Caroline Criado-Perez - Unsichtbare Frauen / Invisible Women

  • Kurzmeinung

    Enigmae
    sollte überall zur Grundliteratur gehören - sehr tiefgründig und leicht verständlich
  • Kurzmeinung

    Lavendel
    Ein sehr wichtiges Buch, dass die (strukturelle) Diskriminierung von Frauen aufgrund Datenmangels eindrucksvoll aufzeigt
  • "Für die beharrlichen Frauen - bleibt verdammt noch mal schwierig!" Mit dieser Widmung beginnt Caroline Criado-Perez ihr Sachbuch. "Schwierig", das ist vermutlich noch eines der netteren Worte, das sich sicherlich jede Frau schon einmal anhören durfte, die es wagte, in den heutigen Zeiten darauf hinzuweisen, dass die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau bei Weitem nicht so fortgeschritten ist, wie wir uns gerne einbilden. Mit "Unsichtbare Frauen" gibt sie nun die entsprechende faktische Munition für solche Diskussionen an die Hand. Das Buch befasst sich mit der so genannten Gender Data Gap; diese drückt aus, dass eigentlich alle Bereiche unseres Lebens daran orientiert sind, was für den Durchschnittsmann am besten funktioniert. Die Frauen, aber auch Männer, die von der gesellschaftlichen Norm abweichen (1,85m, 75kg) kommen dabei oft zu kurz.


    Bereits die Einleitung des Buches macht abwechselnd erstaunt, erschrocken und wütend und verspricht keine einfache Lektüre. Anhand zahlreicher, durch Fakten belegte Beispiele und wissenschaftlicher Studien zeigt die Autorin auf, wie systematisch bei der Planung und Durchführung in verschiedensten Gebieten stets der Mann als Standard angenommen wird. Dabei unterstellt sie keinen bösen Willen, sondern erklärt anschaulich, was es bedeutet, Frauen in diese Gleichung nicht mit einzubeziehen. Dabei behandelt sie die unterschiedlichsten Themen: Autobau und Medizin, Politik und alltägliches Berufsleben, unbezahlte Care-Arbeit (Kinderbetreuung und häusliche Pflege) und Produktdesign. Um ehrlich zu sein: Das Ausmaß ist erschreckend.


    Es beginnt bei "Kleinigkeiten" wie dem Pianobau, der mit der Konzeption für die durchschnittliche männliche Handspanne dazu führt, dass genau diese deutlich häufiger zu Starpianisten werden als Frauen oder Männer mit einer kleineren Handspannen. Extrem bedenklich wird es auf dem Fachgebiet der Medizin, in dem Frauen oft nicht einmal Teil wissenschaftlicher Studien sind. Zu marginal seien die Unterschiede zwischen den Geschlechtern, das falle nicht ins Gewicht - so werden sogar Medizinerinnen zitiert. Das führt am Ende dazu, dass es deutlich mehr Studien zu Viagra und erektiler Dysfunktion gibt, als zu Menstruation oder Geburt. Vor allem in letzterem Fall führt dies oft zur Gefährdung, und in Entwicklungs- und Schwellenländern sogar zum Tod der Frauen im Kindbett. In diesem Kontext ist dann auch nicht weiter verwunderlich, was über die Konstruktion von Flüchtlingslagern berichtet wird. Diese fördern durch ihren Aufbau und ihre Gestaltung weltweit die sexualisierte Gewalt an Frauen.


