Joyce Carol Oates - Die Verfluchten (ab 24.05.2020)

  • Oktober 1905

    New York! Die große weite Welt für die naive unerfahrene Annabel.

    Für mich passt das nicht, dass Axson seine geraubte Braut nach New York entführt.

    Ich halte das eher für einen Versuch, das Verschwinden Annabels auf natürliche Weise zu erklären. Oder anders formuliert: die Princetoner Snobs verschließen noch ihre Augen vor dem Dämonischen, das in ihre Welt hereingebrochen ist.


    Mir hat in diesem Kapitel die Tante Lenora gut gefallen. Ihr Mann, Josiahs Onkel, ist der Typ, der seine Fahne in den Wind hängt und die jeweils angesagte Meinung übernimmt. Wie beiläufig sie ihren Mann auf seine Wendehalserei hinweist! Sie stichelt gegen ihn - und passend dazu hat der Erzähler/die Autorin ihre auch eine Stickerei in die Hand gegeben, mit der sie beschäftigt ist. Solche stimmigen Bilder gefallen mir gut.


    Diesen Jungen sollte man auf jeden Fall noch im Auge behalten.

    Todd: Da bist Du Dir mit serjena einig. In diesem Kapitel wird er als "Dämon" bezeichnet, und wir haben ja schon erfahren, dass er tatsächlich eine Nähe zum Okkulten besitzt bzw. eine Antenne, eine Empfänglichkeit für solche Phänomene.

    Ich beobachte eher mit großem Interesse die Figur des Josiah. Er erkennt das Okkulte, aber er lässt es nicht in sein Wesen hinein. Er hat keine Empfänglichkeit dafür wie Todd, sondern betrachtet es eher von außen, aber nimmt es als gegeben hin. Ich hoffe, Ihr versteht, was ich meine.

    in seiner Figur vermengen sich Rationalität und Okkultes, und das finde ich interessant.


    Wilhelmina wird uns allen in ihrer unkonventionellen Art sympathischer, habe ich den Eindruck! Mich hat diese Figur spontan an ein Gemälde erinnert, das ich in New York im Whitney Museum gesehen habe. Die Gründerin des Museums, Gertrude Vanderbilt, verheiratete Whitney, muss eine ganz außergewöhnliche Person gewesen sein, was sich auch in der Kleidung zeigte. Sie trägt auch diese türkischen Hosen und ist nicht geschnürt. Für uns wirkt das ganz normal, aber wenn man die Mode der Zeit dagegensetzt, sieht man erst das Provokante und "Unziemliche".


    Willy wirkt so vernünftig und selbstbestimmt - erstaunlich, dass sie auf diesen Graf Gneist hereinfällt (vermute ich mal).

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • "Gottes Schöpfung..."

    Dies spiegelt sich meiner Meinung nach in der hitzigen Diskussion zwischen Winslow Slade und Josiah wieder.

    ... und wie geschickt versteht sie es, die Nicht-Darwinisten ins Lächerliche zu ziehen! "... der Teufel habe gefälschte Fossilien verstreut, um den Glauben an die biblische Schöpfung zu untergraben" - herrlich.

    Ich habe mich als Schülerin schon mit jeder Menge Gottesbeweise herumschlagen müssen, aber diese Theorie habe ich nicht gehört :lol:!


    Hier hat mir "mein" Josiah wieder gut gefallen. Er hält sich an seine fachlichen Grenzen und urteilt nicht über Dinge, von denen er nichts versteht - was er seinem Großvater indirekt zum Vorwurf macht.


    Zitat

    "Ich versuche nur, ein vernünftiger Mensch zu sein in einer weitgehend unvernünftigen Welt." (S. 280)

    Hat es eine Bedeutung, dass sein Großvater nach seinem Vortrag einen Schlaganfall erleidet? Ich hatte die Illusion, dass sein Gott ihn für den Blödsinn abstraft, den er da eben verkündigt hat (die Ablehnung der Darwinschen Evolutionstheorie), oder, andersherum gedacht: dass sein Gott ihn dafür abstraft, dass er, Slade, schlauer sein will als sein Gott. Der nämlich kein Problem mit Darwins Theorien hat.

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Hat es eine Bedeutung, dass sein Großvater nach seinem Vortrag einen Schlaganfall erleidet? Ich hatte die Illusion, dass sein Gott ihn für den Blödsinn abstraft, den er da eben verkündigt hat (die Ablehnung der Darwinschen Evolutionstheorie), oder, andersherum gedacht: dass sein Gott ihn dafür abstraft, dass er, Slade, schlauer sein will als sein Gott. Der nämlich kein Problem mit Darwins Theorien hat.

