Ulrike Wolff - Die Dame vom Versandhandel

  • Nostalgische Zeitreise


    50er Jahre. Annies Platz ist zwar an der Seite ihres Ehemannes Kurt, der den recht erfolgreichen Fuldaer Versandhandel Eulendorf betreibt. Doch in Wirklichkeit schmeißt Annie den ganzen Laden, während sich Kurt lieber anderweitig beschäftigt. Annie jedoch liebt es, neue Waren auszusuchen und ins Angebot des Versandhandels zu übernehmen, denn der Kunde ist König und was der Kunde will, bekommt er auf jeden Fall bei Eulendorf. Das ist ihre Devise, der sie sich unermüdlich verschrieben hat und bei denen auch die Angestellten unermüdlich mitziehen. Die Menschen wollen nun in Zeiten des deutschen Wirtschaftswunders endlich wieder kaufen, was ihnen gefällt und was der Geldbeutel hergibt. Doch während Annie sich immer mehr ins Geschäft einbringt, droht ein Geheimnis aus der Vergangenheit ans Licht zu kommen, das Kartenhaus zum Einsturz zu bringen und alles, woran Annies Herz hängt, zu zerstören…


    Das Autorenduo Gerold und Hänel hat unter dem Pseudonym Ulrike Wolff mit „Die Dame vom Versandhandel“ einen unterhaltsamen Roman vorgelegt, der die Zeit des deutschen Wirtschaftswunders wiederspiegelt und den 1950 wiederauflebenden Versandhandel. Der flüssig-leichte und farbenfrohe Schreibstil lädt den Leser ein, sich an der Seite von Annie in die Welt des Katalogverkaufs zu begeben und hinter die Kulissen zu blicken. Dabei lassen die Autoren nicht nur schöne Verkaufssprüche vom Stapel, sondern binden historische sowie gesellschaftliche Besonderheiten der damaligen Zeit wunderbar mit ein. Mit Annie ist zudem eine Frau im Zentrum der Geschichte, die ihrer Zeit vorauseilt, sich emanzipiert und ins Geschäftsleben tatkräftig eingreift. Die Suche nach im Krieg Verschollenen wird ebenso thematisiert, wie plötzlich vor der Tür stehende Unbekannte, die anscheinend zur Verwandtschaft gehören. Neben einem eher verworrenen Familienkonstrukt, das als zweite Erzählebene eingebaut wurde und dem das Geheimnis entspringt, wird die Nachkriegszeit wunderbar wieder lebendig und lässt beim Leser vor dem inneren Auge Bilder vorbeiziehen geprägt von alten Katalogexemplaren bis hin zu den damaligen Werbespots und Persönlichkeiten, deren Namen man mit jener Zeit verbindet. Die Andeutung, dass die Geschichte auf tatsächlichen Begebenheiten fußt, wirkt eher unwahrscheinlich. Hier wurde mit Sicherheit Fiktion mit Realität soweit gemixt, dass am Ende nur eines sicher ist: die genannten Persönlichkeiten wie z. B. Hans Günter Winkler oder Josef Neckermann gab es wirklich. Dagegen war das Auftauchen von Elvis einen Tacken zu viel des Guten.


    Die Charaktere sind glaubwürdig und lebendig in Szene gesetzt, wirken aufgrund ihrer Authentizität sehr realistisch und ziehen den Leser in ihren Bann. Vor allem Annie ist der leuchtende Stern unter ihnen, sie ist unerschrocken, innovativ, selbstbewusst, tatkräftig und unermüdlich. Ja, es scheint, als sei sie regelrecht süchtig danach, Erfolg zu haben und sich durch die Arbeit selbst zu verwirklichen. Es wirkt manchmal aber auch wie eine Art Flucht, als wenn sie anderes dadurch kompensiert. Karl ist ein verkappter Frauenheld, der seinen Pferden mehr Aufmerksamkeit schenkt als dem Geschäft und recht unsympathisch rüberkommt. Fritz ist ein Unruhestifter, der für einige Intrigen sorgt. Die weiteren Nebendarsteller bleiben eher blass.


    „Die Dame vom Versandhandel“ ist eine unterhaltsame und nostalgische Zeitreise, wenn man das verworrene Familienkonstrukt mal beiseitelässt. Ganz nett zu lesen.


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    Bücher sind Träume, die in Gedanken wahr werden. (von mir)


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    Albert Einstein


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