    Caroline Criado-Perez liefert hier ein wichtiges Sachbuch, das sich nicht nur Frauen zu Gemüte führen sollten. Durch die vielen Fakten, Zahlen und Studien ist es jedoch nicht immer gefällig zu lesen - möglicherweise hätte hier eine andere Aufteilung oder das Einfügen von Diagrammen die Lektüre etwas erleichtert. Auch mit der Lösung des Problems bleibt die Autorin vage, wenn auch durchaus logisch: Die Sichtbarkeit der Frauen muss in allen Bereichen des Lebens erhöht werden. Nur da, wo Frauen in Entscheidungen eingebunden sind, haben sie letztendlich auch die Macht, die Gender Data Gap zu verkleinern. :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

  • K.-G. Beck-Ewe

    Hat den Titel des Themas von „Caroline Criado-Perez - Unsichtbare Frauen“ zu „Caroline Criado-Perez - Unsichtbare Frauen / Invisible Women“ geändert.
  • Eine meiner besten Freundinnen hat sich für ihre Facharbeit das Thema Feminismus ausgesucht. Daraufhin habe ich mal wieder gemerkt wie ungerecht diese Welt ist und wir haben beschlossen uns für dieses Thema und besonders für Gerechtigkeit mehr einzusetzen. Ich habe damit angefangen mir eine Liste mit Büchern zu machen, die ich zu diesem Thema lesen möchte. Ganz oben stand dieses Buch und ich war am Ende wirklich begeistert über den Inhalt des Buches.


    Schon in der Einleitung lernt man viele verschiedene Fakten. Ich habe gleich dort angefangen mir interessante Sätze zu markieren und von da an ist das Buch mit Post-It´s voll geworden.

    Das Buch bietet so viel Wissen zu den unterschiedlichsten Themenbereichen.


    Selbst in der heutigen Zeit gibt es viele Situationen in denen Frauen nicht beachtet werden und so kann es auch zu lebensgefährlichen Folgen kommen. Es ist erschreckend was diese Datenlücken alles auslösen können.


    Das Buch ist wie schon einmal erwähnt in verschiedene Bereiche eingeteilt. Wirklich alle (außer einer) haben mich sehr interessiert. Mit dem Thema Landwirtschaft konnte ich persönlich nicht viel anfangen, aber auch dort werden viele Zahlen und Fakten genannt, die gezeigt haben wie Frauen dort diskriminiert werden. Dafür war ich Feuer und Flamme für die Themenbereichen Design, Arbeit und Medizin. Diese haben meinen Interessenbereich viel mehr getroffen.


    Ich hatte zu Anfang etwas Angst, dass das Buch für mich zu trocken ist. Ich habe bisher nur wenig Non-Fiction (Sachbücher) gelesen und diese haben mir aber gut gefallen. Trotzdem habe ich immer etwas Angst, dass durch die vielen wissenschaftlichen Zahlen und Statistiken das ganze Langweilig wird. Dies war hier aber gar nicht der Fall. Die Autorin hat mich mit fast jeder Seite gefesselt und der Schreibstil war eher locker. Manchmal habe ich aber auch ein bisschen länger für ein Kapitel gebraucht. Weiterhin hat mir noch der leichte Humor von Caroline Criado-Perez sehr gefallen und konnte mich aufmuntern.


    Man hat die ganze Zeit das Gefühl, dass die Autorin wirklich weiß worüber sie schreibt. Es gibt am Ende auch ein riesiges Quellenverzeichnis und ich habe mir sogar manche dieser Websites nochmal genauer angeschaut.


    Eine Sache die mir nicht so gefallen hat, war das sich manche Dinge echt extrem oft widerholt haben. Das hat das ganze an manchen Stellen etwas Langweilig werden lassen. Über diese Stellen bin ich nur mit den Augen geflogen, damit diese Langeweile mich nicht ganz so trifft.


    Fazit


    Von mir bekommt das ganze 4 Sterne und es ist eine klare Weiterempfehlung von mir. Ich habe soviel neues dazu gelernt. Ganz großen Dank nochmal an den Verlag, der mir dieses Buch zugeschickt hat.


    Ganz viel Liebe an euch

    eure Vici

  • Vielen Dank für eure positiven Kommentare zu diesem Buch !