    Interessante Theorie, aber ich glaube nicht, dass Frau Oates den christlichen Gott da mitspielen lässt. Ich dachte eher, dass der Anblick von Annabel,

    die bei Abfahrt des Zuges an den Gleisen entlangläuft, ihn so aufgeregt hat, dass es der letzte kleine Anschub für den kommenden Schlaganfall war.

    Es erhebt sich allerdings auch die Frage, ob dieses Bild von Annabel in Not vielleicht nur eine Halluzination, ausgelöst durch seinen körperlichen Zu-

    stand war. Schwierig, was Frau Oates dem Leser da präsentiert............... :-k

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Robert Seethaler - Das Cafe ohne Namen

  • aber ich glaube nicht, dass Frau Oates den christlichen Gott da mitspielen lässt

    Ja, da hast Du Recht.

    Und wenn, dann ist es Ironie in Reinform!

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Und wenn, dann ist es Ironie in Reinform!

    Das wiederum würde ich ihr durchaus zutrauen.


    zu Josiah:

    Der gefällt mir immer besser. Er scheint durch die familiäre Katastrophe an Stärke gewonnen zu haben. Wie er seinen Standpunkt vor seinem Großvater

    verteidigt ist mutig und er weicht keinen Deut von seiner Meinung ab. Eigentlich passt er ja mittlerweile zu Willy die sich ja ähnlich stark entwickelt.

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    :study: Robert Seethaler - Das Cafe ohne Namen

  • Der grausame Tod des Schäferhundes Thor fällt mir gerade noch einmal ein. Die Schlange, die sich tief in seinen Hals hinein gezwängt hatte und er ersticken musste. Armes Tier. Nun kann man es auf eine Art als "Schauerroman" lesen und sich vorstellen, wie sich die Schlange in den armen Kerl hinein gezwängt hatte. Oder auch, wie er vielleicht versucht hatte die Schlange komplett zu verschlingen. Irgenwie wie eine Metapher für den Sumpf dieser Gesellschaft in Princeton. Man weiß nicht ob sie offenen Auges und gewollt in ihr Unglück hineinrennen oder sich den äußeren Umständen nicht erwehren können und dem hilflos entgegenstehen und nur noch reagieren könne

    Dies möchte ich nochmals kurz erwähnen. Denn bei diesem grässlichen Vorfall kam mir unweigerlich Der Hund von Baskerville von Arthur Conan Doyle in den Sinn.

    Zitat

    Der Roman spielt im England des späten 19. Jahrhunderts in der Region Dartmoor. Auf der Familie Baskerville lastet ein dämonischer Fluch, wie aus einem Familiendokument aus dem Jahre 1742 hervorgeht. Während des Englischen Bürgerkriegs hatte der betrunkene Sir Hugo Baskerville eine junge Frau zu Tode gehetzt, die ihm nicht zu Willen sein wollte, und wurde danach von einem geheimnisvollen Hund im Moor angefallen und getötet. Seitdem treibt sich der Sage nach ein monströser, heulender Hund in den Mooren herum, die den Sitz der Familie umgeben.


    Ich dachte eher, dass der Anblick von Annabel,

    die bei Abfahrt des Zuges an den Gleisen entlangläuft, ihn so aufgeregt hat, dass es der letzte kleine Anschub für den kommenden Schlaganfall war.

    Es erhebt sich allerdings auch die Frage, ob dieses Bild von Annabel in Not vielleicht nur eine Halluzination, ausgelöst durch seinen körperlichen Zu-

    stand war. Schwierig, was Frau Oates dem Leser da präsentiert............... :-k

    Ähnlichen Halluzinationen verfällt im nächsten Kapitel Das geisterhafte Liebespaar auch Upton Sinclair - wie er ein Pferdegespann im Maisfeld dahin rollen sah obwohl es weder Strasse noch Weg gab.

    Dies wiederholt sich, somit fragt er sich "Verliere ich den Verstand"

    Mir scheint langsam verdichten sich die Zeichen dass die Menschen von Princeton alle dem Fluch verfallen.


