Eine spannende Neuentdeckung
Für mich war das Buch eine gute Entdeckung im Bereich „Kriminalliteratur“ aus Island. Ein wenig habe ich mich schon mit isländischen Autoren beschäftigt, und insgesamt scheint mir, sie sind alle ein wenig direkter, derber, ungeschönter. So eben auch Lilja Sigurdadóttir.
Das Thema fand ich gut gewählt. Eine Mutter, die um das Sorgerecht für ihren Sohn kämpft, gerät auf die berühmte „schiefe Bahn“ und wird zur Drogenschmugglerin. Man kann gut mit Sonja mitfühlen. Sie ist schon sehr einfallsreich, und gewieft im Umgang mit den „großen Jungs“. Schritt für Schritt erkennt sie erst, in welch aussichtslose Lage sie sich da manövriert hat.
Alle Hauptpersonen finde ich interessant! Es sind sperrige und lebendige Charaktere. Da wäre zum Beispiel noch Agla, die Freundin/Beziehung von Sonja. Sie trinkt zu viel, und hat beruflich (als Bankerin) wohl so einigen Dreck am Stecken. Drittens wäre da der Zollbeamte Bragi, kurz vor der Pensionierung, und mit schwerem privatem Schicksal. Seine Frau leidet an Alzheimer, und lebt in einem Heim – womit er kreuzunglücklich ist. Hier habe ich wirklich mitgelitten!
Die Handlung baut sich langsam auf, und entwickelt langsam immer mehr „Fahrt“ - genau so sollte es in einem Krimi sein! Man erlebt die Geschehnisse hauptsächlich aus der Sicht von Sonja, man weiß zu (fast) keinem Zeitpunkt mehr als sie. Nur ganz zum Schluss, in den letzten Kapiteln, ging es mir etwas zu schnell. Hier hätte ich mir mehr Kapitel gewünscht. Es las sich so, als sei gekürzt worden…?
Auch fand ich manche Handlungsaspekte unausgegoren. Es hätte meiner Meinung nach gereicht, die intime Beziehung von Sonja und Agla und all ihre Schwierigkeiten zu schildern. Warum Agla dann ausgerechnet noch Geld hinterzogen haben soll, war für das Buch und die Handlung eigentlich nicht nötig. Hiervon war ich auch eher verwirrt, und konnte nicht immer folgen. Auch von Bragi und seiner Tätigkeit beim Zoll hätte ich gerne mehr gelesen! Ich fand es spannend, wie er seine Instinkte entwickelt, und worauf er als Beamter achtet.
Man sollte das Buch nicht lesen, wenn man zart besaitet ist. Die Schilderungen der intimen Szenen zwischen Sonja und Agla lassen wirklich fast nichts aus. Mich hat das schon überzeugt, ich fand das für die Charakterisierung der Frauen wirksam. Agla zweifelt die ganze Zeit, und redet sich ein, „sie sei ja gar nicht so“. Wohingegen Sonja einfach nur „genießt“.
Auch was das Drogenmilieu betrifft, ist das Buch nicht zimperlich. Was da an Methoden und Einschüchterungsversuchen aufgefahren wird, war nicht von Pappe. Leider stimmt es, soweit ich das aus meiner Sicht beurteilen kann. So etwas hat man verschiedentlich schon gehört.
Insgesamt lande ich bei vier sehr wohlwollenden Sternen! Ich habe das Buch gerne gelesen, und würde auch in weitere Bände der Autorin hineinschnuppern.