    Letztes Jahr hatte ich es ebenfalls für meine Modulabschlussprüfung gelesen. Im Endeffekt hatte ich es doch nicht benutzen können, doch ich habe es nicht bereut, das Buch gelesen zu haben. Ich hätte eigentlich auch nicht das ganze Buch lesen müssen, doch es hatte mich relativ schnell gepackt. Spätestens als sie herausfordernd gefragt hatte, ob wir als LeserInnen glauben können, dass sogar sowas Alltägliches wie Schneeschippen sexistisch sein kann und es anschließend wirklich beeindruckend bewiesen hatte, war mir klar, dass ich es vollständig lesen wollte.

    Und warum es so gut udn bereichernd ist, habt ihr bereits beschrieben.


    Allerdings weiß ich nicht, ob ihr es genauso seht, aber ich fand das Buch an 2 Punkten doch etwas schwierig. Einerseits stellt sie die heterosexuelle Geschlechterordnung nicht in Frage, obwohl das schon mit AutorInnen wie Butler, Irigaray oder Fausto-Sterling längst passiert ist. Und zweitens praktiziert sie selbst, was sie an der Gesellschaft kritisert: sie macht die Frau, die nicht heterosexuell und binär ist, unsichtbar. Sie spricht, wenn ich mich richtig erinnere, nicht von lesbischen Frauen, Frauen of color, Trans-Frauen, und anderen marginalisierten Gruppen.


    Doch insgesamt teile ich natürlich euer Fazit. Es war ein wirklich beeindruckendes Buch.

  • Allerdings weiß ich nicht, ob ihr es genauso seht, aber ich fand das Buch an 2 Punkten doch etwas schwierig. Einerseits stellt sie die heterosexuelle Geschlechterordnung nicht in Frage, obwohl das schon mit AutorInnen wie Butler, Irigaray oder Fausto-Sterling längst passiert ist. Und zweitens praktiziert sie selbst, was sie an der Gesellschaft kritisert: sie macht die Frau, die nicht heterosexuell und binär ist, unsichtbar. Sie spricht, wenn ich mich richtig erinnere, nicht von lesbischen Frauen, Frauen of color, Trans-Frauen, und anderen marginalisierten Gruppen.

    Ja, da hast Du sicherlich recht, aber ich frage mich, in wie weit das für ihr Thema eine Rolle gespielt hätte. Sie sagt ja, dass es deutlich weniger Studien über Frauen gibt als über Männer. Oder das bestimmte Dinge für Männer gebaut werden, nicht für Frauen. Spielt dann eine Rolle, ob die weiblichen Hände, für die das Instrument eben nicht gebaut sind, lesbisch oder hetero, schwarz oder weiß sind? Das ist jetzt vielleicht etwas provokant gefragt, aber ich glaube, das man von ihr nicht erwarten kann, in einem Buch über den Gender Data Gap sämtliche aktuelle Diskussionen marginalisierter Gruppen abzubilden. Sie hätte vielleicht zu Beginn schreiben können, dass "Frauen" für sie alle diese Gruppen einschließt, ja, aber ich denke, das war in diesem Fall einfach nicht von Bedeutung.


    Und ich persönlich kann sagen, ich habe zu dem Thema schon ganz andere Bücher gelesen, wo klar war, dass es nur um weiße, verheiratete Frauen mit Kinderwunsch geht. Im Gegensatz dazu finde ich "Unsichtbare Frauen" eigentlich recht allumfassend und einschließend bzw. niemanden konkret ausschließend.

  • Worum geht es?

    Frauen finden in Datenauswertungen kaum Anteil, viele Bereiche sehen den Mann als Norm und die Frau als Abweichung von dieser. Mit fatalen Folgen.


    Worum geht es wirklich?

    Missstände, Ungerechtigkeiten und viele aufwühlende Fakten


    Lesenswert?