    Obwohl Sinclair viel von seiner unglücklichen Ehe preisgibt, er sich Sorgen macht sowohl um seinen Sohn wie auch Ehefrau, er versucht der Familie den nötigen Zusammenhalt zu geben - bekomme ich langsam des Gefühl er ist nicht für die Ehe geschaffen. Er muss sich eigentlich gar nicht wundern über die Veränderungen von Meta, welche lange Spaziergänge unternimmt, mit einem Lächeln die Mahlzeiten vorbereitet, denn das Ansinnen künftig keusch zu leben, wie Bruder und Schwester ... war sicher seine Idee

    Hier haben wir wieder das Motiv zusammenleben wie Bruder und Schwester.

    Hera (altgriechisch Ἥρα) ist in der griechischen Mythologie die Gattin und gleichzeitig die Schwester von Zeus und somit die Tochter von Kronos und Rhea.

    Einmal im Jahr vereinigte sie sich auf Samos mit ihrem Gatten Zeus unter einem Lygosbaum („Heilige Hochzeit“).[2] Ein Bad im Imbrasos erneuerte danach ihre Jungfräulichkeit.


    Jetzt können wir spekulieren; es gibt doch sicher einen Gentlemen mit dem Meta unterwegs ist, ihr Geschenke macht - Brosche aus Perlmutt - aber wer könnte es sein - ist es auch Axson:-k - denn Sinclair glaubt doch seine Frau im Landauer zu sehen mit einem Mann von kräftiger Gestalt mit einem rosigen Teint und dem prahlerischen Gebaren eines Rohlings.

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter

  • aber diese Theorie habe ich nicht gehört

    Die war mir jetzt auch neu. :lol: Danke auch für das Bild! Jetzt kann ich mir eine bessere Vorstellung davon machen.


    Es erhebt sich allerdings auch die Frage, ob dieses Bild von Annabel in Not vielleicht nur eine Halluzination, ausgelöst durch seinen körperlichen Zu-

    stand war.

    Daran musste ich auch denken, als ich die Szene gelesen hatte. Wirklich schwierig einzuordnen, ob es sich um Wahrheit oder eine Halluzination gehandelt hatte. "Das geisterhafte Liebespaar" habe ich erst angefangen und kann noch nicht so viel darüber schreiben.



    denn das Ansinnen künftig keusch zu leben, wie Bruder und Schwester ... war sicher seine Idee

    Genau, dass habe ich auch so in Erinnerung, weil er keine Kinder mehr haben wollte. Seine Frau war darüber nicht sehr begeistert. Wobei es so wie die Zwei leben eindeutig besser ist. Ich kann den von Frau Oates geschilderten Sinclair schlicht nicht leiden. Er ist mir in seinen Ansichten und der Auslebung davon viel zu extrem. Von seiner Frau erwartet er völliges Engagement in allem, ob es sie überfordert ist ihm egal. Hauptsache sie erledigt brav ihre Arbeit und hört ihm immer schön zu, ohne eigene Gedanken zum Thema haben zu dürfen.

    Nimm dir Zeit für die Dinge, die dich glücklich machen.


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  • Er ist da. :lechz:Gestern kam der neue Roman von Frau Oates zu mir. Gehört zwar nicht direkt hierher,aber ich freu mich so.............

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  • Das geisterhafte Liebespaar


    Sinclair kann ja schon den Finger in gesellschaftliche Misstände legen, aber wie er es in seinem eigenen Haushalt hält, dass finde ich dann doch etwas zu hart. An Metas Stelle wäre ich äußerst wütend, wenn mein Kind durch die karge Ernährungsweise die im Hause Uptons herrscht, an Rachitis leiden müsste. Da wird sie ihrem Mann auch nicht beikommen können, der nur das soziale Elend rund um sich sieht, und sich selbst und seiner Familie durch seine sozialistische Einstellung nichts gönnt. Gut, natürlich ist das Einkommen vermutlich nicht gerade üppig, aber für eine bessere Ernährung dürfte es doch hoffentlich reichen.


    Hatte sich Meta noch anfänglich für Sinclairs Schreiben interessiert, sich von ihm weiterbilden lassen, erkaltete das Interesse mit der Zeit (und ehrlich, ich kann es sehr gut nachvollziehen warum das so ist). Upton kam irgendwann der entsetzliche Gedanke, dass seine Frau (mit der er wohlgemerkt wie Bruder und Schwester zusammenlebt) sich in einen anderen Mann verliebt hatte. Oder sich heimlich trifft. So fängt sie plötzlich an, sinnlicher auszusehen. In den Spiegel zu schauen. Und dann findet Upton auch noch eine teure Brosche, die er vorher noch nie an ihr gesehen hatte.


