Ann Petry - Die Straße/The Street

  • Inhaltsangabe:

    Als alleinerziehende Mutter kämpft Lutie Johnson unerschütterlich für ihre eigene Würde und darum, ihren kleinen Sohn Bubb inmitten all der Armut, Gewalt und rassistischen Verachtung, die sie umgibt, zu einem anständigen Menschen heranzuziehen. Schauplatz ist die 116th Street auf der Upper Westside in Manhattan. Keiner entrinnt dieser verkommenen Welt, in der Menschen zwangsläufig roh und stumpf und zu kriminellen Verzweiflungstaten hingerissen werden. Lutie ist entschlossen, den Absprung in ein besseres Leben zu schaffen, doch die Niedertracht der Straße und die Bosheit eines menschenverachtenden Systems stellen sich ihr mit aller Macht in den Weg.

    Ann Petry besitzt den unverwechselbaren Ton einer überragenden Erzählerin, ihr Stoff hat bis heute nichts von seiner erschütternden Dringlichkeit verloren.

    (Quelle:amazon)


    Die Autorin:

    Ann Petry (1908-1997) war Journalistin, Pharmazeutin, Lehrerin und Gemeindeaktivistin. Ihre drei Romane, zahlreichen Kurzgeschichten, journalistischen Texte und Kinderbücher beschäftigen sich mit der Frage, was es bedeutet, Afroamerikaner bzw. weiß zu sein, sowie mit Rassismus in all seinen Facetten. The Street war der erste Roman einer afroamerikanischen Frau, der sich über 1,5 Millionen Mal verkaufte.

    (Quelle: Verlagsseite)


    Mein Eindruck:

    Zitat

    Ein kalter Novemberwind jagte durch die 116th Street. Er rüttelte an Mülltonnendeckeln, saugte Rollos aus halboffenen Fenstern und klatschte sie von außen gegen die Scheiben, und er vertrieb zwischen Seventh und Eight Avenue fast alle von der Straße, bis auf ein paar gehetzte Passanten, (Seite 7).

    Im Mittelpunkt des im Harlem der 40er- Jahre spielenden Romans steht die alleinerziehende Lutie Johnson, die jung geheiratet und einen achtjährigen Sohn hat.

    Lutie ist ehrgeizig, sie will raus aus der Armut, raus aus ihrem Milieu und weg von trinkenden Männern.

    Sie landet mit Bubb in einer engen Wohnung in der 116th street. Die Gegend ist heruntergekommen. Der Hausmeister ist depressiv und einsam, die ständig am Fenster hängende Mrs Hedges bietet ihr zwielichtige Jobs an. Doch Lutie will sich nicht unterkriegen lassen und Geld verdienen, um für Bubb und sich ein besseres Leben zu ermöglichen. Aber sie weiß auch, dass es für sie als alleinerziehende, schwarze Frau besonders schwierig sein wird.

    Um der engen und dunklen Wohnung zu entfliehen, geht Lutie abends aus und lässt Bubb alleine zuhause. Doch Bubb fürchtet sich alleine, würde es jedoch nie seiner Mutter sagen. Ebenso wenig spricht Lutie mit ihm über ihre Ängste, einzig über das Geldsparen.

    Dass sie scheitert, ist abzusehen. Der Alltag in Harlem ist zu sehr bestimmt von rassistischer und sexueller Gewalt, Armut und Hass.

    Dort auf die Beine zu kommen, scheint unmöglich.

    Auch der kindlich naive Bubb, der seiner Mutter gerne helfen würde und Jobs annimmt, um Geld zu verdienen, wird von dem Schmutz der Straße runtergezogen.

    Lutie wehrt sich gegen die starren Strukturen und auch gegen die Männer, die glauben, sie sei leicht zu bekommen. Petry erzählt von dem Schicksal dieser Männer in kleinen Anekdoten.

    Die Beschreibung der sehr unterschiedlichen Charaktere und des Milieus gelingt der Autorin genau und einfühlsam.

    Wie eine Abgrenzung schwarz und weiß funktioniert, zeigt die Autorin präzise auf. So stößt Lutie auf einen Zeitungsbericht über einen angeblichen Überfall einer Bäckerei, wobei ein "kräftiger Neger" als verdächtig bezeichnet wird. Auf dem Photo des Artikels sieht man jedoch einen abgemagerten Mann.

    Zitat

    »Wer das Ganze aus der Warte eines satten Wochenlohns betrachtete und Farbige für von Natur aus kriminell hielt, der sah den einzelnen Schwarzen ja gar nicht. Und zwar deshalb nicht, weil ein Schwarzer für ihn kein Individuum war. Der war eine Bedrohung, ein Tier, ein Fluch, eine Plage oder ein Witz.« (S.172)

    Der Roman erschien 1946 und war sehr erfolgreich, bevor er dann in Vergessenheit geriet und nun wiederentdeckt wurde.

    Lesenswert - immer noch!