    Ja, auch wenn meine Bewertung verschiedener Aspekte sehr unterschiedlich ausfällt. Positiv ist definitiv das Thema: In sechs großen Bereichen zeigt die Autorin auf, welche Rolle die Daten von Männern spielen und ob Frauen überhaupt erfasst und ausgewertet werden. Das Urteil ist immer vernichtend: Sie werden es meist nicht: Bei Gehalt, bei Naturkatastrophen, bei ÖPNV, bei Autos, bei Sicherheit und in der Medizin. Und das sind nur einige Beispiele. Anhand von über 1000 Quellen (alle mit Fußnote und am Ende des Buches aufgelistet) analysiert die Autorin diese Ungleichheit und die teilweise fatalen, denn auch tödlichen Folgen, wenn 50% der Menschen als Norm und die anderen 50% als Abweichung vom System gesehen werden. Sie erläutert zudem, warum dies selbstverständlich kein Zustand ist und gibt auch einige Beispiele für gelungene Lösungen. Das Thema an sich ist so so wichtig und es ist erschreckend. Der Inhalt macht wütend, macht fassungslos und möglicherweise emotional. Zu einigen Themen hat man vielleicht schon einmal etwas gelesen, aber diese geballte Ladung, diese Ungerechtigkeit in lebensnotwendigen Bereichen und die damit einhergehende systematische Ignoranz gegenüber so vielen Menschen, ist wirklich beeindruckend und schwer zu ertragen. Wie erwähnt gibt es viele viele Quellen, die eine gute Grundlage für Diskussionen bieten, wenn diese Fakten ignoriert werden. Ich bewerte die Wichtigkeit dieses Themas eindeutig mit 5 Sternen. Es ist notwendig! Diesen Inhalt sollten alle kennen!

    Die Sprache an sich ist gut verständlich, angenehm lesbar, die Quellenangaben fand ich persönlich nicht störend. Es ist jedoch ein sehr zahlenlastiger Text, der überwiegend Fakten demonstriert und belegt. Könnte also vielleicht nicht für jede*n angenehm zu lesen sein. Hier zumindest auch kein negativer Eindruck.

    Nun jedoch zwei Punkte, die mich massiv stören. Zum einen vertritt die Autorin ein binäres Geschlechterkonzept, sodass kein Raum für weiteres übrig bleibt. Natürlich hätte man nicht alle Zahlen noch detaillierter darstellen müssen, aber zumindest im Vorwort oder an entscheidenen Punkten wäre mir das wichtig gewesen. Zudem muss man immer interpretieren, ob bei Frauen nun alle Frauen oder eventuell alle Menschen mit Uterus gemeint sind. Ob das nun von der Autorin so beabsichtigt ist, kann ich nicht beurteilen. Würde aber anhand des Geschlechterkonzepts davon ausgehen, dass sie trans oder nicht-binäre Menschen ganz bewusst unerwähnt lässt.

    Der zweite unglaublich störende Punkt: Warum wird hier nicht gegendert? Was ist da schief gelaufen bei der Übersetzung? Zumal es auch nicht einheitlich ist. Im Vorwort werden „Leser*innen“ angesprochen, ab dann wird zum Beispiel „männliche Schüler“ oder „Schülerinnen“ verwendet. Aber eben nicht durchgängig. Im nächsten Satz geht es um etwas, was „Forscher“ herausgefunden haben. Männliche Forscher? Forscher*innen? Man weiß es nicht, und das verärgert mich einfach sehr und ist ein Grund für einen deutlichen Punktabzug. Ich kann verstehen, dass das nicht in allen Sachbüchern gemacht wird. Aber bei DIESEM Thema weiterhin ab und zu das generische Maskulinum zu verwenden und somit Frauen vielleicht mitzudenken, aber eben nicht mit zu nennen: Das finde ich wirklich beschämend. Es wird berichtet, dass Kinder bei „Forscher“ tendenziell eher männlich gelesene Personen assoziieren. Wesentlich besser sei dies bei „Forscher/in“. Ja, liebe Übersetzerin, das hätte man besser machen müssen und verärgert mich!