    Mir hatte es sehr gefallen, wie Oates das "geisterhafte" Paar beschrieb. Wie Sinclair an seinem eigenen Verstand zweifelt. Wie Oates zwischendurch immer wieder seine Gedanken einfließen lässt, was alles an Missstände er erwähnt. Bis er die Kutsche wieder sieht und meint seine Frau zu sehen, in sinnlicher Umarmung mit einem ihm fremden Mann. Anlass genug für ihn, die Waffe wieder zu laden und nach dem Paar zu schießen. Das spurlos im Feld verschwunden ist.

    Was er noch dort findet ist folgendes:

    Zitat von S. 301

    Auf dem Boden fand er Skelettreste von etwas Undefinierbarem. Kleinen Tieren, Kaninchen vielleicht. Häufchen von grauem Fell oder von Federn, die von einer Eule gefressene Beute?

    Aber ansonsten, keine Hufspuren, keine Räderspuren, nichts, einfach nur ein sichtlich intaktes Maisfeld. Mit ein paar seltsamen Knochenreste. Das erinnerte mich direkt an das Haus, welches Annabel und ihr Verlobter als Geschenk zur Hochzeit bekommen sollte.

    Auch gut gefallen hatte mir, wie später Meta zu Upton zurückgekehrt ist. Müde, gähnend, aber sichtlichst zufrieden. Gekleidet in ihrem alten Kleid und sich ein paar Maisfaden aus dem Haar klaubend. In völliger Unschuld oder so ähnlich.

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  • zu The Phantom Lovers

    Sinclair kann ja schon den Finger in gesellschaftliche Misstände legen, aber wie er es in seinem eigenen Haushalt hält, dass finde ich dann doch etwas zu hart.

    Ich finde das Verhalten seiner Frau gegenüber schlicht unmöglich und arrogant. Er behandelt sie wie ein Dummchen, weist sie zurecht und hört nicht

    zu wenn sie ihre Meinung darlegt.


    Auch gut gefallen hatte mir, wie später Meta zu Upton zurückgekehrt ist. Müde, gähnend, aber sichtlichst zufrieden. Gekleidet in ihrem alten Kleid und sich ein paar Maisfaden aus dem Haar klaubend. In völliger Unschuld oder so ähnlich.

    Würde er seiner Frau etwas mehr Aufmerksamkeit schenken, wäre ihm ihr aufgehellter Gemütszustand sicher aufgefallen. Es ist so klar was da vor sich

    geht, aber ich glaube er will das einfach nicht sehen. Zwar weiß er, dass etwas nicht stimmt, aber gibt sich mit den fadenscheinigen Ausreden seiner Frau

    zuerst einmal zufrieden. Das könnte noch böse enden.


    Was mir noch aufgefallen ist, seine grenzwertigen Aussagen zur kommenden Revolution. Das klingt nach Fanatismus wenn er auch monströse Gewalttaten

    als folgerichtig ansieht und auch noch behauptet, dass die Poeten dann auch im Dienst der Gewalttätigkeit stehen müssen.

    Da schwillt mir der Kamm.

    Frau Oates geht übrigens in einigen Romanen auf das Thema Fanatismus (religiös oder sozial bedingt) intensiv ein und man merkt recht schnell

    was sie davon hält. So hier auch. Bisher ist sein Fanatismus nur theoretischer Natur, aber das kann sich auch schnell ändern. Das wissen wir gut

    aus den barbarischen Auswirkungen der französischen Revolution.

    Zitat

    So, God continues to add poets of genius to the world when the needs of progress require, and if the revolution brings violence, even

    of a monstrous sort, why then the poet must be in the service of monstrousness.

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  • Hallo in die Runde,


    ich spiel mal den einsamen Rufer in der Wüste. Wo seid ihr denn alle??????????????????

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


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  • Hallo in die Runde,


    ich spiel mal den einsamen Rufer in der Wüste. Wo seid ihr denn alle??????????????????

    Schuldig... ist etwas in den Hintergrund geraten, wird aber wieder :wink:

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter

  • Hallo in die Runde,


    ich spiel mal den einsamen Rufer in der Wüste. Wo seid ihr denn alle??????????????????

