen für ihre Zeit höchst ungewöhnliche Wege ein: Die unentschlossene Nan liebt zwar Barry, möchte aber vielleicht doch lieber ungebunden bleiben, die feministische Pamela findet ihr Glück in Arbeitsleben und Frauenwohngemeinschaft. Und dann wäre da noch die zwanzigjährige Gerda, jung und freigeistig, die alles kriegt, was sie will – und wenn es der Verehrer ihrer Tante Nan ist …


    Die Autorin
    Rose Macaulay, 1881 in Rugby geboren, studierte in Oxford und lebte danach in London. Sie schrieb über zwanzig meist satirische Romane, daneben auch Biografien und Reiseliteratur. Kurz vor ihrem Tod 1958 wurde sie zur Dame Commander of the British Empire geadelt.


    Inhalt
    Mit Mitte 40 stellt Neville Hilary fest, dass ihr niemand mehr zuzuhören scheint und ihr Mann und ihre erwachsenen Kinder die Gesprächsthemen bestimmen. Nevilles alte Geschichten kennt inzwischen jeder in ihrer Familie. Neville und ihre Mutter scheinen beide um das Interesse der jüngeren Generation zu konkurrieren. Ein Familientreffen auf dem Landsitz der Mutter in St Mary’s Bay lässt geplatzte Illusionen und unerfüllte Träume dreier Generationen aufbrechen. In wohlhabenden Verhältnissen in Cornwall lebend, hatte Neville die Rolle der Frau übernommen, die ihrem erfolgreichen Mann den Rücken freihält. Männer konnten vor 100 Jahren mit ihrer Berufswahl nicht viel falsch machen, vorausgesetzt, sie wurden nicht gerade Schriftsteller. Töchter dagegen hatten es weit schwerer, die Erwartungen zu erfüllen. Nan, die zynische jüngere Schwester Nevilles, kann als Literaturkritikerin und brillante Schriftstellerin nicht genügen, nein, sie muss unbedingt von der Familie verkuppelt werden. Nevilles nicht sehr realistischer Vorsatz, ihr einst abgebrochenes Medizinstudium endlich abzuschließen, endet mit dem Lehrbuch im Liegestuhl – und das war es mit ihrer Karriere nach Ehe und Mutterschaft. Mrs Hilary, Nevilles unternehmungslustige Mutter, hat ein ähnliches Problem. Tätigkeiten wie Stricken und Gärtnern, die Frauen in ihrem Alter zugestanden werden, interessieren die Pfarrerswitwe nicht. Um endlich einmal im Mittelpunkt zu stehen, beginnt sie eine Psychotherapie. Vermutlich würde genügen, wenn ihr im Gespräch endlich jemand rechtgeben würde.


    Der bereits 1921 im englischen Original erschienene Gesellschaftsroman zeigt eine Familie, in der begeistert geschwommen und Rad gefahren wird. Im Vergleich zur Großmutter, einer begnadeten Selbstdarstellerin, wirkt Nevilles Generation verwöhnt, zimperlich und prüde. Nevilles jüngere Schwester und ihre Kinder haben es in der Gegenwart offenbar weit schwerer als sie vor 20 Jahren, sich für einen Lebensweg zu entscheiden. Männern wird in dieser Welt gehuldigt, Frauen werden übersehen oder lassen sich herablassend behandeln.


    Fazit

    In leichtem, ironischen Ton beobachtet Rose Macaulay die Generation 1880 und vorher geborener Frauen und deren Beziehung zu ihren Töchtern. Mit einem Werk von über 20 Romanen ist Macaulay meine Entdeckung dieses Sommers. Den Schwebezustand eines Ferienaufenthalts, nach dem für mehrere Generationen Weichen gestellt werden müssen, vermittelt sehr treffend ein Buchcover in Grüntönen.


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    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: --

    :musik: -- Catton - Gestirne; Rehear


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow