Gregg Segal/Bee Wilson – Über den Tellerrand. Was Kinder hier und anderswo essen / Daily Bread

  • Klappentext/Verlagstext
    Was essen Kinder in einer Woche? Und wie sähe das aus, wenn man diese ganzen Mahlzeiten um sie herum anordnet und sie mittendrin fotografiert? Der Fotograf Gregg Segal hat genau das gemacht. Er hat über 50 Kinder weltweit von Kalifornien bis Mumbai besucht, interviewt und anschließend mit ihren jeweiligen Mahlzeiten fotografiert. Entstanden sind außergewöhnliche Fotos, auf denen es viel Spannendes zu entdecken gibt: Gerichte und Früchte, von denen wir vielleicht noch nie gehört haben. Außerdem sieht man, wer gern Fast Food mag, wer gern Süßigkeiten isst oder viel Gemüse und wo sich Kinder am gesündesten ernähren.
    Eine Reise um die Welt, die die Vielfältigkeit unserer Speisepläne und damit auch unserer Lebensweisen zeigt.


    Der Fotograf
    Gregg Segal, geboren in Ridgewood NY, studierte Fotografie und Film am California Institute of the Arts, Drehbuchschreiben an der New York University und Erziehungswissenschaften an der University of Southern California. Für seine Fotografien wurde er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Seine Porträtfotografien und Fotoessays erscheinen unter anderem in Time, GEO, The Independent, Le Monde, Stern, National Geographic. Gregg Segal lebt mit seiner Frau, Sohn und Hund in Altadena, Kalifornien.


    Vorwort
    Beatrice Dorothy Bee Wilson (*1974) ist eine englische Kulturhistorikerin, die über Lebensmittel und unser Verhältnis zu ihnen schreibt. Sie ist mehrfach für ihre Leistungen mit Preisen ausgezeichnet worden. (nach Wikipedia)


    Inhalt
    Vorgestellt werden Kinder aus verschiedenen Ländern und Lebensverhältnissen auf jeweils einer Doppelseite. Ein Text beschreibt ihre Familiensituation und ihre persönlichen Ziele, ein Übersichtsfoto zeigt die Mahlzeiten einer Woche. Die Fotos allein machen neugierig darauf, welche Lebensmittel abgebildet sind und ob der Betrachter selbst sie schon einmal probiert hat. Bereits die Kleidung der Kinder erzählt über ihre Kultur, Religion, ihr Schulsystem und welche Idole das abgebildete Kind haben könnte. Die jungen Fotomodelle sind zwischen 6 und 16 Jahre alt. Auffällig viele der Eltern üben Berufe im Bereich der Ernährung aus, wie z. B. der Vater von Altaf Bin Roni aus Malaysia (auf dem Titelbild), der an einem Ess-Stand Satay-Spieße verkauft.


    Bilder und Texte zusammen zeigen eine globalisierte Welt, in der häufig mehrere Völker eine Nation bilden und in der Einwanderer in ihre traditionelle Ernährung die (nicht unbedingt gesunde) Ernährungsweise des Gastlandes integrieren. Brasilien, USA, Malaysia, Indien und die Vereinigten Arabischen Emirate stehen hier beispielhaft für die Vielfalt aus traditioneller und industriell produzierter Ernährung. Auch Deutschland, Italien, Frankreich und Senegal sind Herkunftsländer der Kinder, die Texte über die deutschen Kinder fallen eher schwach aus. Der jeweilige Text zum Foto vermittelt deutlich Widersprüche des Themas Ernährung. Wer täglich auswärts isst, hat es schwerer, sich gesund zu ernähren; Take-Away-Verpackungen weisen auf das Problem hin. Plastikflaschen zeigen auf, dass nicht alle Kulturen sauberes Trinkwasser zur Verfügung haben. Auch in anderen Ländern mögen Kinder nicht unbedingt, was die Mensa anbietet oder was Erwachsene für gesund halten. So hat eine amerikanische Familie einen eigenen Gemüsegarten und Hühner, das Kind lebt jedoch von Toastbrot, Bacon, Würstchen und Popcorn. Abwechslungsreiche Ernährung muss nicht teuer sein, niemand zwingt jedoch wohlhabendere Familien, sich von Fertiggerichten zu ernähren. Interessant wäre hier die Frage gewesen, wie viel Prozent ihres Einkommens Familien in verschiedenen Ländern für Nahrungsmittel ausgeben. Nicht alle abgebildeten Kinder werden jeden Tag satt. Das sichtbare Unter- oder Übergewicht mit der Ernährung zu begründen, scheint mir etwas zu populistisch; zumal Gregg Segal im Nachwort verdeutlicht, dass Junkfood sich stets im Windschatten von Werbung im Alltag breitmachte.


    Der Fotograf Gregg Segal stieß während eines konsumkritischen Foto-Projekts über Müll auf das Thema Ernährung. Beim ersten Durchblättern seines Buchs fragte ich mich ebenfalls, wo der Verpackungsmüll der abgebildeten Mahlzeiten geblieben ist und welche Familien wohl mit ihrer Ernährungsweise einen günstigen ökologischen Fußabdruck hinterlassen. Die Arbeit an diesem Buch wurde durch eine Kickstarter-Kampagne unterstützt und begann damit, dass Segal seinen Sohn und dessen Freunde fotografierte. Ihm liegt deutlich daran, die Verdrängung regionaler, ökologisch sinnvoller Ernährungsweisen in aller Welt durch Fastfood und Süßigkeiten aufzuzeigen und die darauf folgende Zunahme von Zivilisationskrankheiten bei Kindern. Zum Vergleich, wie verschieden die Lebensbedingungen innerhalb einzelner Länder (z. B. Malaysia, Brasilien) sein können, wäre ein Register der Nationen hilfreich gewesen.


    Fazit

    Da für die Zielgruppe ab 8 Jahren Kenntnisse über andere Länder vorausgesetzt werden und einige Zusammenhänge sich in den Begleittexten verstecken, ist eine Begleitung des Buchs durch Erwachsene sinnvoll, wie z. B. in Ernährungsprojekten.


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    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Weber - Bannmeilen (Paris)

    :musik: -- Catton - Gestirne; Rehear


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Auch mir haben die Idee, Kinder und Jugendliche verschiedenster Länder mit den von ihnen in einer Woche verzehrten Nahrungsmitteln zu fotografieren, und die Umsetzung dieses Projekts weitgehend gefallen. Es sind interessante Bilder und Geschichten in diesem doch recht umfangreichen Band versammelt. Nicht immer war ich mir jedoch sicher, ob die Texte mit den jeweiligen Familien abgesprochen wurden - manche Menschen dürften sich bloßgestellt fühlen. Und auch mir greifen die Hinweise, dass das sichtbare Unter- oder Übergewicht der Kinder und Jugendlichen allein auf die jeweilige Ernährung zurückzuführen sei, zu kurz. Dass oft ein Verstehens- und Lernprozess bei den im Foto festgehaltenen jungen Menschen eingesetzt hat, ist ein toller "Neben-"Effekt des Buches, in dem ich auch oft mit meinen Kindern blättere und die dargestellten Teller und Schüsselchen mit unserem eigenen Speiseplan vergleiche. Dieser Blick über den Tellerrand hat uns schon viel Freude bereitet und zu interessanten Gesprächen geführt.


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    :study: Han Kang - Griechischstunden

    :musik: Asako Yuzuki - Butter (Re-???)

    :montag: Jane Austen - Stolz und Vorurteil (Reread)

    :montag: Sally Coulthard - Am Anfang war das Huhn