    Wie gesagt, mein Mann hat Urlaub und wir haben einiges an Arbeiten erledigt und noch den einen oder anderen Ausflug vor, aber ich versuche so oft wie es geht ins Forum zu gehen. :ergeben:




    Was mir noch aufgefallen ist, seine grenzwertigen Aussagen zur kommenden Revolution.

    Das war ja absolut krass was er da alles von sich gegeben hatte :shock: Da kann man wirklich Angst davor bekommen, wenn er nur ein Bruchteil von dem umsetzen würde.


    Frau Oates geht übrigens in einigen Romanen auf das Thema Fanatismus (religiös oder sozial bedingt) intensiv ein und man merkt recht schnell

    was sie davon hält. So hier auch. Bisher ist sein Fanatismus nur theoretischer Natur, aber das kann sich auch schnell ändern. Das wissen wir gut

    aus den barbarischen Auswirkungen der französischen Revolution.

    Ich empfinde es hier unglaublich ausgeprägt dargestellt, mal egal von welchem Blickwinkel es gezeigt wird. Gleichgültig ob jetzt reich oder arm, die Ansichten sind immer erschreckend fanatisch. Vielleicht ist mir deshalb Josiah auch noch so sympathisch, weil er mir bis jetzt in dieser Richtung keine Tendenzen zeigt. Seine Diskussion mit seinem Großvater war diesbezüglich sehr schön zu verfolgen.

    Fanatismus ist ohnehin etwas was ich niemals nie verstehen kann. Mir hatte mal ein Mitglied der Zeugen Jehova glaubwürdig versichert, dass es Adam und Eva tatsächlich gab. Mein Hinweis auf Frühmenschen, entsprechende Knochenfunde, Evolution usw die eindeutig in eine andere Richtung zeigen würden, wurden mit fadenscheinigen Erklärungen beiseite gewischt. Das klügste war in dem Moment genauso wie Josiah zu handeln, einfach ruhig sein. Gegen Fanatismus kommt man schwer ran. Jedenfalls ich komme da schwer ran.


    Mir gefällt wirklich richtig gut wie eindeutig Frau Oates zeigt was sie von Fanatismus hält!



    Auf jeden Fall werde ich heute noch weiter lesen und bei nächster Gelegenheit wieder melden. :)

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  • Wo seid ihr denn alle?

    Ich habe für ein paar Tage eine Freundin besucht :uups: ... aber nachher lese ich endlich weiter, versprochen...

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  • Das geisterhafte Liebespaar

    Das klingt nach Fanatismus

    Ja, das finde ich auch, und Upton Sinclair wird mir dadurch unsympathische, und Euch geht es offensichtlich genau so.

    Das finde ich sehr geschickt, wie der Erzähler bzw. die Autorin die Sympathien lenkt. Upton Sinclair wurde uns von Anfang an als Idealist und Theoretiker, bisschen weltfern und vergeistigt, vorgestellt, aber das war noch auszuhalten, finde ich.


    Hier aber wird er schärfer gezeichnet. Für mich wirkt er schon fast wie eine Karikatur: wie er da mit seiner Frau einen Abendspaziergang macht und Gespräche führt, die der Situation nicht angepasst sind - er kann offenbar an nichts anderes mehr denken!

    Eigentlich führt er keine Gespräche: er doziert wie ein alter Oberlehrer, ist rechthaberisch und ist wirklich der Überzeugung, andere, auch seine Frau, belehren zu müssen.

    Ein sehr unterhaltsamer Ehemann, in der Tat.


    Mich hat abgestoßen, wie er auf Außenwirkung bedacht ist: wie er Öffentlichkeit für seine Reden sucht und auch seine Frau nur als Adressatin für seine Reden "benutzt".

    Diese Eitelkeit wird noch gesteigert, finde ich, wenn er seine schlauen Sprüche für die Nachwelt aufschreibt.


    Dann wiederum tut er mir leid, wenn ich sehe, wie er desillusioniert wird. Wie seine Theorien des glücklichen, weil einfachen Lebens auf dem Lande der Wirklichkeit nicht standhalten (S. 299). Trotzdem hält er an ihnen fest und nimm auch gesundheitliche Beeinträchtigungen seiner Familie in Kauf, sogar langfristige und ernstzunehmende wie die Rachitis des Kindes.


    Maisfaden

    Die Sache mit dem Maisfeld gefällt mir richtig gut. Immer wieder das Maisfeld: dort sieht Sinclair die geisterhafte Kutsche, die älterer Bauart ist; das haben wir im Zusammenhang mit Axson und Genossen immer gelesen, dass Kleidung etc. etwas aus der Zeit gefallen sind. Dort sieht er auch das Liebespaar, dort findet Sinclair gespensterhafte Skelettreste (ich habe da sofort an Storms "Schimmelreiter" denken müssen...) - und als seine Frau nach Hause kommt, klaubt sie einen "Maisfaden" aus dem Haar. Das gefällt mir: wie die Motive erst leicht, wie nebensächlich anklingen und sich dann verdichten.


    Ihr habt auf die Sümpfe hingewiesen, und seitdem achte ich darauf. Und siehe da: Meta ist auch in den Sümpfen unterwegs.


    Jetzt können wir spekulieren; es gibt doch sicher einen Gentlemen mit dem Meta unterwegs ist, ihr Geschenke macht - Brosche aus Perlmutt - aber wer könnte es sein - ist es auch Axson

    Oh, beim Spekulieren bin ich sofort dabei!!


    Ich glaube nicht, dass es Axson ist. Oder dass es doch Axson ist in anderer Gestalt. Ich habe ja immer noch das Bild einer Räuberbande im Kopf, die offensichtlich in den Sümpfen lebt. Und alle sind sie wie Axson, mehr oder weniger; sie haben vielleicht eine andere Gestalt, aber sind ebenso böse Buben. Axson ist also so etwas wie eine Hydra mit vielen vielen Köpfen.


    Beim Schreiben überlege ich gerade, wieso ich von Buben ausgehe... da müssen doch auch Frauen sein :-k. Ihr habt wohl schon weiter gelesen und serjena hat mir versprochen, dass ich geschockt sein werde. Hm... werden die entführten Frauen als Sexsklavinnen gehalten? Stehen dem ganzen Rudel der bösen Buben zur Verfügung? Mal abgesehen davon, dass sie die niederen, aber notwendigen Dienste des Lebens übernehmen?


    Das türkis marmorierte Buch

    Ja, das ist er wieder, unser eitler Historiker!

    Aber er hat mich aufhorchen lassen, und zwar durch zwei Bemerkungen:


    1. zu Winslow Slade (S. 306). Dieser Patriarch wird uns ganz am Anfang schon präsentiert als weiser Gottvater, und ich hatte damals schon Bedenken, weil mir das alles zu undifferenziert war. Diese Bedenken sind wiedergekommen. Wieso will der Erzähler die "Materialien zu Winslow Slade" (S. 306) auf Dauer unter Verschluss halten? Die Materialien sind offensichtlich so, dass sie dem offiziellen Material "widersprechen" (S. 307).

    Ist er vielleicht auch ein böser Bube? Hat er den Fluch nach Princeton hereingeholt? Und wenn ja, warum?

    Sehr spannend, finde ich.


    2. Das Ziel des Buches: "eine "Untersuchung komplexer moralischer Probleme" (S. 307). Sollen wir das Buch nun doch als Parabel lesen?

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


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  • Dann wiederum tut er mir leid, wenn ich sehe, wie er desillusioniert wird. Wie seine Theorien des glücklichen, weil einfachen Lebens auf dem Lande der Wirklichkeit nicht standhalten (S. 299). Trotzdem hält er an ihnen fest und nimm auch gesundheitliche Beeinträchtigungen seiner Familie in Kauf, sogar langfristige und ernstzunehmende wie die Rachitis des Kindes.

    Ja, die Realität hält Sinclairs hehren Zielen in keiner Weise stand. Um ihn herum, in der pittoresken Landschaft, tobt das Landleben eher am Existenz-

    minimum mit allen schlimmen Begleiterscheinungen. Das muss für ihn furchtbar desillusionierend wirken. Das alles lässt sich durch ein paar sozialistische

    Themen nicht einfach so lösen. dann kommt dazu noch das für ihn nicht verständliche Verhalten seiner Frau, die offensichtlich in Dinge verstrickt ist

    die ihn völlig hilflos wirken lassen.

    Die Sache mit dem Maisfeld gefällt mir richtig gut. Immer wieder das Maisfeld: dort sieht Sinclair die geisterhafte Kutsche, die älterer Bauart ist;

    Dazu fällt mir ein, dass Frau Oates, vor allem in den Erzählungen die sich mit dem Unerklärlichen und Geisterhaften beschäftigen, Maisfelder und

    Sümpfe Lieblingsschauplätze sind. Ich erinnere mich an ihre Novelle >The Corn Maiden< die mir noch im Rückblick die Haare zu Berge stehen lässt

    Allerdings wird da aus dem Unerklärlichen später bittere Realität. Diesen Wechsel kann Frau Oates recht gut..............

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Robert Seethaler - Das Cafe ohne Namen

  • The Turquoise-Marbled Book


    Ja, das ist er wieder, unser eitler Historiker!

    Und wie. Hier bläst er sich so weit auf, dass man schon Angst hat er würde platzen. Er kommt mir vor wie ein Zauberer der ein Kaninchen nach

    dem anderen aus dem Hut zaubert, nur das es hier Tagebücher sind. Große, kleine, geheime und noch viel geheimere Büchlein die alle von ihm

    entziffert, beurteilt und nun dem Leser präsentiert werden. Können wir ihm alles glauben was er da herausholt? Er stützt sich ja auch auf das

    Tagebuch von Tante Adelaide, die wie wir wissen, geistig nicht ganz zurechnungsfähig ist.

    Wieso will der Erzähler die "Materialien zu Winslow Slade" (S. 306) auf Dauer unter Verschluss halten? Die Materialien sind offensichtlich so, dass sie dem offiziellen Material "widersprechen"

    Tut er das nicht, weil Slade, der ach so christliche Konservative hier bloßgestellt würde? Deine Spekulation, dass er sozusagen die Seiten gewechselt

    hat gefällt mir.

    Sollen wir das Buch nun doch als Parabel lesen?

    Faru Oates hat in ihren vielen Romanen vor Genres nie haltgemacht. Da lässt sie praktisch nichts aus. Aber diese Genres dienen ihr eigentlich nur

    als Werkzeug gesellschaftliche Brüche, moralische Fragen und vor allem oft die tiefen Abgründe in der amerikanischen Gesellschaft darzustellen.

    Hier bedient sie sich halt der alten ehrwürdigen >Gothic Novel< als Werkzeug.


    Wen es interessiert, Hier die Novelle >The Corn Maiden<:

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    William Shakespeare


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  • Allerdings wird da aus dem Unerklärlichen später bittere Realität. Diesen Wechsel kann Frau Oates recht gut.

    in "unserem" Buch hält sie es in der Schwebe, und das irritiert mich durchaus. Zunächst sucht man Erklärungen für merkwürdige Phänomene und kommt an seine Grenzen. Ich sagte schon mal, dass ich aufhören will, einen Sinn zu finden und mich ab sofort an der Fabulierlust der Autorin erfreuen will.

    Na ja, und dann kommt so ein Satz, der das wieder ins Wanken bringt und dem Ganzen doch einen Sinn unterstellt.

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  • Tut er das nicht, weil Slade, der ach so christliche Konservative hier bloßgestellt würde? Deine Spekulation, dass er sozusagen die Seiten gewechselt

    hat gefällt mir.

    Slade ist ganz offensichtlich ein eher übler Charakter. Sein Gottvatertum, seine Menschenfreundlichkeit, seine Nächstenliebe und so fort sind nur Fassade. Diesen Verdacht hatten wir (bzw. ich) schon nach dem 1. Kapitel, aber hier kommt noch etwas dazu:


    Er muss grundsätzlich mit dem Fluch etwas zu tun haben, in irgendeiner Weise verantwortlich dafür sein.

    Ich kann mir diese Andeutung nicht anders erklären, und ich bin sehr gespannt.


    Und wenn ich beide Andeutungen zusammenschließe, ist Slade ein unmoralischer Mensch. Inwiefern? Immer? Früher, jetzt? Wem gegenüber? Sehr spannend.


    Und ich finde es äußerst gekonnt, wie uns der Erzähler/die Autorin bei der Stange hält und neue Spannung aufbaut.

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  • Maisfelder und

    Sümpfe Lieblingsschauplätze sind.

    Kann es sein, dass sie Mais als Phallus-Symbol verwendet?


    Mir kam der Gedanke, weil in diesem Roman immer wieder die Rede von geschwisterlichen Lebensweisen ist. Und das Bild passt so gut: Meta, die sich im Maisfeld herumtreibt, und auch Sinclair, der im Maisfeld diese sexuellen Szenen sieht und so fort?

    Sumpf wäre dann der Gegenpart, na ja, ich will das jetzt nicht überstrapazieren, ist nur eine Idee.

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